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(Sicht Julia)

Trotz der Erleichterung, dass Luan jetzt da war, wurde ich dieses komische Gefühl nicht los, dass irgendwas mit dem Mitbringsel von ihm nicht stimmte, wobei auch sein Verhalten mich zunehmend verunsicherte. „Vor der Tür wartet etwas. Bring es bitte in die vorbereitete Kammer!" Flüsterte er mir ins Ohr, bevor er sich an die Anderen wendete und sie begrüßte. Seufzend nickte ich ihm zu und verließ den Saal mit der Frage, was Luan mit 'etwas' -vielleicht ein neues Foltergerät- meinte. In der Erwartung etwas Schlimmes vorzufinden, und diese Erwartung wurde mehr als übertroffen, schloss ich die Tür hinter mir. Dann sah ich was er mitgebracht hatte, wobei 'was' definitiv das falsche Wort war. An einem Rohr war eine Kette befestigt, an dessen Ende ein halbnacktes junges Mädchen zusammen gekauert saß. Sie war ziemlich übel zugerichtet und hatte nicht nur eine Schusswunde am Bein, sondern auch eine aufgeplatzte Lippe. Sie zitterte am ganzen Leib und starrte abwesend vor sich hin, ganz so als wäre sie hypnotisiert worden. „Wie heißt du?" Fragte ich vorsichtig, während ich neben ihr in die Hocke ging und sie mitleidig beäugte. Sie antwortete nicht, anstatt dessen wippte sie leicht hin und her. Erst als ich sie sanft an der Schulter berührte, zuckte sie zusammen und schien aus ihrer Starre erwacht zu sein. „T-Tracy." Sie hatte mich also verstanden, aber war nicht in der Lage gewesen mir gleich eine Antwort zu geben und genau in diesem Moment konnte ich mir denken, was Luan mit ihr gemacht hatte. „War es dein erstes Mal?" Fragte ich Tracy behutsam, woraufhin sie nickte und in Tränen ausbrach. Dies ließ mich den Entschluss fassen, Luan zur Rede zu stellen und dafür zu sorgen, dass das nicht noch einmal passiert.

„Er wird dich nie wieder anfassen, dafür werde ich sorgen. Ich bin gleich wieder da!" Sagte ich ihr zuversichtlich und ging sofort zurück zum Konferenzsaal, in welchem Luan mitten in seinem Vortrag war. „Sie müssen nochmals Entschuldigen, aber ich muss kurz mit Luan etwas besprechen." Sagte ich an die Versammelten gerichtet und ging auf Luan zu ,,Jetzt sofort!" Zischte ich ihn an und zog ihn näher zu mir. Er seufzte, da er sich denken konnte worum es sich bei meinem Anliegen handelte, weshalb er mir ohne weitere Einsprüche nach draußen folgte. Kaum hatten wir die Tür hinter uns geschlossen und waren ein Stückchen näher an Tracy herangetreten, wollte ich ihm eine Standpauke halten, jedoch schnitt er mir sogleich das Wort ab. „Du hast meinen Befehl missachtet, Julia! Du solltest dieses Ding wegbringen! Denkst du nur, weil ich dich gut leiden kann, kannst du dich mir widersetzen? Ich bin dein Chef und du hast das zu tun, was ich sage! Für Mitgefühl ist hier der falsche Ort! Wenn jeder so wäre wie du, dann könnten wir uns alle gleich den Bullen stellen! DAS IST DEINE LETZTE VERWARNUNG! BEIM NÄCHSTEN MAL, WENN SOWAS PASSIERT, HAT DAS FÜR DICH ERNSTHAFTE KONSEQUENZEN! HAST DU DAS VERSTANDEN?" Eigentlich sollte er derjenige sein, der klein gemacht wird, aber nach diesem Anschiss traute ich mich nicht mal auch nur ein Wort zu sagen. „Starr mich nicht so wie ein geschlagener Hund an! Ich hasse es dich zurückweisen zu müssen, weshalb ich nichts bei der Sache mit Michelle gesagt habe und mit ihr so behutsam umgegangen bin, aber bei diesem Sachverhalt wirst du dich nicht einmischen, okay?" Er war wieder völlig ruhig und der Hass verschwand aus seinen Augen. „Okay, dann bring ich sie jetzt weg!" Er nickte und gab mir einen liebevoll gemeinten Kuss auf meine Stirn, ehe er erneut hinter der Konferenzsaaltür verschwand.

