Weil er es wert ist

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Als er aus dem Bus ausstieg begann es langsam zu nieseln und deshalb zog er sich die Kaputze seiner Jacke über. Er war schon fast da, wieso sich die Mühe machen aus seiner Tasche den Regenschrim zu holen. Erneut sah er auf sein Handy um zu checken wo genau er als nächstes hinmusste. Nach links und dann nach zwei Straßen rechts. Zügig machte er sich auf den Weg. In der Dunkelheit und wegen des Regens sah seine Umgebung noch düsterer aus. Er war am Rand der Stadt und deshalb gab es hier nicht mehr all zu viele Straßenstände wie in der Nähe des Bahnhofs wo er angekommen war. Die Straßen waren weniger besucht, nur noch vereinzelt kreuzten andere Leute seinen Weg, was vermutlich auch am Wetter lag. Gerade kamen ihm ein junges Paar unter einem lilanen Regenschirm entgegen. Der Junge der womöglich nur ein paar Jahre älter war, als er selbst trug, in der einen Hand eine Plastiktüte die wahrscheinlich mit Essen eines TAkeaway Dienstes gefüllt war. Mit der anderen Hand hielt er den Griff des Regenschirm fest während sich an seinen Arm lächelnd das Mädchen klammerte. Sie gingen so nah an ihm vorbei das er ein paar Wortfetzen mitbekam. "zuhause mache ich uns erstmal einen heißen Tee, nicht das du noch krank wirst. Und dann kuscheln wir uns ins Bett und essen, klingt das gut? " Das Mädchen kicherte doch ihre Antwort bekam er nicht mehr mit.
Seine Klamotten sogen sich langsam voll und er bekam eine Gänsehaut von dem feuchten Gefühl auf der Haut. Gleich da, dachte er. Sein Magen begann sich vor Aufregung zusammen zu ziehen. Wann hatte er eigentlich das letzte Mal was gegessen versuchte er das Gefühl zu erklären.
Er war so fokussiert losgezogen, das er an soetwas gar nicht gedacht hatte.
Sein Handy in seiner Tasche vibrierte und er zog es verwundert heraus. Seine Navi hatte sich gemeldet. "Jetzt rechts abbiegen dann befindet sich das Ziel auf ihrer rechten Seite", stand auf dem erleuchteten Display.
Sein Herz begann schneller zu schlagen und ein erwartungsvolles Zittern erfasste sein Inneres. Vielleicht fror er auch einfach nur, dachte er sich, bog jedoch schnell rechts ab und besah sich nochmal der Hausnummer die er finden musste.
Hausnummer 23-c.
Okey hier war 21 b, weit konnte es nicht mehr sein. Die Häuser hier waren mindestens 3 Stockwerke hoch und wirkten wie etwas edlere Wohnhäuser mit mehreren Mietwohnungen. Nett eigentlich. Tsuki war es gewohnt in einem Haus zu wohnen das nur von seiner Familie bewohnt wurde, doch hier in Tokio war der Grundstückspreis viel höher, deshalb gab es hier fast keine alleinstehenden Häuser.
Das Leben in einer Wohnung stellte er sich etwas beengt vor, so ohne Garten und genügend Platz. Gerade als er das dachte erschien ein kleiner grüner Park auf der anderen Seite. Ein Spielplatz umringt von ein paar Bäumen und einigen Bänken. Naja wenigstens eine kleine Oase in dieser sonst so tristen Großstadt dachte er, dann holte ihn das erneute vibrieren seines Handys zurück in die Wirklichkeit.
"Sie haben ihr Ziel erreicht".
Er war da, das war Kuros Haus. Jetzt wurde es ernst, er atmete tief durch und ging zu den vielen kleinen Briefschlitzen und Klingelschildern.
