Kapitel 31

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Kapitel 31

Wenn Charlotte mit jemandem Zeit verbringen wollte, dann gab es nur eins: Feiern. Heute hätte ich nicht wirklich auf den Putz gehauen, doch wenn sich Charlotte erst mal etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie schwer davon abzubringen. Weil es ein Wochentag war und nicht viel los sein würde, beschlossen wir eine kleine Bar-Tour zu unternehmen. Damals als ich und Charlotte noch zusammen gearbeitet hatten, starteten wir jede zweite Woche eine Bar-Tour an der wir jede Bar in der Stadt besuchten und uns bis zum sinnlos Lachen betrunken hatten.

Mir fiel auf, dass ich schon lange nicht mehr richtig ausgegangen war. All diese verzwickten Situationen hatten zu viel Zeit beansprucht, dass mir ein Abend mit Freunden in Clubs und Bars gar nicht in den Sinn gekommen war.

„Du musst locker werden, diese Matini Brüder vergessen und auch all die Kacke, die durch sie entstanden ist. Scheiss auf Erpressung, Verachtung anderer Leute und Beziehungsprobleme. Heute Abend sind nur du, ich und ein dutzend Drinks wichtig. Also wenn das nicht das Paradies ist, dann will ich in der Hölle schmoren", sagte Charlotte und versuchte mich damit umzustimmen. Was ihr natürlich immer wieder gelang. Wenig später befanden wir uns wirklich auf einer Bar-Tour und je mehr wir hinter die Binde kippten, desto heiterer wurden wir. Charlotte war schon gut gelaunt, als wir die dritte Bar hinter uns gelassen hatten, doch nun schien sie praktisch zu strahlen. Wir sassen in unserer Sitzecke leerten den - wir wissen nicht wievielten - Tequilla-Shot runter und bissen lachend in unsere Zitronenscheiben hinein.

„Mädchen, wenn ich mich übergeben muss, dann wirst du meine Haare halten müssen", lallte Charlotte und lehnte sich zurück in ihren Stuhl.

„Charlotte deine Haare sind so kurz, wie soll ich diese überhaupt zu fassen kriegen", antwortete ich und wir kriegten uns kaum ein vor Lachen. Es klang bescheuert, aber hätte man uns einen Vortrag über Kacheln gehalten, wir hätten es witzig gefunden.

„Genau das Li! Genau das habe ich so sehr vermisst! Verdammt Mädchen, es gab einige geile Frauen, die ich kennengelernt habe, aber keine konnte mich so überzeugen, wie du es tust...weisst du, dass du klasse bist? Weisst du das überhaupt?!" Hätte jemand der trocken ist, Charlotte zugehört, hätte er wohl kaum ein Wort verstanden, da sie mehr lallte als richtige Wörter aussprach, aber da ich in nicht viel besserer Kondition war, hatte ich kein Problem mit dem Verständnis.

„Nein", entgegnete ich und hielt ihr einen Finger vor die Nase, „du bist die tollste Frau überhaupt!", brabbelte ich weiter und musste wie die versoffene Tusse wirken, die ich gerade in mir fühlte, „du bist so einzigartig und so beneidenswert. Du lebst dein Leben, wie du es willst und lässt dich nicht von Männern eingrenzen. Und ich? Da kommt ein Mann daher, dem ich nahe kommen kann und mich dabei wohl fühle und es stellt sich heraus, dass es der grösste Arsch von allen ist. Was ist nur los mit mir?!" Charlotte beugte sich über den Tisch zu mir und legte mir eine Hand auf die Schulter.

„Lukas hat mir mal vor langer Zeit erklärt, dass du dich Männern nicht nähern kannst und ich deshalb ein Auge auf dich haben soll. Was meinte er damit? Kannst du wirklich keinen Kontakt zu Männern herstellen?", fragte sie und sah mich wie alle, die davon wussten, besorgt an. Ich schloss die Augen um das Drehen in meinem Kopf zu dämmen. Ich wollte nicht wirklich heute auf das Thema zu sprechen kommen. Charlotte wusste zwar vieles aus meiner Vergangenheit, aber den Teil, der meine Mutter und ihre Liebhaber betraf, wussten nur wenig. Kevin und Enrico waren zwei dieser Menschen und dem einzigen, dem ich davon erzählt hatte, war Lukas gewesen.

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