Jeremy #1

6.3K 377 14
                                    

Während er sich noch in seinem Selbstmitleid wälzte, dass er hier mit mir eingesperrt wurde, sah ich mich schon um. Lag hier noch irgendwas offen rum, was ihn nichts anging? Ich hasste es, wenn Leute etwas über mich wussten. Gerüchte waren mir egal, aber richtige handfeste Beweise, wie Aufschriebe, Notizen oder Skizzen gingen niemand etwas an.

Ich war schon immer ein praktisch denkender Mensch gewesen. Kommst du aus einer Situation nicht raus, mach das beste aus ihr. In den meisten Fällen hatte ich es auch geschafft.

Ich ging auf dem Boden in die Hocke und klaubte, die Zettel auf, die ich dort verteilt hatte. Ich stopfte sie einfach in den Rucksack, den ich unters Bett geschoben hatte.

Es hatte mich überrascht wie er meinen Blick erwidert hatte. Die meisten fanden meine Augen gruselig, weil sie so kalt und mitleidlos waren. Sie wurden immer kleiner unter ihnen, bis sie nicht mehr als ein erbärmliches Stottern rausbrachten. Er dagegen hatte einfach bloß zurückgesehen. Ihm war nicht einmal der Schweiß ausgebrochen. Ich mochte ihn nicht. Er war fast so groß wie ich und dann auch noch respektlos. So was konnte ich gar nicht ab. Außerdem hatte ich es genossen alleine zu sein. Mit meiner Klasse auf engstem Raum eingepfercht zu sein, konnte ich nicht ausstehen. Ich mochte keine Menschen. Sie waren unzuverlässig, faul, egoistisch und drehten alles so hin, dass sie einen Vorteil daraus zogen. Aber jetzt wo er, Jérôme, (wie dieser Name schon klang. Zum Kotzen.) da war, sah alles wieder anders aus. Ich musste meinen Plan umstellen, aber dafür musste ich erst einmal einen klaren Kopf bekommen. Bücher öffneten einem zwar die Türen zu anderen Welten, beanspruchten dafür aber eine Menge Energie, obwohl man im Grunde bloß kleine, schwarze Zeichen entziffern musste.

Ich sollte duschen. Zum Glück, war in dieser Jugendherberge ein Bad bei jedem Zimmer dabei. Wenigstens etwas. Aber ich konnte ihn nicht alleine mit meinen Sachen lassen. Ich sah mich in Raum rum. Ein Bett, ein Stuhl an einem wackeligen Tisch und ein Schrank. Ich könnte ihn in dem Schrank einsperren oder an dem Stuhl fesseln. Aber wenn er um Hilfe rief, hätte ich noch mehr Ärger am Hals, als davor und darauf konnte ich verzichten. Ich seufzte. Dann musste es halt so gehen. Ich schnappte mir mein Handy, mein Buch, frische Boxershorts und ein Handtuch. Ich stellte mich vor ihn hin. Hätte ich eine Hand frei, würde ich ihm wahrscheinlich gar nicht die Wahl lassen, dumme Fragen zustellen, sondern ihn einfach an seinen scheiß Haaren ins Bad zerren. "Steh auf und komm mit" Er sah bloß verständnislos zu mir auf. "Du hast mich schon verstanden." Sein Glück, dass ich volle Hände hatte. Ich wusste, dass Gewalt keine Lösung war, aber es befreite ungemein, jemand ins Gesicht zuschlagen. Endlich ließ er sich dazu herab aufzustehen. Ich drehte mich wortlos um und verschwand im Bad. Wenn er jetzt zu bescheuert war mitzukommen, konnte ich für nichts mehr garantieren. Ich legte die Sachen ab. Ich hörte seine Schritte hinter mir. "Setz dich aufs Klo und halt die Klappe." Er murmelte etwas, was ich gar nicht verstehen wollte, da es sich nicht gerade herzlich anhörte. "Und was hast du jetzt vor?", fragte er, mit einer Stimme, die mich an kleine meckernde Kinder erinnerte. "Duschen. Und ich lasse dich bestimmt nicht mit meinen Sachen alleine." Er räusperte sich. "Wär es da nicht gescheiter, wenn du seine Sachen mitgenommen und mich in Ruhe gelassen hättest?" "Fuck!", fluchte ich. Wieso war ich da nicht selbst drauf gekommen? Das wäre viel simpler. "Nicht daran gedacht, Mr. Superschlau?" Ich konnte das Grinsen in seiner Stimme hören. Ich drehte mich zu ihm um und warf das Buch nach ihm. "Beschäftige dich damit oder mit dir selbst, aber lass mich in Ruhe!" "Sollte das so zweideutig klingen?" Ich sah ihn an und zwang meine Stimme dazu ruhig zu klingen. "Ja."

Er hob das Buch auf und las sich den Klappentext durch. "Und so was magst du?" Ich beachtete ihn gar nicht und zog einfach bloß meinen Pullover über meinen Kopf. Er starrte meinen nackten Oberkörper an. "Was ist eigentlich dein Problem?" Er lief rot an und verschanzte sich hinter dem Buch. Ich schüttelte den Kopf, zog meine Hose aus und stellte mich mit Boxershorts unter die Dusche.

× Messed & Broken Hearted ×Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt