{20}

254 15 3
                                    

Sicht Lisa

Um Punkt 14 Uhr klingelte ich an der Haustür von Lucy, die mir ihre Adresse bereits, bei unserem ersten -mehr oder weniger zufälligen- aufeinander Treffen mitgeteilt hatte. Nach einigen verstrichenen Sekunden, öffnete sich die Tür und Lucys Kopf tauchte dazwischen auf. ,,Hey!" ich lächelte und versuchte es so echt wie möglich aussehen zulassen. Freudig umarmte sie mich, was mich mehr nervte, als ich gedacht hätte, weshalb ich mich aus ihr schnell löste und ihren Körper begutachtete. Sie war definitiv aufreizend angezogen und ich wusste, dass das heute nicht nur bei einem Filme Nachmittag bleiben würde. ,,Wie geht es dir?" Wir führten Smalltalk, während wir auf dem Weg zu ihrer Wohnung waren. Dort angekommen, vernahm ich den süßlichen Geruch von frischen Popcorn mit Mix mit dem herzhaften Duft von Nachos und geschmolzenen Käse, der mir das Gefühl vermittelte, in dem Foyer einer Kinos zu stehen. ,,Ich wusste nicht, was für einen Film du anschauen willst, also habe ich einige Filme auf meinem Bett ausgebreitet. Du kannst dir, weil du mein Gast bist, einen aussuchen." Meinte Lucy, als wir ihr Zimmer betraten und deutete auf die besagten DVDs auf ihrem Bett. Bei näheren Betrachten fiel mir auf, dass es größtenteils Komödien und Liebesfilme waren. 

,,Magst du keine anderen Genre?" Fragte ich sie, da ich normalerweise ausschließlich Horrorfilme beziehungsweise Thriller anschaute. ,,Nicht wirklich." Sie lächelte mich freudig an und dabei trat eine kleine Besonderheit in ihrem Gesicht zum Vorschein. Lachfältchen. Für eine 17 Jährige sehr ungewöhnlich. ,,Ich hätte  da auch ein paar Filme von Zuhause, die ich mitgebracht habe. Die wären mal etwas anderes." Ich grinste sie an und wartete geduldig auf ihre Antwort. ,,Was für Filme wären das denn? Bei solchen Horrorfilmen bekomme ich immer Angst und muss mich an jemanden ankuscheln." Aus meiner Handtasche kramte ich vier Filme vor. Drei normale Kinofilme und einen aus meiner  eigenen Produktion, den ich so bearbeitet hatte, sodass er locker als ganz normaler fiktiver Film durchgehen könnte. Inständig hoffte ich, dass sie diesen auswählte und sie mein Meisterwerk mit ihren viel zu unschuldigen Augen sah. Ich hatte Luan zwar versprochen, dies nicht zu tun, aber ich will die Angst in ihr und ihre Bewunderung für mein Können sehen. Tatsächlich wählte sie ihn aus, mein Glückstag. ,,Das ist eine gute Wahl." Ich setzte mich auf das Bett und begann kurz über den Inhalt kurz zu erzählen, während eine kleine Katze wie vom Teufel besessen aus dem Zimmer rannte.

,,Der Regisseur wollte es so echt wie nur irgendwie möglich gestalten, weshalb man ab und zu glauben mag, dass das die absolute Realität sein. Es geht um ein Mädchen und einen Jungen, die in einem Spiel eine wichtige Regel gebrochen haben und nun von dem Spielmeister bestraft werden sollen. Ob sie ihm entkommen können oder nicht, verrate ich dir nicht. Schließlich soll es spannend sein." Sie nickte interessiert und legte die DVD ein. Danach setzte sie sich mit Snacks zu mir und rückte dabei -für meinen Geschmack- zu nah an mich ran. Der 'Film' begann und schon die ersten Szenen, in denen ein Mädchen versuchte wegzulaufen und dabei ins Bein mit einem Pfeil abgeschossen wurde, ließen mein Herz schneller schlagen. Lucy rückte nochmal ein kleines Stückchen zu mir, was ein Signal ihrer aufsteigender Angst war, und bot mir etwas zu naschen an. ,,Kam dieser Film irgendwann mal im Kino?" Ihre Stimme war auffallend ruhig. ,,Ich glaube nicht, aber er eignet sich auch nicht dafür. Sie nickte, dies konnte ich im Augenwinkel erkennen. Als meine Lieblings Szene, spürte ich meine Erregung, die meinen Körper zum Brennen brachte. Dem Opfer, welches laut schrie, wurde soeben die Haut an den Armen abgezogen. Es war wunderbar, alles nochmal sehen zu können.

***

,,Der Film war...also...er war...ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Er war grausam. Bist du dir sicher, dass er wirklich nur fiktiv ist? Ich meine, er war viel zu realistisch! Das Blut, das das das sah so echt aus!" Lucy hatte ihren Blick starr auf ihre zitternden Hände gerichtet und der Schock war ihr ins Gesicht gemeißelt. Es war herrlich. ,,Ja, ich bin mir sicher. Wollen wir ein wenig fern schauen? Vielleicht kannst du das Gesehene dadurch besser verdauen." Sie nickte mir bestätigend zu und schaltete auf den Fernseher um. Sie war mir so nah, dass ich ihren Herzschlag hören konnte. Sanft strich ich ihr durch das gewellte Haar, wie es manche Mütter taten, wenn sie ihre Kinder trösten wollten. Wir sappten  durch die Kanäle, um eine geeignete Sendung für uns zu finden, dabei stolperten wir über die Regionalnachrichten, bei welchen Lucy stoppte. 

>>Heute wurden in einem naheliegenden Waldstück des familienfreundlichsten Stadtteils bei einem Feuerwehreinsatz vermutlich menschliche Überreste gefunden. Die Feuerwehr wurde durch den ortsansässigen Förster in das kleine Waldstück gerufen, da dieser eine verkohlte Stelle, an welcher sonst das Baumhaus seines Sohnes stand, entdeckt hatte. Die Ermittler gehen derzeit von Brandstiftung aus, da die Feuerwehr keinerlei logische Erklärung für eine Selbstentzündung ausfindig machen konnten. Die Ermittler vermuten, dass der vermisst gemeldete Sohn des Försters -Johnat M. zusammen mit seinem ebenfalls vermissten Freund Markus F. nach einem Streit mit den Eltern aus Wut das Baumhaus in Brand gesteckt hat und anschließend weggelaufen ist. Daher bitten die Ermittler um die Mithilfe der Bürger. Falls Sie einen der beiden 12- und 13-Jahre alten Jungs gesehen haben oder sachdienliche Hinweise hierzu angeben können, dann rufen Sie die eingeblendete Nummer an. 

Die gestern aufgefundenen Leichen zweier 19-Jähriger Mädchen, die auf der Straße vor einem Hochhaus, von welchem sie gesprungen sind, lagen, wurden als Sofia A. und Xandia Z. von ihren Eltern zweifelsfrei identifiziert. Die Hintergründe des Doppelselbstmords sind derzeit noch unbekannt. 

Gerade erreicht mich eine Sondermeldung. In der Mariengrundschule wurde soeben ein Amoklauf eines 20-Jährigen Abiturienten gemeldet. Der Schütze eröffnete vor 10 Minuten das Feuer auf unzählige Kinder und ist noch immer in der Schule. Es wird darum gebeten dieses Gebiet weiträumig zu umgehen. Wir halten Sie auf dem Laufenden und damit nun zum Wetter für die kommenden Tage.<<

,,Es ist schrecklich zu sehen, wozu Menschen heut zu Tage sind zu tun." Lucy konnte es nicht fassen, doch ich wusste genau, weshalb immer mehr Menschen Dinge taten, die für die normalen Langweilern unbegreiflich sind. ,,Menschen sind halt so unter gewissen Umständen." Gab ich ihr als Antwort, was sie nicht sonderlich erfreute. ,,Solche Umstände sollten nicht existieren!" Ihre Stimme zitterte, ob vor Wut oder Angst konnte ich nicht erkennen, und sie brachte etwas Abstand zwischen uns. ,,Sowas kann man leider nicht verhindern. Menschen sind ab und zu doch nur Tiere, die in Stresssituationen, ohne an die Konsequenzen zu denken, irrational handeln." Ich wollte sie nicht verprellen, weshalb ich meine Wortwahl vorerst beachten und den moralisch korrekten Mitmenschen spielen musste. Dieser Abend könnte noch interessant werden, denn Lucy wechselte sofort wieder das Thema und konnten sogar lachen. Sie rückte wieder ein Stückchen näher und schaltete dann das Licht sowie den Fernseher aus.

Todesspiel ||Where stories live. Discover now