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Sicht Luan

Ganz im Allgemeinen war sie den Tränen ziemlich nah, was mich so langsam anfing zu amüsieren und mein wahres Ich wieder zum Vorschein brachte. „Ja, ich glaube ich habe ihn gesehen. Ich denke sogar, dass ich genau weiß wo er ist. Einige 100 Meter von hier liegt ein totes Reh. Bestimmt hat er es gewittert und ist dem nachgegangen." Sie lächelte erleichtert und freute sich riesig über diese Antwort ,,Ich heiße übrigens Adrian Baker und du?" Stellte ich mich vor und reichte ihr anschließend meine Hand, welche sie sofort annahm. „Ich bin Tracy Rocha. Könntest du mir vielleicht bei der Suche helfen? Um ehrlich zu sein, habe ich ziemlich Angst hier alleine rumzulaufen, schließlich gibt es auf der Welt nicht nur so nette Menschen wie dich." Fragte sie unsicher und zögerlich, was ich irgendwie nachvollziehen konnte. Nachdem ich ihr meine Unterstützung zu gesichert hatte, machten wir uns auf den Weg durch den Wald. ,,Was macht eigentlich ein so junges Mädchen, wie du, zu so später Stunde noch hier draußen?" Ich musste wissen, ob sie wirklich alleine oder in Begleitung ihrer Eltern war, denn sonst würde man sie schneller als vermisst melden, als mir lieb war.

„So jung bin ich gar nicht mehr. Ich werde nächsten Monat schon 15! Meine Eltern hatten einen riesen Streit und da bin ich mit dem Hund von zu Hause abgehauen, außerdem musste ich mit ihm auch noch Gassi gehen. Was ist mit dir? Lebst du hier in dem Wald?" Ihre Stimme hatte etwas Zickiges, aber auch etwas sehr trauriges, und die trotzige Art bereitete mir große Lust ihr Benehmen beizubringen. „Verstehe. Ich wohne in der Nähe und spaziere gerne in der Natur. Nachts beobachte ich die Waldtiere." Sie nickte und so gingen wir nebeneinander her ohne groß mit einander zu reden. Sie war das perfekte Opfer für mich, weshalb ich sie zu einer 15-Minuten entfernten Lichtung führte, auf welcher eine kleine Hütte, die von mir vor einigen Wochen errichtet wurde, stand. „Wie weit ist es noch zu dem Reh?" Fragte sie zunehmend nervöser. „Wir sind gleich da." Beruhigte ich sie, jedoch klappte dies nicht, da sie nun in Tränen ausbrach. Inzwischen waren wir auf der Lichtung angekommen und machten bei der Hütte eine kleine Verschnaufpause. „Wir finden ihn nie wieder!" Zum Trösten nahm ich sie kurzer Hand in den Arm und plante dabei meine nächsten Schritte.

Hierbei entschied ich mich für ein kleines Täuschungsmanöver mit dessen Hilfe ich Tracy bewusstlos kriegen könnte. „Warte hier. Ich glaub ich habe da gerade jemanden im Wald gesehen." Gespielt aufgeregt drückte ich sie von mir weg und sprintete in den Wald, um die perfekte Gelegenheit zu schaffen. Dort angekommen suchte ich nach einem Knüppel, stellte mich hinter einen Baum und schrie laut, dass ich Leo verletzt aufgefunden hätte. Kaum eine Minute verging bis sie in den Wald zu mir gerannt kam und sich panisch umsah. „Adrian? Wo bist du?" Schrie sie mit brüchiger Stimme in die Dunkelheit, während sie vor mir hin und her lief. „Hinter dir!" Sie wollte sich gerade umdrehen, jedoch traf sie zuvor mein Knüppel. Der Schlag ließ sie zusammensacken und regungslos zu Boden fallen. Grinsend trug ich sie zu der Hütte, anschließend legte ich sie in Ketten und wartete danach geduldig darauf, dass sie wiedererwachte. Ehe dies geschah, ging plötzlich die Hüttentür auf und Markus, ein zuverlässiger Mitarbeiter von mir, betrat die Hütte. „Luan, was zur Hölle?" Er betrachtete mit seinen weit aufgerissenen  braunen Augen Tracys bewusstlosen Körper, der mitten im Raum mit Ketten, die von der Decke herunterhingen, befestigt war. Ihre Füße, welche ebenfalls mit Ketten, die fest integriert im Boden waren, hingen einige Zentimeter über jenen Boden.

