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Sicht Luan

Seit beinahe einem dreiviertel Jahr musste ich zusehen, wie meiner Traumfrau regelmäßig weh getan wurde und ich wusste nicht wie lange ich dies noch durchziehen konnte, ohne abzudrehen. Ihr Körper war von Hämatomen, Kratzern, Schnittwunden und Narben übersät, sodass sie von ihrer ursprünglichen Schönheit fast alles verloren hatte. Es war nur an der Zeit für mich Lucy aus ihrem Eisbad zu holen und sie zu umsorgen, denn so langsam fing die Konditionierung an zu wirken. Ich lief mit einem großen flauschigen Handtuch den Gang zu dem Badezimmer herunter und öffnete die Tür. Vorsichtig näherte ich mich der Badewanne, in der Lucy zitternd seit vier Stunden drin saß und mich bei meinem Eintreten aus müden geschwollenen Augen ansah, während ich das Wasser abließ. Ich nahm sie an der Hand, damit sie nicht stolperte, und legte ihr sanft das Tuch um den Körper. Ihre Lippen waren blau lila, ihre Haut schrumpelig und auch als sie sich in das Handtuch kuschelte, zuckte ihr Körper unkontrollierbar. ,,Danke." Hauchte sie mir entgegen und drückte sich anschließend eng an mich, was mir ein Lächeln verlieh. 

,,Bitteschön, Lucy." Ich strich ihr sanft über das kalte nasse Haar, woraufhin ich bemerkte, dass sie anfing zu weinen. ,,Ich halt das nicht mehr aus, Luan. Mach das es aufhört! Bitte!" Ihre Stimme bebte und wenn ich sie nicht festgehalten hätte, wäre sie auf den harten Fliesenboden gefallen. ,,Das geht noch nicht. Ich kann dir diese Prozedur nicht unterbrechen, Luisa." Sie schluchzte heftig und presste ihren Kopf gegen meine Brust. ,,Ich heirate dich." Ich lächelte mit Tränen in den Augen ,,Ich werde deine Frau, Luan." Ihre Worte klangen zwar ehrlich, aber ich wusste, dass sie mich nicht voll und ganz lieben konnte. Dafür war es noch zu früh. ,,Liebst du mich? Willst du mich wirklich heiraten oder willst du dies nur um den Schmerzen zu entkommen? Wehe du lügst." Sie sah mir direkt in die Augen und legte ihre Hände an meinen Hals, wobei sie mit ihrem zierlichen Daumen über meine Lippen strich. ,,Ich liebe dich, Luan!" Sie beugte sich zu einem Kuss vor und legte zärtlich ihre eiskalten Lippen auf die meinen. Ich griff nach ihren Beinen und hob sie hoch, sodass sie diese um meine Hüften schlang. Zusammen mit ihr lief ich in mein Büro, damit wir ungestört sein konnten, während wir uns liebten.

***

Lucys nackter durchschwitzter Körper lag neben mir und nur ihr Kopf ruhte auf meiner Brust, was mir ein wohliges Gefühl bescherte. Der Sex mit ihr war so anders, als den, den ich sonst hatte, so besonders, so vollendend und ich wünschte mir, dass diese Zeit mir ihr niemals vergehen würde. Wir lagen auf meiner Couch in meinem neuen spartanisch eingerichteten Büro und erst als Julia an der Tür klopfte, zogen wir uns an. Lucy warf ich einen großen grauen Pullover, eine schwarze Leggings, Unterwäsche und ein paar Turnschuhe zu, sodass sie nicht nackt vor Julia stehen musste. ,,Luan? Du wolltest mich sehen?" Sie öffnete wenige Minuten später vorsichtig die Tür und steckte ihren Kopf hinein, wobei sie versuchte Lucy nicht anzuschauen. ,,Besorg einen Schneider. Wir brauchen einen Anzug für mich und ein Kleid für Lucy. Außerdem brauchen wir noch einen Standesbeamten." Voller Verwirrung nickte sie und verließ, ohne ein weiteres Wort zu sagen, den Raum. ,,Jetzt gibt es für dich kein zurück mehr, Lucy" Ich blickte ihr direkt in ihre wunderschönen Augen, die ihren Glanz nach all dieser Zeit wieder gefunden hatten und pure Freude ausstrahlten. ,,Ich freue mich sehr darauf deine Frau zu werden." 

