Wie ein offenes Buch

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Hazel stimmt gerade ein neues Lied an, als wir die kleine Halle betreten.

Finn lässt meine Hand los und geht auf sie zu, um ihr wie heute im Café übers Haar zu streichen. Ich sehe mich um. Suzy, Aubrey und Simon strahlen, als sie mich sehen.

Die Halle ist eigentlich nichts anderes als eine Garage, die zu Finns Haus gehört. Das hat er mir zumindest gerade erzählt.

Rechts stehen zwei Sofas, auf denen Suzy, Aubrey und Simon sitzen. Sie sind beide schwarz. Die Wände erinnern mich an ein Hard-Rock-Café. Überall hängen Schallplatten, Poster, sogar ein paar Gitarren sind an den Wänden befestigt worden. Rechts stehen mehrere Regale mit CDs, Kabeln, Verstärkern und noch mehr Technikkram. Am Ende der Garage steht mittig ein kleines Podest, das mit Teppichboden ausgelegt ist. Zwei Mikrofone und mehrere Verstärker stehen darauf. Hazel steht inmitten der Bühne und stimmt ihre Gitarre. Hinter ihr steht ein dunkelhäutiger Junge, der bestimmt zehn Jahre älter ist als sie. Er unterhält sich mit Finn. Die beiden lachen immer wieder. Es gefällt mir wahnsinnig gut, ihn so zu sehen, sodass es mich einige Überwindung kostet, den Blick abzuwenden.

Ich gehe zu Suzy und den anderen und begrüße sie. Sie rückt ein Stück zur Seite, damit ich mich zu ihr setzen kann. Ich sitze ganz außen, sodass ich nicht einmal zwei Meter von Finn entfernt bin, und lasse das alles auf mich wirken.

Er hat mich also zur Bandprobe mitgenommen. Bei so etwas war ich noch nie dabei, und bei dem Gedanken, Finn beim Spielen zuzusehen, werden meine Knie weich.

„Naaa?", fragt Suzy und stößt mich leicht mit der Schulter an. Ich lächle.

Seit wir hier angekommen sind, kann ich nicht anders, als zu lächeln.

Genau genommen, seit Finn meine Hand genommen und sie nicht mehr losgelassen hat.

Ich kann Suzys Gesichtsausdruck nicht deuten. Sie lächelt, sieht aber besorgt aus.

„Alles in Ordnung", sage ich. „Guck nicht so."

Sie zuckt mit den Schultern und will etwas sagen, als die Tür in der Garage aufgeht und Denise im Türrahmen auftaucht. Ich sehe augenblicklich zu Finn, der sie zwar wahrnimmt, ansonsten aber ignoriert. Sein Gesicht verrät nicht, was er denkt.

Ich weiß aber, was ich denke. Bei Denises Anblick gerät mein Herz ins Wanken. Ich verfluche mich für diese saudumme Reaktion. Auch wenn ich nicht weiß, wie die beiden jetzt zueinander stehen, werde ich sie dennoch als Paar betrachten. Ich weiß, dass ich das muss. Finns und mein Spaziergang hatte absolut keine Bedeutung. Wer weiß, wie lange die beiden schon zusammen sind?

Gerade, als Suzy etwas sagen möchte, setzt Denise sich zu uns auf die Couch, und die ersten Gitarrenklänge ertönen. Finn stimmt seine Gitarre noch einmal nach, und der Typ hinter Hazel – ich vermute, es ist der Jay, von dem sie gesprochen hat – sitzt auf einem Hocker und hält eine Trommel im Arm. Er fängt an, einen zarten Beat zu schlagen, und Hazel stimmt mit der Gitarre mit ein. Wenig später macht Finn es ihr gleich.

Sie spielen einen Song, den ich nicht kenne. Aber als Finn mit Hazel singt, ist mir das auch egal. Seine Stimme ist rau und so heiser wie vorhin, und wieder werfe ich alle meine Vorsätze über Bord.

Finn hat dieses typische Musiker-Image an sich. Er spielt und singt und sieht dabei so unbeschwert aus, dass ich alles um mich herum ausblende. Suzy albert mit Simon herum, Aubrey nippt an ihrem Bier, und ich erkenne, dass Denise Finn anstarrt. Er sieht sie ein paar Mal an, aber in seinem Blick kann ich keine Emotion erkennen.

Als der erste Song zu Ende ist, jubeln wir, und die anderen prosten Finn, Hazel und Jay mit ihren Bieren zu. Ich sitze da und habe nur Augen für Finn, sehe aber schnell weg, wenn sein Blick mich streift.

...und im Herzen tausend TöneWhere stories live. Discover now