Sicht Luan

Ich betrat noch immer aufgebracht den Saal und lief an dem langen Tisch nach vorne, an dessen Spitze ich mich; wie eben; hinstellte. „Entschuldigt bitte diese kurze Unterbrechung. Wie ich bereits eben erwähnt habe, geht es um die Vorfälle der vergangenen Tage. Zunächst möchte ich jedoch unsere neue Auszubildende vorstellen. Michelle komm doch bitte zu mir!" Verkündete ich und wartete darauf das Michelle zu mir kam. Sie schaute verunsichert zu ihrem Bruder, der neben ihr saß und sie aufmunternd anlächelte. Sie erhob sich zögernd und kam neben mir zum Stehen. ,,Für diejenigen, die noch nicht die Ehre hatten; dieses bewundernswerte Mädchen kennenzulernen, das hier ist Michelle Schlatter. Sie ist die kleine Schwester von unserem immer zuverlässigen Ivan, und sie hat den Aufnahmetest mit Bravour bestanden. Sie ist 19 Jahre alt und somit unser jüngstes Mitglied. Nun wird sie mit ihrer Ausbildung anfangen, wofür ich extra ein neues Trainingsobjekt besorgt habe. Doch bevor sie dies tun kann, muss sie wie jeder hier den Eid schwören und ihren Arbeitsvertrag unterschreiben. Bist du dafür bereit?" Fragte ich Michelle, deren Blicke nervös zwischen mir und ihrem Bruder hin und her zuckten. Sie nickte und ich begann den Eid vorzulesen.

„Du trägst mit deiner Arbeit hier eine große Verantwortung, weshalb wir sicher gehen wollen, dass du dir dieser Verantwortung bewusst bist. Schwörst du, Michelle Schlatter, dein Leben dieser Firma zu überlassen? Alles daran zu setzen sie zu schützen und immer für den bestmöglichen Umsatz zu sorgen? Jeden Befehl ohne Widerspruch auszuführen und über alles, was du hier erlebst, zu schweigen?" Stellte ich die Fragen an sie gewandt, woraufhin sie keine Sekunde mit der Antwort zögerte ,,Ja, ich schwöre es." Gleich danach unterschrieb sie den Arbeitsvertrag, in welchem alle wichtigen Dinge zum Thema Arbeit, wie Gehalthöhe, Arbeitszeiten und Kündigung durch Erschießen, geregelt waren. ,,Herzlich willkommen!" Meinte ich, während wir Hände schüttelten, und die Anwesenden jubelnd in die Hände klatschten. Manchmal waren wir eben doch wie ganz normale Geschäftsmenschen, auch wenn wir gerade einen zukünftigen Mörder begrüßten. Wobei jedes Mal auf ein Neues mir die Frage in den Kopf kam, ob es denn wirklich Mord war, denn schließlich würden die meisten Kids sowieso Selbstmord begehen und das ohne unser zu tunen. Warum also keinen Nutzen daraus ziehen? Ich strich diese Gedanken aus meinen Kopf und fuhr fort. „Nun, nach diesem erfreulichen Ereignis, richten wir unser Augenmerk wieder auf die ernsteren Themen. In den letzten Tagen gab es immer häufiger Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeitern und, bedauernswerterweise, mir. Dazu kommt, dass ein Gerücht umgeht, laut dem ich aufgrund einer romantischen Beziehung meine Objektivität verloren hätte." Ich pausierte einen Moment und atmete tief durch, ehe ich meine Rede fortsetzte.

Todesspiel ||Where stories live. Discover now