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Sicht Lucy

Nach diesem hinterhältigen Angriff seitens Chris musste ich mich erstmal wieder beruhigen und meine nächsten Schritte genauestens planen, da seine Unzurechnungsfähigkeit ebenso groß wie die von Luan gezeigt hatte. Folglich könnte es sich als gefährlich herausstellen, sollte ich abermals alleine mit ihm in einem Raum aufhalten, wobei er mir bereits bewiesen hat, dass ich nirgendwo sicher war, oder Luan von dem Vorfall berichten durfte. Andererseits konnte ich mir denken, dass dies Chris Todesurteil sein würde, was unter diesen Umständen vielleicht eine gerechte Strafe wäre, und ich war nun mehr als nur zwiegespalten. Schließlich hatte ich ihn erst verteidigt und das war sein Dank dafür? Ich musste auch an mein Kind denken, weswegen ich mich im darauffolgenden Moment auf den Weg zu Luan machte, dabei wurde ich jedoch von einem komischen Geräusch aus dem Badezimmer aufgehalten. Kaum hatte ich die Tür ein Stückweit geöffnet, machte ich eine grausame Entdeckung: Ivans Körper hing mit einer Schlinge um dem Hals von einem der Holzbalken an der Decke herab. Sobald ich die erste Schrecksekunde überwunden hatte, überrollte mich die nächste Angstwelle. Chris schlich sich von hinten an mich heran und ergriff mich gewaltsam, ehe ein Ton meine Lippen verlassen konnte. Er legte seine Hand über meinen Mund und presste seinen gesamten Körper an meinen, um mir folgendes ins Ohr zu flüstern.

„Keine Bewegung! Du hörst mir jetzt genau zu: Du wirst niemanden erzählen, was passiert ist oder ich werde erst dein Kind, dann Luan und anschließend dich töten. Und glaube mir, es wird kein angenehmer Tod sein. Siehst du, was mit dem lieben Ivan geschehen ist? Das war ein Gnadentod, der dir verwehrt bleiben wird. Verstanden? Falls ja, dann darfst du langsam nicken, danach werde ich dich loslassen, du wirst Alarm schlagen und so tun als würde ich dich trösten, da ich dein kläglichen Hilfeschrei zuerst gehört habe. Und denk dran, kein Wort über diese kleine Unterhaltung." Ich tat genau das, was er von mir verlangte und so verlief alles wie er wollte. Damit wurde sein Tod als Suizid abgestempelt und seine Leiche zunächst von Chris und Luan nach draußen getragen, wo wir ihn zeitnah beerdigen wollten. Im Angesicht der derzeitigen Situation, kümmerten wir uns alle um unser Aussehen, damit wir unentdeckt einige Sachen für die Zeremonie besorgen konnten, denn schließlich waren unsere Gesichter überall in den Nachrichten abgelichtet. Luan rasierte sich die Haare bis auf seinen Bart ab, ganz im Gegensatz zu Joey, der nun komplett kahl war, und Chris, welcher seine Haare lediglich braun färbte. Joey und Luan trugen von nun an immer grüne, Chris dagegen blaue, Kontaktlinsen. Fischer weigerte sich bei der Umwandlung teilzunehmen, da er in den Medien als entführt galt und er sich die Möglichkeit offenhalten wollte, zur Polizei zurückzukehren.

Meine Wenigkeit durchlief wohl die größte Transformation, denn meine einst langen Haare wurden zu einem Karamell-blonden Pixie Cut und meine neue Augenfarbe war so tiefbraun wie neunzig prozentige Zartbitterschokolade. Chris meldete sich freiwillig zusammen mit Joey inklusive mir in die Stadt zu fahren, indessen Luan und Fischer zurückblieben, um das Grab auszuheben. Obwohl Luan offensichtlich kein großer Fan von dieser Aufteilung war, stimmte er dennoch zu und ermahnte Chris, dass er nicht auf dumme Ideen kommen sollte. Als Nachdruck für die Ermahnung setzte er ein Zeitlimit, in welchem wir Pizza, Blumen und ein Holzkreuz beschaffen sollten. Unterwürfig und mit einem versteckten Grinsen versicherte Chris voller gelogener Aufrichtigkeit er würde mir niemals ein Haar krümmen. Es dauerte Ewigkeiten bis wir loskamen und nochmal länger bevor wir die Stadt erreichten, in welcher wir uns voneinander trennten, sodass jeder genau eine der Sachen erledigen konnte. Chris kümmerte sich um die Pizza, Joey um das Kreuz und ich übernahm die Blumen. Ich war äußerst erfreut über diese kurze Zeit alleine und machte keine Anstalten mich zu beeilen, sondern spazierte durch einen kleinen Park, wo ich für einige Augenblicke Platz auf einer der Holzbänke nahm. Mit geschlossenen Augen neigte ich meinen Kopf nach hinten, nachdem ich den bereits gekauften Blumenkranz auf meinem Schoss abgelegt hatte, und atmete mehrmals tief ein und aus.

