So viele Gefühle

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Sie verbrachten mehrere Stunden im Badehaus und machten sich erst am späten Nachmittag auf den Heimweg. Jeder schlupfte in seine Klamotten zurück und machte sich bereit für die kalte Welt die sie draußen erwartete. Dabei fiel Tsukishima auf wie ihr Setter den kleinen Mittelblocker mit den orangenen Haaren musterte. Und zwar ziemlich genau musterte. Was war denn mit dem los, vorhin hatte er schon Daichi auf den Hintern geglotzt? War der einfach zu pupertär oder steckte da mehr dahinter. Kopfschüttelnd verdrängte er die Gedanken, er sollte echt damit aufhören sich ständig Gedanken über andere Leute zu machen. Das strengte nur an und war eh meist belanglos.
Wenig später im Bus sah er das viele vom heißem Dampf benebelt einschliefen. Auch Yamaguchi versuchte zwar wachzubleiben nickte jedeoch immer wieder ein bis er schließlich gänzlich auf Tsukishimas Schulter einschlief. Wäre es jemand anders gewesen hätte er ihn wahrscheinlich weggedrückt, doch bei Tadashi machte er mal eine Ausnahme.
Er war wohl auch ein wenig weggedöst als er von dem Geholper des Busses wach wurde.
Viele seiner Teamkamerade wachten ebenfalls aus einem kurzen Nickerchen auf und noch im Halbschlaf hörte er wie ihr Freak-Duo sich erneut zankte.
"Oh man Kageyama kannst du nicht einfach mal nett sein", rief Hinata genervt und riss mit seiner nervigen Stimme auch Yamaguchi aus dem Schlaf der ruckaritig hochschreckte.
"Was sind wir schon da, oh man ich bin wohl eingeschlafen".
"Kein Wunder. Nach so einem Aufenthalt ist der Körper sehr geschwächt", meinte er kühl und forderte ihn auf aus der Bank zu rutschen.
Gemeinsam stiegen sie aus und gingen direkt zum Speisesaal. Das war der erste Tag an dem er wirklich mit Hunger diesen Raum betrat.
Als sie sich alle den Bauch voll geschlagen hatten fragte Enoshita Daichi: "Hey Daichi was machen wir heute abend"?
"Also ehrlich gesagt, habe ich da an einen Spieleabend gedacht, noch einen von Tanakas super spannenden Filmen erträgt glaube ich keiner", erwiderte Daichi und warf einen Blick zu Tanaka der sogleich zustimmte.
Spieleabend, oh man das war ja so gar nicht Tsukishimas Ding. Eigentlich wollte er sich nur in Ruhe ins Bett legen, ein wenig Musik hören und dann schlafen. Aber er befürchtete das das so ein Team-Ding war und er sich nicht dafor würde drücken können.
Augenverdrehend hörte er dem Rest Gesprächs gar nicht mehr zu, sondern brachte sein Tablett weg um sich auch noch eine Flasche Wasser zu holen. Vielleicht könnte er sich ja ein wenig abseilen nach dem Essen und irgendwo in einer Ecke in Ruhe mit seinen Kopfhörern ein wenig entspannen. Deshalb steckte er sie sich in die Jackentasche als er ging.
Er hatte gerade sein Tablett in den Geschirrwagen gestellt und sich am Automaten für eine Sorte Wasser mit Geschmack entschieden als ihn jemand anrempelte.
"Hey, da bist du ja wieder, habt ihr heut nen kleinen Ausflug gemacht, hab ich gehört", hörte er die Stimme hinter sich und das eigenartige Ziehen in seinem Magen war sofort wieder da.
"Du hörst auch nur das was du nicht wissen musst", meinte er grießgrämmig und warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
"Hey ihr hättet uns ja auch mitnehmen können, aber da war euer Bus schon weg als man mir Bescheid gegeben hat", erwiderte sein Gegnüber und lies sich von seinem Gesichtsausdruck nicht einschüchtern.
"Das war auch ganz gut so. Keiner hätte dich dort gewollt", knallte er dem anderen hin und hoffte das er endlich verstand wie sehr er ihn nicht leiden konnte.
Doch für den anderen schien das ein Spiel zu sein.
"Ach jetzt sei nicht so. Vielleicht hätten wir dort viel Spaß gehabt, oder Tsuki", sagte Kuro augenzwinkernd.
"Ich hab gesagt du sollst mich nicht so nennen", rief er und sah wie sich einige Augenpaare zu ihm umdrehten.
Man, dieser Kerl, der machte allles immer noch schlimmer. Frustriert ballte er die Hände zu Fäusten. Scheiß drauf, wenn man gegen ihn nicht ankam half nur noch aus dem Weg gehen, und genau das würde er jetzt tun. Wütend und mit einem letzten missbilligenden Blick stapfte er an ihm vorbei und lies ihn einfach dort stehen mit seinem blöden Grinsen im Gesicht.
Draußen an der frischen Luft fühlte er sich gleich besser.
Wieso konnte er sich sein dummes Geschwätz nicht einfach sparen? Und wieso zum Teufel musste er immer das letzte Wort haben?
Er ging ein paar Meter um den Speisesaal herum um sich ein wenig zu beruhigen. Fehlte ja gerade noch das ihn jetzt jemand so aufgewühlt sah. Es hatte ganz schön geschneit in der Zwischenzeit und der Boden war bedeckt mit einer 5 cm dicken Schneeschicht die jeden Schritt von ihm gedämpft klingen lies.
Hier draußen war es friedlich, einzelne Flocken segelten vom Himmel und aus der Ferne hörte man Gelächter und Stimmen der Spieler.
