Entspann dich, Schwesterherz

46 6 17
                                    

Die Stunden vergehen zäh.

Da mein Knie nach der Begegnung mit Pete wieder angefangen hat etwas wehzutun, habe ich mir kurzerhand mit einem Roman auf die Couch verzogen und bin schlussendlich den ganzen Tag dort geblieben. Als ich auf die Uhr blicke, ist es kurz vor vier. Mum ist vor etwa zwei Stunden nachhause gekommen, kurz darauf aber gleich wieder gefahren. Ich glaube, sie wollte in die Gärtnerei. So genau habe ich aber nicht zugehört.

Ich muss zugeben, das Treffen mit Pete am Abend macht mich nervös. Kurz frage ich mich, ob das eigentlich ein Date ist, und lache in mich selbst hinein. Blödsinn. Sieh ihn dir an. Ich ertappe mich auch bei dem Gedanken, dass Pete ja auch nur mich kennt, wen soll er denn sonst fragen? Ich schätze, sobald er hier Freunde gefunden hat, werde ich ihn kaum noch sehen. So läuft das irgendwie immer, ich bin nun mal nicht so der spannende Typ Mensch.

Bevor ich in Mitleid versinken kann, stehe ich auf und gehe zum Kühlschrank. Ich habe seit Mums Kuchen keinen Bissen mehr gegessen, und schon langsam knurrt mir der Magen. Ich nehme mir einen Pudding und schließe die Tür.

Vom Küchenfenster aus kann ich die Hinterseite von Petes Haus und ein bisschen was vom Garten sehen, kurz bevor die Hecke anfängt. Als ich mich gerade abwenden möchte, sehe ich, wie er das Haus durch die Hintertür verlässt. Er setzt sich auf die Terrassenstufen und telefoniert.

Mein Herz macht einen Satz, als ich ihn sehe.
Ich greife an meine Stirn und verdrehe die Augen über meine eigene Dummheit. Ein Typ lädt mich ein, und ich verliere vollends die Fassung. Peinlich.

Essend beobachte ich ihn weiter und merke, dass er mit der freien Hand wild in der Luft gestikuliert. Als er sich umdreht, kann ich erkennen, dass sein Gesicht wutverzerrt ist. Ich glaube, er schreit sogar ins Telefon.

Ich wende mich schnell ab und frage mich insgeheim, wer da wohl gerade am Telefon war.

Kurz vor sechs kann ich es nicht mehr länger vor mir selbst verbergen, dass ich furchtbar nervös bin. Um ehrlich zu sein, hatte ich noch nie ein richtiges Date. Ich habe zwar auf dem ersten Jahr am College einige Jungs kennengelernt, aber ich schätze, meine eigene Schüchternheit stand mir immer im Weg, und die Jungs von meiner Schule in Wyoming haben mich nie besonders interessiert.

Ich war für ein paar Wochen mit einem Typen zusammen, Dex. Er ist kurz auf meine Schule gegangen, dann sind seine Eltern wieder umgezogen. Aber auch Dex und ich hatten nie richtige Dates. Bis auf Händchen halten und ein paar Küsse ist auch da nichts weiter passiert.

Als ich mich endlich entschieden habe, was ich anziehen will, kommt Marie plötzlich in mein Zimmer und mustert mich. Ich trage immer noch bloß Unterwäsche und versuche, mit den Händen meinen Körper zu verbergen. Sie lacht. Gott sei Dank ist John nicht bei ihr.
„Entspann dich, Schwesterherz."

Ich verdrehe die Augen und werfe mir schnell ein Shirt über, das ich vorher über den Stuhl geworfen habe.

„Kannst du nicht klopfen?", erwidere ich einen Tick zu patzig. Marie hebt eine Augenbraue und sieht mich prüfend an.

„Was ist denn mit dir los? Schlechte Laune?"

Sie nimmt auf meinem Bett Platz, ohne den Blick von mir zu nehmen. Ich seufze und ziehe mich vor ihr fertig an. Was soll's.

„Nein, sorry", murmle ich und prüfe mein Outfit noch einmal vor dem Spiegel. Das Shirt habe ich gegen ein weißes Kleid mit Blatt- und Blumenmustern an den Seiten getauscht. Es ist etwas länger, aber ich fühle mich wohl darin. Da es abends bereits etwas kühler ist, werfe ich noch eine Jeansjacke über, bevor ich mich ihr gegenüber auf den Stuhl setze.

„Was ist los, hast du was?", frage ich sie, weil sie an ihrem Fingernagel herumspielt und – für ihre Verhältnisse - sehr still ist. Von der guten Laune gerade eben ist nicht mehr viel übriggeblieben.

...und im Herzen tausend TöneWhere stories live. Discover now