Persönliche Hölle

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Ganz egal, welche Zukunft Finn und ich noch haben werden – das Bild, das mich im Krankenzimmer erwartet, werde ich wahrscheinlich nie wieder aus dem Kopf bekommen. Und das nicht nur aus dem Grund, weil ich Krankenhäuser verabscheue.

Finn ist alleine im Zimmer. Mehrere Apparate wurden an das Bett geschoben. Sie piepen und surren und mich überkommt das Gefühl von unfassbarer Traurigkeit.

Sein Kopf liegt auf dem Kissen, das schweißdurchnässt ist. Sein Gesicht ist völlig bleich, die Haare kleben ihm an der Stirn. Er sieht aus, als wäre er tot, schießt es mir durch den Kopf, und Tränen steigen in meine Augen.

Hazels Augenringe können nicht mit Finns mithalten. Einen Moment lang bin ich mir nicht sicher, ob er nicht einfach nur verprügelt wurde, doch dafür ist die Form der schwarzblauen Ringe, die sich unter seinen Augen ausgebreitet haben, zu akkurat.

Ich sehe Hazel und ihren Vater, wie sie ans Bett stürmen, gleichzeitig nach seiner Hand fassen und ihm einfach nur ins Gesicht starren. Ich sehe Aubrey, die sich kurz abwendet, und fühle Suzys Arm auf meiner Schulter. Doch ganz egal, wie viele Personen in diesem Moment hier sind und ganz egal, wie beruhigend Suzys Berührungen normalerweise sind, im Moment kommt mir das alles furchtbar surreal vor. Wie in einem Traum.

Ich schlucke und presse die Augen einen Moment lang zusammen, balle meine Hände zu Fäusten und gehe einen Schritt weiter auf ihn zu.

„Er könnte noch mehrere Stunden schlafen. So genau können wir das leider nicht sagen", höre ich Dr. Samuels Stimme hinter mir. Sie lässt mich leicht zusammenzucken; seine Worte sind schneidend, fast vorwurfsvoll.

„Hat das... Folgeschäden?", höre ich Suzy fragen. Ihre Stimme ist viel zu dünn.

„Wahrscheinlich nicht." Dr. Samuels spricht jetzt leiser. „Es sei denn, er macht so weiter. Dann wird er keine dreißig. Wie lange nimmt er schon Drogen?"

Diese unfassbare, kalte Ehrlichkeit seiner Worte bringt mich dazu, ihn genau in dieser Sekunde zu hassen. Ich kann nichts sagen, sondern starre ihn nur an. Er erwidert meinen Blick kurz, dann sieht er wieder zu Suzy.

„I-ich weiß es nicht", stammelt sie.

„Früher hat er das öfters mal gemacht. Aber er hat eigentlich aufgehört", übernimmt Aubrey, die Dr. Samuels dabei aber nicht ansieht.

„Anscheinend haben Sie sich geirrt."

„Aber er hat nie Anti-Depressiva genommen!", widerspricht Hazel plötzlich mit fester Stimme. „Und niemals so... viel!"

Dr. Samuels sieht sie bloß an, sagt aber nichts mehr, sondern geht ein paar Schritte und wendet sich Finns Vater zu.

„Mr. Mitchell, wir sollten wohl darüber sprechen, wie es jetzt weitergeht."

Sein Vater blickt ihn kurz verständnislos an, dann versteht er und erhebt sich aus seiner Hocke.

„Ja..."

Er nickt, dann zucken seine Augen nervös zu uns.

„Könntet ihr uns kurz alleine lassen? Es dauert nicht lange, versprochen. Und er... Er schläft ohnehin."

Ich spüre, wie schwer es ihm fällt, uns hinaus zu schicken. Aubrey, Simon, Suzy und ich sehen uns kurz an und gehen langsam, fast in Zeitlupe, auf den Korridor hinaus.

Missy lehnt draußen an der Wand, ihr Blick huscht zu uns, bevor sie wieder auf den Boden starrt.

Warum ist sie nicht bei ihm?, frage ich mich. Wütend starre ich sie an, in der dummen Hoffnung, sie würde meinen stummen Blick verstehen. Finn würde sie ohnehin nicht sehen wollen, denke ich dann und wende mich ab.

...und im Herzen tausend TöneWhere stories live. Discover now