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Sicht Luan


36

Mit jeder verstreichenden Sekunde, in der die Gestalt die Entfernung zu mir verringerte, schoss mein Puls weiter in die Höhe. „Ich dachte, dass du vielleicht etwas Hilfe gebrauchen könntest, nach diesem ganzen Desaster und dem Schlamassel in dem du dich gerade befindest, mein alter Freund." Nun endlich erkannte ich die Person, was mich augenblicklich beruhigte und mich in eine überlegende Position katapultierte. „Ach ist das so? Ich habe alles unter Kontrolle, wie immer!" Grinsend steckte ich meine Waffe in den hinteren Teil meines Hosenbundes und verschränkte anschließend siegessicher die Arme, während der Abstand zu der Person immer weiter abnahm, bis sie nun endlich vor mir stand. Wir standen Angesicht zu Angesicht, wobei wir beide einen finsteren Blick dem jeweils anderen zuwarfen. „Ich hätte nie gedacht, dass du zurückkommen wirst! Lass dich Drücken!" Lachend fielen wir uns in die Arme und klopften uns derweilen auf unser beider Rücken. „Ivan, mein Freund. Schön dich zu sehen!" Ich bat ihn herein und weckte dabei auch die anderen, welche Ivan ungläubig ansahen, ehe sich alle herzlich begrüßten. Auf die Frage, wo denn der Rest der Bande sei, kippte die Stimmung und ich erlaubte mir, Ivan in einem Zwei-Augen-Gespräch über sämtliche Geschehnisse  aufzuklären. „Du darfst nicht jedes Mal den Kopf verlieren, mein Lieber! Das ist doch nicht das erste Mal, dass die Bullen uns um ein Haar fast erwischt hätten. Das mit Julia tut mir natürlich leid." Er hatte zwar Recht, allerdings konnte ich die Zeit nicht zurückdrehen, um das Getane ungeschehen zu machen, was auch bedeutete, dass ich nun mit den Konsequenzen leben musste. Mir war bis zu jenem Zeitpunkt nie so bewusst gewesen, wie sehr ich eigentlich auf alle Mitarbeiter angewiesen war.

Das letzte Mal, als die Polypen mir auf die Schliche gekommen waren, konnte ich dies auf nur deswegen abwenden, da sich eine Mitarbeiterin bereit erklärt hatte ihren Kopf für uns alle hinzuhalten. Ich bedauerte es nach wie vor sehr, dass ich sie ins Verderben geschickt und sie sich aufgrund dessen nach ihrer Verhaftung das Leben genommen hatte. „Umso wichtiger ist es nun den Notfallplan endlich einzuleiten!" Sagte ich mit strenger Stimme, sobald ich aus meinen Gedanken entfliehen und mich auf das Hier und Jetzt wieder konzentrieren konnte. „Du meinst doch nicht?" Ich nickte bestätigend „Doch, genau das meine ich! Ich werde nun Joey dazu holen und ihn einweihen." Ivan sackte geschockt in den Stuhl, indessen ich Joey bat zu uns zu stoßen, was er widerwillig in die Tat umsetzte. „Noch heute werden wir „Rabbit" einleiten. Joey, das heißt, dass du an alle Teilnehmer, die weniger als 35 Aufgaben bisher erledigt haben, eine minimale, aber tödliche Aufgabe verteilst. Du findest alles was du dafür brauchst auf Julias Computer, den ich dir hier anschließen werde. Ivan, du behältst bitte Lucy und Chris im Auge. Die Sache mit Fischer und den Spielern, die mehr als 35 Aufgaben absolviert haben, regele ich selbst. Darüber müsst ihr euch keine Gedanken machen. Womit wir rechnen müssen sind die Nachrichten, die unser Spiel und auch weitere Spiele in Zukunft sabotieren werden sowie die Möglichkeit, dass gewisse Käufer abspringen." Wir gaben uns gegenseitig ein zustimmendes Nicken, um unser Vorhaben zu besiegeln und dessen Umsetzung in die Wege zu leiten.

