Kapitel 44

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Ich fragte mich, wie Kevin nach so langer Zeit immer noch so überrascht und besorgt reagieren konnte, wenn ich verprügelt nach Hause kam. Es war, als könne er sich nicht vorstellen, dass gerade mir sowas geschehen konnte, dabei war doch genau ich, die den Ärger anzog. Das witzigste, was in diesem Fall gar nicht witzig war, war, dass er nicht wusste, wie zu reagieren. Er wollte mich behüten, wollte sauer sein, wollte sich sorgen und wollte mich ignorieren. Alles und doch nichts. Er war ganz klar überfordert mit mir und ich verstand nicht und würde es auch nie verstehen: Wieso gab er sich mit mir ab? Ich war ein undankbares Miststück, das ihn nur zu besorgen schien und ihm schlaflose Nächte bescherte. Er musste für uns beide aufkommen und ich erschwerte ihm die Arbeit, indem ich mich in vermeidbare Situationen stürzte.

Da Kevin zu überfordert war, war er sauer. Normale Reaktion. Er wusste, dass ich selber ebenfalls Schuld trug und ich nahm es ihm nicht übel, dass er mich nicht mehr fragte, in was für eine verzwickte Lage ich mich dieses Mal manövriert hatte. Er wusste auch, dass ich ihm nie davon erzählt hätte. So gingen wir uns mehrheitlich aus dem Weg und versuchten im gleichen Haus zu leben. Schwer wenn man mich fragte, aber da Kevin Tagsüber weg war und ich Nachtsüber ausging, trafen wir uns selten.

Und selbst nach Wochen, wenn die Wunden schon verheilt waren, konnte ich den Abend nicht vergessen. Nicht wegen dem Typen, der mich verprügeln hatte wollen, sondern wegen dem anderen, der mir ein ziemlich unmoralisches Angebot gemacht hatte und dessen Augen mir einfach nicht aus dem Sinn wollten. In gewisser Weise, war ich froh diesem seltsamen Mann entkommen zu sein und doch fragte ich mich, ob ich diese Nummer, die ich immer bei mir trug, anrufen sollte nur um diese samtige, tiefe Stimme wieder zu hören. Sobald meine Gedanken in dieses gefährliche Terrain wanderten, erinnerte ich mich daran, weshalb ich nicht konnte und vergass langsam Lukas mehr und mehr. Einmal in meinem Leben schien ich vernünftig zu handeln. Doch es hinderte den Zufall nicht daran, es mir schwer zu machen.

Auch wenn es dumm war sich in den Club zu wagen, an dem alles geschehen war, so befand ich mich wenige Wochen später wieder an selber Ort und Stellte und sass wieder am üblich Platz an der Bar mit einem Getränk in der Hand. Mein Blick schweifte durch die tanzende Menge und suchte nach meinem nächsten Opfer.

Es war einfach Leute in einem Club zu bestehlen. Wenn Leute zu betrunken und sorgenlos waren um sich auf die Leute um sie und ihr Hab und Gut zu konzentrieren. Die Wachleute im Club wechselten jede Stunde ihre Posten, was mir immer einen Raum von 10 Minuten gab um meinen Beutezug durchzuführen. Wieder sah ich, wie einer der Wachleute in sein Walkitalki sprach und dann einen Abgang machte. Showtime…

Mein nächstes Opfer war zu einfach um wahr zu sein. Das dumme Ding sass mehr auf ihrem Typen, als auf ihrem Sitz und versuchte dessen Gesicht mit ihrem Mund wegzusaugen. Die Frau wäre für die Forschung der Staubsauger ein wahrer Profit. Ich schlenderte locker und unachtsam hin, sah weder nach links oder nach rechts und schnappte mir die Tasche, die schlicht auf den Tisch gelegt worden war. Auffällig war man erst, wenn man versuchte unauffällig zu sein. Ich hatte schon genug gestohlen um das zu wissen. Mit geübten Bewegungen suchte ich in der Tasche, nach dem Wichtigen und hatte in Sekundenschnelle das Objekt wieder an seinen ursprünglichen Platz gelegt, während Brieftasche und Handy in meiner Jackentasche lagen. Wie schon gesagt, zu einfach.

Ich setzte mich wieder an meinen gewohnten Barhocker und zog das Handy heraus um es zu deaktivieren. Ich konnte eine Verfolgung per GPS wirklich nicht gebrauchen, doch etwas störte mich. Ich konnte beinahe spüren, wie sich ein Blick in mich hineinbohr. Es war keiner dieser anzüglichen Blicke, die ich von Männern zugeworfen bekam, es war ernster…intensiver. Ich brauchte nicht hochzusehen um zu wissen, dass ich schon einen gewissen Zeitraum beobachtet worden war. Wenn man mein Leben führte, brauchte man selbst Augen im Hinterkopf. Langsam und bedacht drehte ich mich um und fand den Ursprung meines Unwohlseins. Blaue Augen, die noch intensiver waren, als ich sie in Erinnerung gehabt hatte. Wir waren zwar weit entfernt und der Raum war schlecht beleuchtet, aber diese Augen würde ich von überall her erkennen. Mein Herz setzte beinahe aus, als ich Lukas quer durch den Raum erblickte. In seiner Sitzecke mit dem Rotschopf von damals und anderen Leuten, sass er da und sah mich einfach nur an. Er hatte mich gesehen. Ich brauchte keine Bestätigung, sein Blick war genug. Er hatte gesehen, wie ich der dämlichen Tusse ihr Handy und ihre Brieftasche entwendet hatte. Was würde er tun? Die Bullen rufen? Panik setzte sich in meinem Magen aus. Ich konnte die Polizei nicht mehr gebrauchen. Die Schule wartete nur noch auf ein Vergehen und schon haben sie mich hochkant rausgeschmissen. Nicht das mich das wirklich in Furcht und Schrecken versetzte. Ich verbrachte so wenig Zeit in der Schule, dass ein Rausschmiss das gleiche gewesen wäre.

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