„Na, genießt du die stinkende Stadtluft? Oder überlegst du dir gerade, ob du wegrennen solltest?" Als ich meine Augen schreckhaft öffnete, sah ich direkt in falsche blaue Augen, die belustigt mich von oben bis unten betrachteten. Chris hatte sich so weit nach vorne gelehnt, dass er sich locker mit den Händen an der Banklehne abstützen konnte, wodurch meine Fluchtwege begrenzt wurden. „Was ist los Prinzessin? Hat dir mein Antlitz die Sprache verschlagen?" Verachtend drehte ich mein Kopf zur Seite und wiegte mich in Stillschweigen. Die Verzweiflung in mir stieg, was, wenn er mich in einen Busch ziehen oder mir anderweitig weh tun würde? Diesmal war niemand hier um mir zu helfen. „Lass uns Heim gehen. Es wird spät." Anscheinend hatte er genug und nicht die Nerven mich weiter zu provozieren. Er wuschelte mir durch die Haare und bot mir seine Hand zum Aufstehen an, die ich selbstverständlich ignorierte. Er konnte es sich nicht verkneifen, während wir zum vereinbarten Treffpunkt liefen, seinen Arm um meine Taille zu legen, welche er sofort entfernte, als Joey nach Minuten des Wartens endlich auftauchte. Auf dem Rückweg, ebenso wie beim Hinweg, herrschte Totenstille, außer wenn sie von Räuspern, Husten oder dem Rutschen auf den Sitzen unterbrochen wurde. Erleichtert stürzte ich aus dem Wagen und lief Luan freudig entgegen, sobald wir unser Ziel erreicht hatten.

Die Beerdigung wurde kurz und knapp gehalten, da die Nacht immer weiter heraneilte und niemand große Lust verspürte im Dunkeln eine Leiche zu vergraben. Jeder erwies ihm die letzte Ehre, doch daran eine Sache störte mich immens, nämlich die Rede von Chris, welche nicht widerwertiger hätte sein können. „Ivan Schlatter war ein Mann voller Loyalität, dem wir seit mehreren Jahren für zahlreiche Dienste dankbar sind. Ohne ihn wäre vieles nicht möglich gewesen und er hat uns mehr als nur einmal aus der Patsche geholfen. Wir können nur erahnen welch einen Druck er sich ausgesetzt gefühlt haben muss, damit er zu diesem Entschluss gekommen ist und obwohl er nun auf diese traurige Art von uns gegangen ist, werden wir ihn und seine Taten niemals vergessen. So sage ich nicht als Kollege, sondern als Freund: Ruhe in Frieden, lieber Ivan." Ich stand fassungslos noch einige Zeit an seinem Grab und hoffte, dass mich eine Erleuchtung retten würde. Vergebens. Mir blieb nichts anderes übrig, als Luan zu bitten mit mir fortzugehen und nie wieder zurückzublicken. Daher bat ich ihn mit mir im Wald ein bisschen spazieren zu gehen und bereitete mich auf jede erdenkliche Reaktion vor. „Darf ich dich um einen Gefallen bitten?" Er nickte und zog mich sanft an sich heran, um die Intimität des Momentes zu steigern. „Lass uns gehen. Egal wohin, aber ich kann hier nicht bleiben. Wir sind bald eine richtige Familie und ich möchte nicht, dass unser Kind unter diesen Umständen mit diesen Leuten aufwächst. Können wir das Ganze nicht hinter uns lassen? Ich habe Angst um uns. Bitte, Luan, überschreib Chris die Firma und werde ein Teil unserer Familie."

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Ich hoffe dieses Kapitel hat dir gefallen. Mach dir einen schönen Tag, trink ausreichend Wasser tu dir was Gutes, das hast du dir verdient!❤

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