„Meine Sache. Du hälst darüber die Klappe!" Er schluckte hart, nickte aber anschließend, und fuhr fort ,,Wir brauchen dich. Es hat ganz schön gedauert, bis ich dich gefunden habe." Ich grinste, da ich mir gut vorstellen konnte, was der Grund für seinen Besuch hier war. „Lass mich raten, ihr braucht mich nur um mich zu beseitigen, obwohl ich persönlich nicht erwartet hatte, dass es so schnell geht. Du arbeitest schon wie viele Jahre als IT-Spezialist für mich? 14 Jahre? Und nach all dieser Zeit, traust du dich nicht mir die Wahrheit zu sagen?" Meinte ich bestimmt ohne dabei meinen strengen Blick von Markus zu nehmen. „Niemand will dich beseitigen, Luan! Gott, du brauchst wirklich mal 'ne Auszeit. Es gibt da ein Problem mit Michelle." Mit hochgezogener Augenbraue betrachtete ich diesen 34-Jährigen Mann mit den kurzen schwarzen Haaren, der ungeduldig mir gegenüber stand einige Momente sprachlos, ehe ich aufstand und wir zusammen zu dem Firmengelände gingen. Auf dem Weg dorthin versuchte Markus etwas über Tracy herauszufinden, jedoch machte mich das noch wütender. „Woher hast du dieses Mädchen und vorallem was hast du mit ihr vor?" Er versuchte nicht vorwurfsvoll zu klingen, was er keineswegs schaffte. „Wie gesagt, es ist meine Sache! Außerdem sind unsere Teilnehmer meist genauso alt, wenn nicht jünger!" Schnauzte ich ihn als Antwort an, während ich die Sicherheitstür entriegelte und wir in das Gebäude eintraten. „Sie ist doch noch ein Kind verdammt!" Daraufhin schenkte ich ihm einen noch wütenderen Blick, sodass er dieses Thema nicht mehr ansprach und endlich seine Klappe hielt.

Nachdem wir in der Halle angekommen waren, sah ich Julia, wie sie Michelle das Blut aus dem Gesicht wischte und sie beruhigen wollte. „Was ist passiert?" Meine Mitarbeiter drehten sich alle zu mir um und wichen zur Seite, als ich mich den beiden näherte. „Sie ist auf die Leiche ihres Freundes gefallen. Luan, wir sollten es abbrechen. Die Kleine hat schon genug gelitten!" Merkte Julia an und ging zu mir. „Okay, das tut mir leid. Ich hoffe, sie hat sich nichts gebrochen." Verunsichert schaute sie mich an, da sie anscheinend nicht mit dieser Antwort gerechnet hatte. „M-mir g-geht es schon besser." Man sah ihr an, dass dies eine Lüge und sie völlig fertig mit ihren Nerven war. „Schafft die Leiche weg, gebt ihr Wechselsachen und informiert Ivan. Er soll sie hier abholen und sie in seine Wohnung vorerst unterbringen." Bevor irgendwer etwas sagen konnte, fiel mir Michelle um den Hals und hauchte mir ein leises 'Dankeschön' ins Ohr. „Julia? In mein Büro!" Verlangte ich streng und löste mich aus Michelles Umarmung. Julia und ich gingen stillschweigend ins Büro, wo ich sie, nach dem Schließen der Tür, überglücklich in den Arm nahm. „Es tut mir leid. Ich dachte, ich habe dich für immer verloren." Sie erwiderte wortlos diese Umarmung und wir beide standen so für einige Minuten da, bevor wir uns voneinander lösten.



Todesspiel ||Where stories live. Discover now