Was für ein schöner Name

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Einhundertfünfzig Meter.

Mehr dürften es nicht gewesen sein, als mich ein bekanntes Gesicht buchstäblich aus dem Verkehr zieht. Er fährt sich mit der Hand durch die hellbraunen, vom Wind zerzausten Haare und joggt die letzten Meter auf mich zu. Ich lasse das Auto ausrollen und komme am Straßenrand zum Stehen.

Chris klopft kurz gegen das Beifahrerfenster, entscheidet sich dann aber dazu, die Tür zu öffnen und setzt sich kurzerhand zu mir ins Auto.

Mein Herz stoppt. Ich bin völlig überfordert mit dieser Situation. Wie viele solcher Momente kann ein Herz eigentlich aushalten?, schießt es mir durch den Kopf, bevor mir siedend heiß einfällt, dass ich furchtbar aussehen muss. Das scheint auch Chris so zu sehen. Sein warmes, gut gelauntes „Hi" bleibt ihm fast im Hals stecken, sofort weicht seine gute Laune einem besorgten Ausdruck. Die braunen Augen werden einen Tick schmaler, eine Sorgenfalte entsteht auf seiner Stirn.

„Verdammt, was ist denn mit dir los?", murmelt er und legt seine Hand auf meine, die den Ganghebel fest umklammert.

Gott, lass das gerade nicht wirklich passieren. Ich frage mich, mit welchen üblen Dingen ich mein Karma so zerstört habe. Erst Finn, dann der Streit mit Suzy, und dann dieser Überfall. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht wieder anfangen zu heulen. Atemlos presse ich die Lippen aufeinander. Der Kloß in meinem Hals wird dadurch nur größer.

„Cat?"

Ich kann Chris nicht ansehen. Sein Blick ist selbst von der Seite so intensiv, dass ich merke, wie sich eine Träne aus meinem Augenwinkel löst und lautlos auf meine Jacke tropft. Hektisch entreiße ich Chris meine Hand und wische mir mit dem Ärmel über die Augen.

„Steig aus", sagt er bloß, springt aus dem Auto und geht auf meine Tür zu. Panisch überlege ich, was er vorhat, doch mein Körper hat anscheinend genug von dieser ständigen Achterbahnfahrt. Die Panik ebbt ab, völlig kraftlos sinke ich in den Fahrersitz.

Chris öffnet die Tür und sieht mich wartend an.

Ich hinterfrage nicht länger, was er vorhat.

„Steig aus", sagt er nochmal sanft und legt mir die Hand auf die Schulter. Ich tue wie geheißen, schnalle mich ab und steige aus. Chris führt mich zur Beifahrerseite, hilft mir behutsam einzusteigen und wechselt dann selbst die Seiten, um auf dem Fahrersitz Platz zu nehmen.

„Ich hoffe, das ist okay, aber in deinem Zustand lasse ich dich keinesfalls fahren. Wo wolltest du hin?"

Ich schlucke.

„Wyoming."

Chris' Kopf fährt herum. Er lächelt leicht, bevor er den ersten Gang einlegt und losfährt.

„Okay, wow. Ähm, ich fahre erst mal ein paar Meter, und du erzählst mir, was los ist. Abgemacht? Bis Wyoming kann ich dich nicht begleiten, aber zumindest so weit, bis mit dir wieder alles in Ordnung ist."

Ich nicke stumm.

Chris fädelt sich in den Verkehr ein, der hier – wir befinden uns schließlich immer noch am Unigelände – aus etwa zwei Autos besteht.

Wir schweigen. Chris drängt mich nicht dazu, zu erzählen was passiert ist, was mir mehr als lieb ist. Umso mehr wundert es mich, als ich irgendwann selbst anfange zu erzählen. Und zwar alles. Sogar Pete kommt in meiner Geschichte vor. Zwischendurch wundere ich mich selbst darüber, dass mir die Situation nicht mal ansatzweise so peinlich ist, wie sie es wahrscheinlich normalerweise wäre. Ich schiebe das auf meine kaputte Seele. Wen juckt schon, was Chris von mir denkt, wenn mein restliches Leben gerade in Scherben liegt?

...und im Herzen tausend TöneWhere stories live. Discover now