Joey und ich setzten uns in die Küche, deren Tür wir vorsichtshalber verschlossen, damit uns niemand stören konnte, während wir unser Vorhaben durchzogen. „Was hast du dir unter minimal, jedoch tödlich vorgestellt?" Ich lehnte mich zu ihm rüber und deutete auf einen Ordner mit dem Titel „Tagesplanung" hin, welchen er zugleich öffnete. „Und du meinst, dass die Außenmitarbeiter da mitmachen? Ich meine, die wissen genau was gerade abläuft und ich bezweifle, dass sie die Medikamente verteilen werden." Ich wusste durchaus warum er sich diesbezüglich sorgte, allerdings wusste er noch nicht über die Tatsache, dass alle Spieler aus anderen Ländern sowie Städten, welche unter meiner Leitung standen, bereits über das Medikament verfügten, bescheid. Joey musste aber auch nicht alles wissen, welche weiteren Tricks ich im Petto hatte, und so versicherte ich ihm lediglich die Erfolgsgarantie der Aktion. Indessen er sich um die anderen kümmerte, richtete ich mein Augenmerk auf die Rund-Mail, welche jedem Whale in zehn Minuten zugeschickt und somit ihr Schicksal besiegeln werden würde. Sobald die Nachricht rausgeht, werden hunderte von Whales sterben und in diesem Augenblick hatten die scheiß Idioten von der Polizei keine Zeugen mehr, womit sie auch nahezu alle Beweise gegen uns verlieren würden. Nichts könnte uns jetzt noch davon abhalten, denn kaum hatte ich Joey die Erlaubnis erteilt, schickten wir die Mails ab und schon bald würde das gesamte Bullensystem zugrunde gehen.

Sicht Ivan

Derweilen Luan sowie Joey mit den Spielern beschäftigt waren, hatte ich es mir auf dem kleinen Sessel im Wohn- und Essbereich gemütlich gemacht. Fabian musste draußen Holz für den Kamin holen, folglich befanden sich in diesem Raum Lucy, Chris und meine Wenigkeit. Lucy blieb relativ schweigsam, jedoch konnte ich nicht das gleiche von Chris sagen, der wiederum redete wie ein Wasserfall darüber, wie schön er es fand, dass ich zurückgekehrt war, er die gesamte Firma neu aufbauen und komplett umstrukturieren will, was mich nur wenig interessiert, da schließlich nicht er der Boss, sondern nur die Vertretung, war. „Du wirst schon sehen, Ivan. Ehe wir uns versehen werden wir noch mehr Kohle machen als je zuvor." Die Entschlossenheit in seinen Worten triefte förmlich vor Selbstverliebtheit, als ob er in der Lage wäre den Job besser zu machen. Niemand konnte Luan das Wasser reichen, auch trotz seiner kleinen Makel, die aber jeder von uns hatte. Ich erwiderte nichts darauf und fokussierte mich auf Lucy, die starr auf ihre Hände blickte. „Ich gehe duschen." Meinte sie, bevor ich etwas dazu sagen konnte, und verließ schnellen Schrittes den Raum, sodass ich mich nun mit diesem Idioten alleine auseinandersetzen musste. Zumindest dachte ich dies im ersten Moment, denn kaum zehn Minuten später folgte Chris ihrem Vorbild und ging. Da ich die Beiden nicht aus den Augen lassen sollte, erhob ich mich schweren Herzens von meinem Sitzplatz und schlich durch das Haus bis zum Badezimmer an welchen ich kurzerhand stehenblieb, um zu lauschen, was darin vor sich ging.

Tatsächlich hörte ich zwei Stimmen darin, die augenscheinlich in einen Streit geraten waren, weshalb ich mich entschloss einzugreifen. Kaum hatte ich die Tür geöffnet, konnte ich einen Blick auf die Situation erhaschen, die Luan definitiv nicht gefallen würde. Chris hatte Lucy in die Ecke der Dusche gedrängt und hielt ihre Hände mit einer Hand fest, während die Andere sich an ihrem Körper zu schaffen machte. Lucys Gesichtsausdruck zufolge geschah dies nicht einvernehmlich, was mich andererseits dazu befugte einzugreifen. Schlagartig öffnete ich die Duschkabinentür und schnappte Chris gewaltsam an den Haaren. Noch im gleichem Atemzug warf ich ihn mit Wucht zu Boden und beobachtete wie er dort unter Schmerzen ächzend aufprallte. Ich wusste von der Prügelei zwischen ihm und Luan, aber darauf würde ich keine Rücksicht nehmen. Ich beugte mich über den überrumpelten Chris, der durch die Tränen in seinen Augen meinen ersten Schlag, welcher auf seine bereits gebrochene Nase traf, nicht ausweichen konnte. Hilflos rekelte er sich unter meinem schweren Körper, um sich vernünftig zu verteidigen, was ich ihm jedoch nicht vergönnte. Indessen warf er mir die absurdesten Beleidigungen an den Kopf, welche ich allesamt ignorierte. Erst als er sein Bewusstsein verlor stoppte ich und wendete mich der verstörten Lucy zu, die noch immer wie angewurzelt in der Ecke stand. Ich stellte das Wasser ab und händigte ihr ein Handtuch aus, ohne auch nur einen Bruchteil einer Sekunde auf ihren nackten Körper zuschauen, da mir dieses Recht nicht zustand. Ich begleitete sie aus dem Badezimmer bis zum Schlafzimmer, wo sie sich in Ruhe anziehen konnte. Danach machte ich mich auf den Weg Luan über den Vorfall in Kenntnis zu setzen, wozu ich aber leider nicht mehr kam.

Todesspiel ||Where stories live. Discover now