Kapitel 23

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Kapitel 23

Es war offiziell: Ich war die Schlampe dieser Schule. Wer mich bis dahin nicht gehasst oder missachtet hatte, tat es jetzt jedenfalls. Leute, die nicht gewusst hatten, dass es mich gab, sahen mich und ich war mehr das Gespräch, als es mir recht war. Schlampen gab es auf dieser Schule einige und viele, die ihre Partner betrogen hatten, aber anscheinend war ich dank Annettes Unterstützung sowas wie die Oberschlampe geworden und sie half tüchtig dabei, dass ich dieses Image nie loswerden würde. Der Hausmeister hatte sich um mein Schliessfach gekümmert, was aber nicht sonderlich viel geholfen hatte, da keine 2 Lektionen später schon wieder jemand es für Nötig befunden hatte mich daran zu erinnern, wie bescheuert ich doch war. Annette dagegen hielt nicht viel von indirekten Beleidigungen und bevorzugte Frontalangriffe. Da mich Matini J. in Englisch mit ihr für das ganze beschissene Jahr in eine Gruppe gesteckt hatte, musste ich sie mehr ertragen als gut für mich war.

„Wenn ich mich neben dich setzte, versprichst du mir, dass du meinen Freund nicht anfassen wirst?", begann die bescheuerte Tusse süffisant und wartete auf den Applaus.

„Welchen? Ich kenne mich mit all deinen Lovern nicht gut aus", antwortete ich gelangweilt.

„HA-HA! Du bist wirklich der Dreck dieser Schule, der ganzen Stadt. Genau wie...", begann sie und tippte sich nachdenklich ans Kinn, dann blitzte ein Lächeln auf ihre Lippen und ihre Augen leuchteten schelmisch auf. Ich hasste diese blonde Schlampe so sehr, dafür gab es wohl gar keine Bezeichnung. Von wegen jeder Mensch hätte einen guten Kern und würde nur missverstanden werden. Ich verstand sie vollkommen gut und was ich da sah, war abgrundtief schlecht.

„Genau! Elena del Corte...reizende Dame. Nur zu schade, dass sie sich immer die Birne vollgesoffen hatte und all diese Typen... Wenn du wüsstest, was die Leute schon über deine Mom gesagt haben... einfach nur traurig..." Mein ganzer Körper gefror zu Eis, als sie diesen Namen erwähnte. Als sie es auch nur wagte, meine Mutter ins Gespräch zu bringen.

„Aber wenn ich es bedenke, dann verstehe ich, weshalb du so bist, wie du bist. Mit solch einer Mutter, wäre wohl jeder früher oder später auf dem Strich gelandet." Die ganze Klasse war ruhig, keiner lachte, da jedem bewusst war, dass Annette ein Territorium betreten hatte, dass als verboten galt. Keiner erwähnte die Taten die Elena verübt hatte. Niemand. Ich wurde kreidebleich und fühlte mich, als müsste ich mich übergeben. Es gab nur so viel, das ich ertrug, aber sobald es um Elena ging, dann verstummte ich. Sie war ein Knackpunkt, wie es Lukas immer gewesen war. Wer konnte es mir verübeln? Wir sprachen von meiner Mutter, die alles andere als mütterlich gewesen war. Ich hatte immer gewusst, dass über Elena gesprochen wurde, das war weiterhin nicht verwunderlich, aber dass jemand wirklich so bescheuert war, das Thema mir gegenüber anzusprechen, war einfach nur hirnrissig. Hatte Annette vergessen, was alles über mich erzählt worden war? Was ich alles schon in meinem Leben verbrochen und erlitten hatte, wegen dieser Frau?

„Hey...lass es", begann ein Mädchen aus meiner Klasse kleinlaut und sah Annette bittend an. Ich wusste, dass es nicht die Besorgnis um mich war, sondern die Angst, dass ich durchdrehen und Annette angreifen würde. Das war gar nicht so abwegig...

Annette sah sie scharf an und grinste wieder zu mir rüber. Woher sie ihren Mut nahm, wusste ich wirklich nicht, aber ein Teil von mir, der Teil, der nicht gerade schäumte vor Wut, Hass und Angst, bewunderte ihre naive Art.

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