Zwei Stunden später wurden Lucy und ich getrennt, denn schließlich brachte es Unglück, wenn der Bräutigam das Brautkleid vor der Hochzeit sieht und wir brauchten all das Glück der Welt, um unseren Neustart richtig durchzuführen. Die Vorfreude war groß, letztendlich hatte sich alles bis zu diesem Moment gelohnt zu tun und endlich konnte ich meine Traumfrau heiraten, was ich so schnell wie möglich machen wollte, weshalb ich Julia zu mir gerufen hatte. Ich wusste, dass ab heute mein Leben sich grundlegend ändern würde und jeder würde wissen, dass Luisa Krylokov bis zur Unendlichkeit ein Teil von mir wurde. In 5 Stunden würden wir uns in einem Saal, außerhalb der Firma, das Ja-Wort geben, auch wenn dies ein riskantes Manöver war, wollte ich, dass es zu ihrem schönsten Tag im Leben wird, dass hatte sie verdient. Der Schneider, ein guter Freund von Julia, nahm jedes Maß der gewissenhaft, um den Anzug perfekt anzupassen, und dabei unterhielten wir uns über die kommende Feier, Julia sowie über meine Braut. ,,Ihr passt gut zusammen. Ich spüre wie sehr Sie sie lieben. Das sieht man in ihrem Gesicht." Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich ganz normal und wahrhaftig glücklich. 

Sie tat mir unheimlich gut, weshalb ich seit einigen Wochen meine psychopathische Seite gut im Griff hatte, allerdings nahm ich meine Medikamente, die ich eigentlich seit meiner Kindheit hätte nehmen sollen. Ich konnte mich noch hervorragend an die Zeit erinnern, in der ich mein quasi Debüt bei einem Psychologen hatte. Dies war kurz nach meinem achten Geburtstag, als ich meine Eltern bewusstlos in ihren Schlafzimmer auffand, zumindest dachte ich, dass sie bewusstlos zu diesem Zeitpunkt waren. Draußen war es kohlrabenschwarz, während nur vereinzelte Blitze den Himmel erhellten, und ich hatte große Angst vor dem grollenden Donner über unserem Haus. Ich rannte zum Zimmer meiner Eltern und versuchte sie aufzuwecken, aber sie taten es nicht. Sie lagen beide auf dem Bauch mit den Gesichtern in ihren Kissen und gaben keines Mucks von sich. Ich wollte zu unserem Telefon laufen, um Hilfe zu holen, aber jemand packte mich von hinten, trug mich zurück ins Schlafzimmer meiner Eltern, die er mit der freien Hand vom Bett rollte und warf mich darauf. Ich schrie und bettelte um mein Leben. Ich bemerkte etwas feuchtes, glitschiges neben mir und versuchte zu verstehen, was gerade mit mir passierte.

Eine dunkle Gestalt zog mir die Hose herunter, obwohl ich wehrte, war diese Person zu stark für mich, und als nächstes zog er seine eigene Hose herunter. Er drehte mich auf den Bauch und befahl mir auf allen vieren zu stehen, was ich unter Tränen auch tat. Ich wusste nicht warum diese Person diese Sachen mit mir anstellte oder ob es irgendwann aufhören würde, aber alles was ich wusste war, dass es mir weh tat. Er legte mir das glitschige Ding um den Hals, während er mich Missbrauchte, und drückte so fest zu, dass ich kaum Luft bekam. Ich war froh, dass ich nur in den ersten paar Stunden bei vollem Bewusstsein war und irgendwann ohnmächtig wurde. Als ich aufwachte war die Person verschwunden und ich sah, dass er mich mit dem Darm meiner Mutter stranguliert hatte. Wie ich es geschafft hatte zu überleben, wusste ich bis heute nicht, aber ich schaffte es die Polizei zu rufen, ehe ich erneut zusammenbrach. An der Wand hatte der Täter, den man nie finden konnte, eine Nachricht für die Polizei hinterlassen: "Was man liebt beschützt man!" Er hatte es mit Blut geschrieben, mit dem Blut meiner ausgeweideten Eltern. 

Jeder sagte, dass ich Glück gehabt hatte, aber der Albtraum nahm für mich kein Ende. Psychologen. Medikamente. Stetig wechselnde Pflegeeltern. Neue Schulen. Mehr Missbrauch. Seit jeher war Gewalt ein Teil meines Lebens, weshalb ich mir geschworen hatte, nie wieder Opfer, sondern Täter zu sein. Ich wollte mich für all das an der Menschheit rächen, deshalb wurde ich nach drei Jahre Psychiatrie immer wieder auffällig. Nun sollte sich dies ändern. Nun würde ich meine Vergangenheit vergessen.  Mein Anzug war fast fertig, da ich anscheinend länger in diesen Erinnerungen geschwelgt hatte, als geplant, aber ich vertraute darauf, dass nun alles besser wurde und ich bald diese Firma verlassen konnte, um mit Lucy eine Familie zu gründen. Wir hatten genug Geld, die Polizei war genauso ahnungslos wie vorher und wussten nichts über mich. Der einzige Polizist, der mich identifizieren hätte können war in unserer Gewalt und Querschnittsgelähmt, weshalb er auch nicht entkommen konnte. Er durfte als Überraschung für Lucy sie zum Alta führen, da ich wusste wie wichtig der Bastard für sie war. Lächelnd trat ich auf den Gang und ließ mich für die Hochzeit frisieren.

Todesspiel ||Where stories live. Discover now