Kapitel 12

12.7K 326 38
                                    

Kapitel 12

„Kevin du sabberst", informierte ich ihn und wandte mich wieder dem Spiegel zu. Dieser aber gaffte immer noch, als sei mir ein drittes Auge gewachsen.

„Li, du siehst scharf aus und ich bin nur ein Mann, also verzeih mir meine Männlichkeit." Ich grunzte, so ganz und gar nicht lady-like und verdrehte die Augen. Das Kleid schien seinen Effekt zu besitzen. Ich hatte mir die Augen dunkel geschminkt, sodass meine blaugrünen Augen stark im Kontrast zur Maske standen. Meine Haare waren Gelockt und zu einer Hochsteckfrisur verarbeitete, sodass noch einige Locken runterfielen und meine Gesicht umrahmten. Ansonsten hatte ich mir meine Lippen, passend zum Kleid, geschminkt und war auch schon fertig. Ich sah wie eine kleine Freakshow aus, die sich im Jahrhundert vertan hatte, aber ich liebte es.

„Mir gefällt es ganz und gar nicht, dass Matini in der Nähe sein wird." Ich hielt inne mit dem zu Recht zupfen des Kleides und sah ihn durch den Spiegel an.

„Die Schule feiert ihr Jubiläum und das war ihre Idee, also wird der Direktor wohl oder übel auch von der Partie sein. Da kann ich nichts ändern." Er seufzte.

„Das weiss ich doch, aber pass einfach auf dich auf. Lass ihn nicht zu nah an dich rankommen." Ich nickte. Der vernünftige Teil in mir nickte, aber der andere malte sich Dinge aus, die Kevin in Ohnmacht getrieben hätten.

„Soll ich dich hinfahren oder willst du mit deinem neuen Auto angeben?", grinste Kevin. Ich fuhr mit dem Lippenstift nochmal über meine Lippen und drehte mich schliesslich zu ihm um.

„Nope. Mit dem Kleid wäre ich eine Gefahr für den Verkehr, also fährst du mich."

„Ein einfaches „Ja das wäre nett, danke" wäre auch nicht verboten", murmelte er, aber ich antwortete nicht.

*****

Der Maskenball fand in der grossen Turnhalle statt. Als Kevin mich abgesetzt hatte, war Gabi plötzlich aus dem Nirgendwo aufgetaucht, an ihrer Seite Lance. Dieser sah zum Schreien komisch aus. Dumme Strumpfhosen, dummes Hemd, dumme Jacke, dumme Stiefel. Er sah einfach idiotisch aus, aber dann verstand ich, dass alle Typen sich so lächerlich anziehen mussten.

„Nice", erwiderte ich zu seinem Erscheinen worauf ich nur ein Schnauben erhielt. Gabi sah mich bittend an, sodass ich aufhörte und sie beide hohl anlächelte.

„Ich würde mich ja gerne noch mit euch unterhalten, aber ich glaube ich geselle mich der Party drinnen. Viel Spass noch euch beiden." Damit drehte ich mich um und marschierte zur Turnhalle. Das Kleid mit beiden Händen gepackt, damit es nicht den ganzen Boden säubern musste. Vor dem Eingang in der wartenden Reihe liess mich ein anerkennendes Pfeifen umdrehen. Hinter mir stand ein Junge und grinste mich fröhlich an.

„Li?", fragte er schliesslich. Ich hatte keinen Schimmer wer das war, bis ich seine Stimme gehört hatte.

„Hey Mike", erwiderte ich und lächelte.

„Hey! Du bist es ja wirklich! Das ist ja voll schräg." Ich sah in mit einer hochgezogenen Augenbraue an.

„Naja, weisst du...", begann er zu erklären, „ich hätte nicht vermutete, dass du ein Partymensch bist..." Ich lachte.

„Du kennst mich nicht Mike. Glaub mir, du kennst mich nicht." Er richtete sich seine dunkelblaue Maske und betrachtete mich intensiv.

„Wahrscheinlich hast du recht", murmelte er schliesslich und wandte sich einem Freund zu, der auf ihn zugestürmt kam. Ich drehte mich wieder um und betrat die Halle. Wie zu erwarten, war es rappelvoll und das Gelächter und Geplauder übertönte selbst die alte langweilige Musik. Der Raum war wie es sich für das Zeitalter gehört, dekoriert. Kerzen, Kronleuchter, vornehme Vorhänge, die von den Decken runter hingen und Bilder die ziemlich gefakte aussahen. Und ab hier übernahm die alte Li. Der Partymensch, der fröhlich und ausgelassen sein konnte, der sich nicht über Morgen scherte und nicht an Konsequenzen dachte. Der einfach den Moment lebte. Der Teil, den ich nach der Zeit mit Lukas nicht aufgegeben hatte. Ich packte mir ein Getränk und wühlte mich in die Menge hinein. Ein paar Leute fragten mich zum Tanz und ich stimmte lachten mit ein. Hier und da wurde ich in eine Unterhaltung verwickelt und diskutierte eine halbe Stunde mit einer Unbekannten, in welcher Zeit Hayden gelebt hatte.

Hell Yes!!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt