Jérôme #11

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Ich legte den Kopf schräg und betrachtete sein Gesicht. Das Lächeln auf seinem Gesicht wirkte bodenlos und er hatte etwas in den Augen, das mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte. "Wer war das schon?" Wie oft hatte ich mir diese Frage gestellt und aufgehört darüber nachzudenken, bevor ich zu der Antwort gelangte, die ich gar nicht wissen wollte. Außerdem... Ich sprang erschrocken auf, als hinter uns Geplapper und knackende Äste ertönten. Er sah unserer Klasse bloß entgegen, als seien sie langerwartete Gäste, deren Erscheinen ihn nicht überraschte. Frau Schamms Augen wurden groß, als sie uns sah. Jeremy stand auf, strich sich durch die Haare und klopfte den Staub von seiner Jeans. "Sie haben sich aber Zeit gelassen.", sagt er grinsend. "Wisst ihr welche Sorgen wir uns gemacht haben!?" Sie wirkte nicht wütend, eher überrascht und erleichtert. "Mein Kollege ist euch suchen... Ich muss ihn kurz anrufen." Zerstreut suchte sie in ihrer Tasche nach dem Handy. Als sie aufgeregt in ihr Handy plapperte, starrte sie uns, genau wie die ganze Klasse an, als seien wir Geister. Mir waren die Blicke unangenehm und hätte mich am liebsten hinter Jeremy versteckt. Aber ich riss mich zusammen. Ich hatte das Gefühl die meiste Zeit des Schuljahres hatten meine Klassenkameraden mich eigentlich meine Anwesenheit völlig vergessen, aber sobald man sich Jeremy auch bloß auf drei Meter nähert schien man auch ein wenig der ihm zu Teil werdenden Aufmerksamkeit abzubekommen. Mir war das eher unangenehm, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass andere das ausnutzen würden. "Ja! Wenn ich es doch sage! Sie sind hier.", sprach unsere Lehrerin in ihr altmodisches Handy. "Gut." und legte ohne sich zu verabschieden wieder auf. Sie wandte sich mit einem Lächeln auf den Lippen an uns. "Du weißt gar nicht, was für einen Schreck du uns eingejagt habt.", sagte sie in einem leicht tadelnden Ton. Jeremy grinste mich fies an. Er hatte auch bemerkt, dass sie bloß von ihm gesprochen hatte. Ich ließ mich auf seinen alten Platz fallen. Anscheinend war ich für dieses Gespräch nicht von Nöten. Herr Schamm würde wahrscheinlich einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn er sähe wie Jeremy und seine Frau miteinander sprachen. Jeremy lachte und er sah dabei so schön aus... Meine Ohren wurden heiß und schnell wandte ich meine Augen ab. Was war mit mir los? Ich ließ mich rückwärts gegen den Baumstamm fallen an dem er gelehnt hatte und beobachtete die Mädchen und Jungen, die mit hochgekrempelten Hosenbeinen im See standen und sich lachend nass spritzten. Sonst hatte es mir nur etwas ausgemacht der Außenseiter zu sein, immer bloß der Beobachter zu sein und doch wollte ich jetzt dazu gehören. Mit Freunden lachen. Die Wärme von Geborgenheit zu fühlen. Ich vermisste meine Mutter und mein Bett. Ich wollte mich mit ihrem selbstgemachten Kakao, der nach Zimt und Liebe schmeckte ans Ende ihres Bettes setzten, mit einem Buch in den Händen und einfach bloß ihre Anwesenheit spüren und ihren Atem vom Kopfende hören. Ich stand auf und zog Jeremy von der für ihn viel zu altem Frau weg. "Seit wann gibst du dich mit solchen ab?" Ich reckte mein Kinn in die Höhe und ignorierte den Kommentar des Jungen, der seine Baseballcap zurecht rückte. Zu meiner Erleichterung folgte mir Jeremy schweigend, ohne dumme Fragen zu stellen oder sich losreißen zu wollen. Sein Rucksack lehnte an einem anderen Baum und ich zog ihn hinter die Blätter einer Trauerweide. Er sah sich um, als seien wir durch die herunterhängenden Äste in eine andere Welt gedrungen. Und es wirkte auch so. Das Licht sah grünlich aus und leises Rascheln der Blätter dämpfte die Geräusche unserer Klasse. In seinem Blick lag etwas, das man sonst bei Menschen sah, die vor der Mona Lisa im Louvre standen. Ehrfurcht. Es schien ihn menschlicher zu machen. Ein Eichelher schrie und er sah mich an. "Es ist schön hier." Bloß ein Flüstern. Sein Gesicht sah in dem Licht schöner aus, als jemand aussehen durfte. Schatten lagen auf seinen Augenlidern und Wangen. Sie machten die Linien in seinem Gesicht weicher und sogar der Schwung zwischen Kopf und Hals wirkte wie ein zarter Pinselstrich. Ich trat auf ihn zu, er sah auf mich herunter und wich keinen Schritt zurück. Am liebsten hätte ich ihn wieder geküsst, aber stattdessen schlang ich ohne mir darüber Gedanken zu machen meine Arme um seine Brust. Er wirkte perplex, aber schien es sich nicht anmerken lassen zu wollen. Sein Herz pochte unregelmäßig von innen gegen seine Brust und der Duft von Tannen und einer leichten Moschusnote stieg mir in die Nase. Er roch teuer. Es war schön etwas zu haben an dem ich mich festhalten konnte. Nach ein paar Sekunden ging er einen Schritt zurück. Am liebsten wäre ich ihm einfach gefolgt und hätte ihn nicht losgelassen, aber ich ließ meine Arme sinken. Er musterte mich aus dunklen Augen in denen man seine Gefühle nicht einmal erahnen konnte und ließ seine Hände in den Taschen seiner Jeans verschwinden. Ich grinste, um meine Verlegenheit und die heißen Ohren zu überspielen. Ich wusste nicht, weshalb ich es getan hatte. Es war mir so richtig vorgekommen. "Was meintest du damit, dass ich nichts in der Klasse mitbekomme? Wieso rennen sie dir alle hinterher?", stellte ich eine der vielen Fragen, die in meinem Kopf herumsprangen wie Flummis. Er seufzte und lehnte sich gegen den Stamm der Weide. "Diese Gesellschaft dreht sich um Sex Appeal und Geld. Und wer auch bloß eins von beidem hat, rennen dir alle hinterher." Ich sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. "Willst du damit sagen, du hast Sex Apeal?" Langsam erinnerte ich mich wieder daran, weswegen ich ihn nicht möchte. Er lachte kalt. "Deswegen meinte ich ja, du bekommst nichts mit." Er stieß sich vom Stamm ab und ging an mir vorbei, ohne es sich nehmen zu lassen mich an der Schulter anzurempeln. Meinte er jetzt, dass er Geld hatte oder Sex Apeal? ich trat gegen einen Stein und ignorierte den Schmerz, der durch meinen Zeh zuckte. Fluchend und humpelnd ging ich zurück zu meiner Klasse. Ein paar waren noch im Wasser und die anderen saßen etwas abseits und redeten. Bloß die Streber saßen irgendwo in der Nähe der Lehrer. Jeremy hatte seinen Rucksack geschnappt und saß bei den Machos und Draufgängern unserer Klasse im Schatten der Bäume. Ich hatte gedacht er hielte nichts von ihnen nach dem Blick den er ihnen gestern Abend zugeworfen hatte und wie er von ihnen redete. Aber vielleicht war es manchmal auch besser sich mit Idioten abzugeben, als alleine zu sein. Ich stand etwas unschlüssig da und wusste nicht was ich machen sollte. Ich konnte schlecht zu Jeremy gehen und auf beste Freunde machen, bloß weil wir eine Nacht lang im selben Zimmer geschlafen hatten, zu den Lehrern wollte ich nicht, genauso wenig wie zu den Streben und das Wasser war mir zu nass und kalt. Ich ließ mich in den Schatten eines Baumes fallen und wünschte mir die Ruhe von der Jeremy geredet hatte. Sie wieder mit ihm zu teilen. Auch hätte ich gerne ein Buch und was Kühles zu trinken. Etwas dehnte sich in meinem Bauch aus, das sich ziemlich genau wie Sehnsucht anfühlte. Ich lehnte meinen Kopf an den Stamm des Baumes und wollte ihn am liebsten dagegen hauen. Was war das? Wieso hatte ich ihn umarmt? Es schien als würde mir jeder Berührung ein Gift tiefer in meine Haut zu dringen und meinen Kopf und Gefühle zu vergiften. Es schien nichts zu geben, was ich dagegen tun konnte und drei einhalb Tage mit ihm lagen noch vor mir...

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Es ist schrecklich, dass ich nur so selten zum Updaten komme. >.<
Aber hier ist mal wieder ein neuen Kapitel.

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