Der Regen wurde jetzt stärker und er beeilte sich unter das kleine Vordach zu kommen. Nervös suchte er langsam die vielen Klingelschilder nach dem richtigen ab. Kuro, das war sein Nachname. Er musste nur noch das richtige Schild finden. Wahrscheinlich wohnte er noch bei seinen Eltern. Würde vielleicht seine Mutter ihn reinbeten? Was sie wohl für ein Mensch wäre? Als schüchtern und warmherzig konnte er sie sich irgendwie nicht vorstellen. Kuro war auf keinen Fall schüchtern also war er davon ausgegangen das er das ja auch irgendwoher haben musste. Und sein Vater war er genauso abwesend wie sein eigener? Hatte er eigentlich Geschwister? Ihm wurde gerade schmerzlich bewusst das er über seinen Crush realtiv wenig wusste. Es hatte ihn genauso getroffen, das er noch nichtmal seinen Vornamen gewusst hatte bis ihm Takeda die Stammspielerliste gegeben hatte. Wie peinlich war das denn? Nichtmal den Namen des Kerls zu wissen in den er sich verliebt hatte. Mit der Zeit fiel es ihm einfacher es wenigstens zu denken ohne gleich rot zu werden. An das Aussprechen hatte er sich noch nicht getraut, wobei er nicht gewusst hätte warum er es tun sollte? Schließlich konnte er mit so gut wie keinem darüber reden? Wieso also es aussprechen? Er würde jetzt nicht plötzlich anfangen Selbstgespräche zu führen.
Definitiv musste er noch viel über seinen neuen Freund herausfinden aber das war ok. Es intressierte ihn wie er war, wie er lebte, was er mochte und was nicht. Für soetwas hatte er sich noch nie interessiert, nicht mal von Yamaguchi wusste er alles, und ihn kannte er seit mehreren Jahren.
Er schüttelte leicht den Kopf um seine Gedanken wieder zu sortieren und auf sein eigentliches Tun zu konzentrieren. Kuro, Kuro. Sein Finger strich sachte über die Namen auf den Klingelschildern. Wieviel Leute hier wohnten. Unbewusst zählte er. Bestimmt 10 verschiedene Namen. War das Haus nach hinten hin so groß oder waren die Wohnungen hier winzig? Wohnte er vielleicht mit seinen Geschwistern in einem Zimmer? Das wäre eindeutig hinderlich. Hatte er doch vor nach ihrer Versöhnung hier zu schlafen. Naja dafür würde er schon irgendwie eine Lösung finden. Wichtig war es nicht einen Schlafplatz zu finden sondern ehrlich zu sein, sein Fehlverhalten zuzugeben und sich mit ihm zu versöhnen.
Während seiner Gedanken war er mehrmals über die Namen gestrichen die vor ihm standen jedoch ohne richtig zu lesen.
Er versuchte sich nun wirklich zu konzentrieren.
Seine Augen huschten nacheinander über die unterschiedlichen Nachnamen.
Überrascht stellte er fest das er am Ende der Schilder war und kein Aufblitzen eines bekannten Namens ihn erfasst hatte.
Verwirrt ging er sie nochmal durch. Doch wieder nichts.
Ein drittes Mal, viertes, fünftes. Langsamer, genauer und doch nichts . Kein Kuro.
Er bekam Panik. War er hier falsch? War das doch das falsche Haus? Unsicher zog er sein Handy nochmal heraus doch die Worte zeigten immer noch: "Sie haben ihr Ziel erreicht". Tsuki überprüfte nochmal seinen gekritzelten Zettel dann die Zahl am Haus. Das war die richtige Adresse. Die Adresse die auf der Liste der Stammspieler eingetragen war.
Da kamen ihm erneut Takedas Worte in den Sinn.
"Die Liste ist schon ein paar Jahre alt, aber ich hoffe sie kann dir weiter helfen".
Scheiße, vielleicht war er inzwischen umgezogen? Wieso hatte er diese Tatsache so geflissentlich ignoriert. Kuro wohnte in Tokio und in einem nicht so kleinen Ort wie er, wo man bis in alle Ewigkeit in einem Haus lebte. Wie konnte er nur so dumm sein?
Erschrocken wich er einen Meter zurück und wurde vom Regen wieder erfasst. Die kalten Regentropfen wehten ihm ins Gesicht und trafen seine Augen die er daraufhin zusammen kniff.
Was jetzt? Was sollte er machen? Er hatte keinen Plan B? Wo sollte er hin? Wie sollte er denn jetzt zu Kuro kommen?
Wenn er woanders wohnte, wie sollte er das herausfinden? Wer wüsste davon? Daichi vielleicht? Oder Sugawara, der könnte das zumindest herausfinden, da war er sich sicher.
Doch das würde ihn wahrscheinlich endgültig auffliegen lassen und das wollte er vermeiden. Wer könnte es noch wissen? Die Leute aus seiner Mannschaft natürlich, aber zu denen hatte er auch keinen Kontakt. Für soetwas hatte er sich im Trainingslager nicht interessiert, viele seiner Mannschaft hatten mit Spielern anderer Teams gesprochen und sich sogar angefreundet, doch er hatte nicht im Entferntesten dran gedacht. Für sie waren sie alle Gegner gewesen und obwohl er dort noch nicht so ehrgeizig gewesen war, hatte er sie deshalb alle als Feinde angesehen. Wieso sich also mit Feinden anfreunden?
In dem Moment fiel ihm Hinata ein und wie er mit dem Setter von Nekoma gesprochen hatte wie mit einem Freund. Die zwei hatten sich ebenfalls erst ein paar Mal gsehen und doch wirkten sie vertrauter zusammen. Hinata hatte also bestimmt Kontakt mit dem Setter und der Setter wusste bestimmt die Adresse seines Capitäns.
Als schon ein Hauch von Hoffnung ihn ergreifen wollte setzte sein gesunder Menschverstand wieder ein. Eher würde er im Erdboden versinken als das er den kleinen Knirps um Hilfe fragen würde.
Und wenn er Kuro einfach schreiben würde? Nein, sogern er es auch tun würde das konnte er nicht. Er würde ihm wahrscheinlich nicht mal antworten oder ihn sofort wieder zum Teufel wünschen. Das war ja der Grund warum er überhaupt hergekommen war. Er musste ihm einfach gegenüber stehen, das war er ihm schuldig. Aber jetzt? Was blieb ihm jetzt übrig?
Ohne es zu bemerken war er zurück zur Bushaltestelle gelaufen. Der Regen wurde jetzt immer stärker deshalb krammte er gedankenverloren nach seinem Schirm heraus und lies sich dann auf die Wartebank sinken. Sein Körper war plötzlich vollkommen erschöpft, von der langen Reise, seinen vielen Gedanken und Überlegeungen und von der plötzlichen Einsicht das sein ach so guter Plan doch ins Nichts gelaufen war.
Seine Hände zitterten von der Kälte deshalb steckte er sie schnell in seine Jackentasche. Dort ertasteten seine Finger das kleine Stück Papier und er zog es heraus. Tsuki las es erneut durch. Seine gekritzelte Schrift, für einen Moment musste er daran denken das er es vielleicht auch nur falsch abgeschrieben hatte. Aber nein, er war sich sicher das er es genauso übernommen hatte. Er hatte also einfach kein Glück und dazu nicht genügend Mut um für sich und seine Liebe einzustehen. Diese Erkenntnis trieb ihm die Tränen in die Augen und er lies den Kopf hängen.
Langsam tropften seine Tränen auf das Blatt in seinen Händen und verschmierten die schwarzen Schriftzeichen.
Es war also entschieden. Es war ihm nicht vergönnt glücklich zu werden.
Seine Tränen vernebelten ihm die Sicht und er war froh das keiner sich bei diesem Wetter heraustraute. Heulen in der Öffentlichkeit war nicht gerade erstrebenswert.
Kuro.
Irgendwo da draußen war er. Es war die richtige Stadt vielleicht sogar der richtige Stadtteil, aber sie war eben viel größer als seine Heimatstadt, ihn hier zu finden war einfach unmöglich.

Tsuki wollte gerade auf seinem Handy nachsehen ob heute noch ein Zug zurück ging als ihm die Uhrzeit ins Auge stach. Es war 17:30. Normalerweise an einem anderen Wochentag würde jetzt ihr Training beginnen. Aber an der Karasuno gab es Freitags kein Training, dafür trafen sie sich manchmal Samstags weil sie dort eine freie Halle zur Verfügung hatten.
Dann kam ihm ein sidend heißer Gedanke. Was wenn das an der Nekoma anders war?
Was wenn sie heute Training hatten? Was wenn Kuro da sein würde?
Scheiße, das konnte wirklich sein.
Schnell zog er sein Handy heraus und googelte nach der Adresse der Nekoma High in Tokio. Sein Handy spuckte die Daten aus und er drückte schnell auf Route.
Es war gerade mal 20 Minuten entfernt und als hätte das Universum doch Erbarmen mit ihm hielt in diesem Moment ein Bus vor ihm.
Er hatte keine Wahl, er musste diese Möglichkeit ausnutzen auch wenn er womöglich dabei auf den Rest der Mannschaft treffen würde. Kuro war es ihm wert, weil er wusste das er mit ihm glücklich sein würde, weil er das war was er wirklich wollte und wofür er ehrgeizig wie noch nie kämpfen würde.

Kurotsuki Wilde GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt