Kapitel 60

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„Und deshalb solltet ihr keine Farbe essen... Van Gogh hätte wahrscheinlich auch diesen Rat befolgen sollen", witzelte die süsse liebe Carla und lächelte alle charmant an, als kompetiere sie gerade in einer Miss Universum Veranstaltung. Ich war wahrscheinlich zu gemein. Sie war ja wirklich ein Engel und jeder verdammte Mensch auf diesem Planeten schien sie anzuhimmeln, weil sie einfach klasse zu sein schien. Klasse...

Ich seufzte und sah aus dem Fenster raus. Ich verbrachte gerne die Zeichnungslektionen abwesend. Es lag nicht an den didaktischen Mitteln von Frau Ferii, es lag einfach nur an ihr selbst. Ich mochte keine übertrieben lieben Menschen. Ich konnte zwar nicht über sie meckern, weil sie scheinbar keine schlechten Seiten hatten, aber ich brauchte keinen Grund Menschen nicht zu mögen. Ich mochte ja praktisch niemanden. Naja, vielleicht gab es einen Grund bei ihr, aber ich wollte da nicht ins Detail gehen.

Carla sprach immer noch über die Kunstgeschichte, als ich mich meinen Gedanken zu Lukas zuwandte. Ich konnte nicht aufhören, an die Nacht zu seinem Geburtstag nachzudenken. Seine Worte... Er hatte sie nie mehr ausgesprochen oder auch nur ein Wort über etwas dergleichen verloren. Er war wie immer die Reserviertheit in Person. Was ich auch nicht gross überraschend fand, aber ich hatte gedacht, dass sich nach meiner Ansprache und nach seinen Worten...ich dachte, es würde sich etwas ändern. Ich hatte keinen Schimmer, was genau ich von ihm erwartete hatte, aber der gleiche Alltag war es bestimmt nicht.

Nun ja, immerhin bedrohte und erpresste er mich nicht mehr aus einer Laune heraus. Wir waren also doch schon ein paar Schritte weiter.

„Liria?", fragte mich Melanie - also Frau Ferii - und stand schon vor meinem Tisch. Ich sah mich um und bemerkte, dass sich alle schon für ihre Arbeiten eingerichtet hatten. Wir hatten uns alle einen Zeitgeist der Kunst auswählen müssen und in ihrem Sinne ein Gemälde gestalten.

„Bin schon dran", erwiderte ich kurz angebunden und floh schon ihn Richtung Pinsel und Malfarben. Ich sprach nicht gerne mit Carla. Überhaupt sah ich sie nicht wirklich gerne an. Nicht weil sie eine Fratze hatte, bei der mir schlecht wurde, keineswegs, aber ich musste ständig daran denken, dass...dass Jan und sogar Lukas schon etwas von ihr gewollt hatten. Auf eine ironische Weise, hätten wir guten Konversationsstoff, da wir beide ziemlich enge mit den beiden Matini gewesen waren... Ich schüttelte den Kopf, als mir die dämliche Idee gekommen war, und wandte mich den Farben zu, welche ich für mein romantisches Bild benötigte. Ich hatte die Romantik nicht ausgewählt, weil ich plötzlich gefühlsdusselig geworden war, sondern weil es sich als die einfachste Zeit herausstellte, in welcher ich nur ein Meer und ein wenig Nebel auf eine Leinwand klatschen musste und schon die geheimnisvolle Mystik der Zeit getroffen hätte.

Ich wollte wieder zu meinem Platz, aber Frau Ferii stand immer noch dort und betrachtete mich nachdenklich. Ich wusste nicht, was ich genau getan hatte, aber es war das erste Mal, dass dieser Sonnenschein nicht aus dem Arsch heraus strahlte. Zögernd ging ich auf meinen Platz zu und sah sie immer noch fragend an. Ich brauchte wirklich nicht ihre Aufmerksamkeit. Sie konnte sich ruhig den anderen zuwenden, aber anscheinend hatte sie doch etwas mit mir zu besprechen.

„Liria...ich wollte sie noch etwas fragen", begann sie plötzlich und sah mir nur kurz in die Augen, bevor sie ihren Blick abwandte. War sie jetzt die nervöse unter uns?

„Ich...", begann sie, schien aber nicht fähig den Satz zu beenden. Ich zog eine Augenbraue hoch und sah sie abwartend an. Was konnte sie mir um Himmels Willen mitteilen wollen?

„Also, ich wollte nur sagen, falls sie Probleme in dieser Schule habe, dann können sie sich gerne an mich wenden", schoss sie schliesslich in einem Atemzug heraus und schien erleichtert zu sein, die Worte endlich herausbekommen zu haben. Ich sah sie einen Moment verwirrt an, bevor es klick machte.

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