Tsukishima atmete tief durch. Nicht aufregen. Das half doch nicht.
Plötzlich hörte er Schritte hinter sich und dann sah er einen völlig entspannd dreinschauenden Kuro an der Mauer lehnen.
Da platzte in ihm etwas. "Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen, verdammt", schrie er ihn an und ausnahmsweise grinste sein Gegenüber mal nicht sondern sah ihn ruhig an.
"Ok, ich bin still, sag was du zu sagen hast".
"Was willst du von mir, willst du mich schikanieren oder mich nur wütend machen, willst du dich mit mir prügeln? Sags mir. Was willst du", schrie er und ging auf ihn zu, bis er direkt vor ihm stand.
Von dem anderen kam keine Antwort doch auch keine Gegenworte.
Sein Atem ging stoßweiße und hing in weißen Wölkchen zwischen ihnen.
"Hör zu ich will keinen Stress, ich werde hier die Woche trainieren und gut ist. Keine Sondertraining, keine Freundschaften, keine Feindschaften ich hab keinen Bock auf sowas verstanden? In einer Woche ist dieser Kindergarten vorbei und dann sind wir wieder alle Gegner und das wäre mir im Moment auch lieber."
Er holte tief Luft.
"Bist du fertig", fragte der andere pragmatisch und sah ihn abwartend an.
Als er keinen Ton von sich gab nahm er das wohl als Bestätigung und ergriff selbst das Wort.
"Also zuers,t außerhalb des Spielfeldes sind wir keine Gegner, gegen ein bisschen necken hat eigentlich niemand was, aber dir scheint das echt zu schaffen zu machen. Scheinst wohl nicht gerade viel Spaß zu verstehen, hätte ich mir denken können", und da stahl sich doch ein kleines Lächeln auf seine Lippen dann sah er ihn direkt an und trat einen Schritt auf ihn zu, doch Tsukishima wich zurück, stieß dann aber gegen die Wand.
"Und was ich von dir will, ich glaube das weißt du".
Er lies seinen Worten Taten folgen und überbrückte die letzten Zentimeter zwischen ihnen und küsste ihn. Zum zweiten Mal an diesem Tag.
Von seinen Worten etwas überrumpelt lies er es zunächst zu. Das der schwarzhaarige auch eine andere Seite hatte, hätte er nicht für möglich gehalten.
Die warmen Lippen die sich auf seine drückten fühlten sich zugleich ungewohnt und doch etwas vertraut an. Eigentlich sollte er ihn zurechtweisen und wegschupsen doch als der andere seine Hand an seine Tailie legte und ihn näher zu sich zog wurde ihm auf einmal warm im Bauch.
Er sah das der andere die Augen geschlossen hatte, und aus einer Eingebung heraus schloss er sie ebenfalls.
Es fühlte sich gleich ganz anders an und das machte ihm ein wenig Angst.
In seinem Körper passierte etwas. Ihm wurde abwechselnd kalt und heiß und sobald der andere Junge den Kuss vertiefte und ihre Zungen sich berührten schaltete sein Kopf aus.
Das Gefühl in ihm übernahm und im nächsten Moment spürte er wie der andere ihn an die Wand drängte und sein Knie zwischen seine Beine stellte. Einerseits fühlte er sich ausgeliefert und andererseits mochte er es wie die starken Hände ihm Halt gaben.
Ihr Kuss wurde leidenschaftlicher und er ertappte sich dabei wie er den anderen fester an sich zog.
Da erschrak er selbst und drückte den anderen weg. Sein Atem rasste und verwundert sah er seine Hände an die sich gerade eben noch in die Jacke des anderen gekrallt hatten und dann berührte er seine Lippen die leicht geschwollen und feucht waren.
Sein Kopf schaltete sich weider ein und eine Welt brach zusammen. Was hatte er getan? Was hatte er mit sich machen lassen? Sie waren doch beide Jungs? Das durfte nicht sein. Wieso hatte er es dann getan? Ein zweites Mal?
"Wieso", murmelte er verunsichert und sah den anderen entgeistert an.
"Weil du es genauso willst".
"Das stimmt nicht", meinte er klang aber so lahm das er selbst nicht überzeugt war.
"Das sah aber gerade noch ganz anders aus".
Tsuki raufte sich die Haare. Wieso verlor er nur so die Kontrolle über sich? Wieso lies er das mit sich machen?
Geschockt starrte er den Schnee auf dem Boden an. Er war zertreten, dort wo Kuro gerade noch gestanden hatte. Würde jemand nur diese Spuren im Schnee sehen, wäre jedem klar, was hier passiert war. Wütend trat er mit dem Fuß in den Schnee und zerstörte diese Spuren.
Sein Herz raste und er begann ein wenig zu hyperwentilieren. Mit so vielen Gefühlen aufeinmal konnte er nicht umgehen, er wusste nicht wie oder was er jetzt tun sollte.
"Heey, alles ok? Ich weiß das kann ein bisschen erschreckend sein am Anfang aber es ist wirklich voll okay", hörte er die einfühlsamen Worte und spürte eine Hand die sich sachte auf seine Schulter legte.
Ruckartig sah er auf. Für so einfühlsam hatte er den scharzhaarigen nicht gehalten, er lernte scheinbar immer mehr Seiten des anderen kennen und seine Worte wirkten ehrlich, doch sie beschrieben nicht annähernd das was in ihm vorging.
"Du weißt gar nichts, gar nichts", murmelte er, stieß seine Hand weg und stapfte durch den Schnee davon.

Kurotsuki Wilde GefühleWhere stories live. Discover now