Jérôme #18

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Als ich aufwachte, fühlten sich meine Wangen an, als seien sie eingefroren. Genau wir meine Nase. Wenigstens lag ich nicht ausgeweided irgendwo herum. Vorsichtig setzte ich mich auf. Nebel waberte zwischen den Bäumen und der Himmel spannte sich weißgrau über meinem Kopf. Alles schien geheimnisvoll und verlassen, trotz der anderen elf schlafenden Gestalten um mich herum. Ich wandte mich um. Jeremys Schlafsack lag offen, leer und schon lange kalt da. Vorsichtig, sorgsam darauf bedacht nicht zu viel Lärm zu machen, stand ich auf und zog mir schnell meine Jeans über, genau wie mein Sweatshirt. Jetzt wo ich schon wach war, könnte ich sowieso nicht mehr einschlafen. Vorsichtig tapste ich auf die Ruine zu. Irgendetwas zog mich dort hin. Vielleicht wie die Schemen bloß verschwommen durch den Nebel schienen, als seien sie mehr Traum als Realität. Irgendwie schaffte ich es dorthin, ohne jemand zu wecken oder über irgendetwas zu stolpern. Zwischen den noch stehenden Mauerstücken hatte sich der Nebel eingenistet, als wolle er ein Nest weben und für immer dort bleiben. Jeremy sah noch dunkler als sonst aus, wie er dort mit seiner dunkelgrauen Cargohose und dem schwarzen Sweatshirt. Ich blieb in einem der Torbogen stehen und sah zu ihm rüber. Auf seinem Lippen lag, verschwommen durch den Dunst, ein verlorenes Lächeln und in seinen Armen regte sich ein in allen erdenklichen braun Nuancen erscheinenden Bündel, das nach einer seiner Haarsträhnen schlug und leise Geräusche von sich gab. "Du hast eine Katze gefunden?", fragte ich vorsichtig und kam auf ihn zu. Er sah auf und das Lächeln verblasst. "Sie ist mir zugelaufen. ", erklärte er, während die Karte mit grün gelben Augen zu mir blickte, während ihre eine Pfote locker und mit den Krallen verhackt an Jeremys Pullover hing. Sie war schön und sah noch jung aus. Ich setzte mich auf einen Stein ihnen gegenüber und ihre wachsamen Augen folgten mir bei jedem Schritt und jeder Bewegung. Er kraulte sie zwischen den Ohren. "Danke nochmal wegen gestern..." Unsere Beiden Augen hingen an der Katze und ich war froh darüber, dass er mich nicht ansah. Er gab ein undefinierbares "Mhmm" von sich, das vermutlich etwas Tiefgründigeres bedeuten sollte. "Wieso konntest du nicht mehr schlafen?", fragte er immer noch ohne aufzusehen. Meine Schultern zuckten hoch. Schweigen hüllte und wieder ein und ich wünschte mir, ich hätte noch eine Jacke übergezogen. Bloß das Schnurren drang durch die Luft. Um uns herum hörte man nichts und es schien, als sei alles für eine Augenblick stehen geblieben. "Wenn wir wieder zurück in der Schule sind...", setzte ich an und ließ meinen Blick über die Steine um uns herum schweifen, so als sei das, was ich jetzt fragen wollte, gar nicht so wichtig. "...ist dann alles wieder wie zuvor?" Er schwieg einen Augenblick und ich spüre meinen Herzschlag in den Fingerspitzen, wobei ich nicht wusste, ob das an der Aufregung oder der Kälte lag. "Was meinst du mit 'wie zuvor'?" "Dass wir uns wie Luft behandeln, als gäbe es uns gar nicht." Seine Hand strich durch das gestreifte Fell und ich wunderte mich darüber wie sanft seiner Finger sein konnten. "Wir kehren in unsere Leben zurück.", sagte er schlussendlich. Ich nickte. Wenn wir wieder zurück waren, Wäre es wieder so, als hätten wir niemals miteinander gesprochen, unsere Existenz anerkannt, geschweige denn nebeneinander geschlafen. Etwas in meiner Brust zog bedauernd, aber ich hatte im Grunde mit nichts anderem gerechnet. Es wäre unrealistisch gewesen, dass wir plötzlich miteinander abhingen und zu Partys gingen auf die strenggenommen nur er eingeladen gewesen war. Aber dennoch war da diese kleine Stimme in meinem Inneren, die ihn verfluchte, dass er alles einfach wegwischen und wieder so tun wollte, als hätten wir nie auch bloß ein Wort miteinander gewechselt. Ich hatte nichts zu verlieren, aber ich wusste, dass er vermutlich nicht mehr als all so cool angesehen werden würde, sobald er begann sich mit einem kleinen Freak, der lieber Bücher las als sich zu unterhalten abzugeben. Ich schluckte die Wut herunter. Es war kindisch, Wegen so etwas sauer zu sein. Vor allem da es nichts bringen würde. Es wäre lächerlich und erbärmlich, wenn ich ihm weiter hinterer laufen würde. Der Himmel färbte sich langsam in einem weiteren fantastischen pastell Farbton und die Sonne schien schüchtern an ein paar Baumstämmen vorbei. Er betrachtete das Spiel aus Licht und Schatten auf den Steinen, während ich am liebsten geweint hätte. Der Moment war an sich so schön und die Vorstellung, dass er enden würde und er mich einfach abschreiben und nicht mehr hinterlassen würde, als einen faulen Geschmack im Mund machte mich traurig. Niemals wäre ich davon ausgegangen, dass ich es irgendwann einmal schade fände, dass unsere Beziehung so distanziert war, aber jetzt würde ich am liebsten alles um hundertachtzig Grad drehen und an einer vollkommen anderen Stelle neu beginnen. Vor allem, da ich nicht einmal begründen könnte, weshalb ich das nicht enden lassen wollte. Vor weniger als einer Woche hatte ich ihn für nicht mehr als ein arrogantes Arschloch gehalten... Wir zuckten beide zusammen, als ein Stein gegen eine Wand schlug und hell davon abprallte. Die Katze sprang erschrocken davon. Marco ließ sich auf einen anderen Stein fallen und zündete sich eine Zigarette an. Auf Jeremys Gesicht zeichnete sich nichts, als Abscheu ab. "Was ist das hier?", fragte er und ließ Rauch in den orangenen Himmel. "Ein Schwulentreff?" Jeremys Lippen kräuselten sich verächtlich. Ich stand auf und klopfte mir den Staub von der Hose. "Ich schau mal, wer schon alles wach ist.", sagte ich leiservals beabsichtigt und ging. Ich hörte Marco noch ein paar schlechte Witze über mich machen, bevor ich wieder auf die Lichtung kam und ich auf meine Schlafsack fallen ließ. Irgendwie hatte sich Traurigkeit in meiner Brust ausgebreitet, wenn ich daran dachte, dass das vielleicht das letzte Mal war, dass wir uns mehr oder weniger unterhalten hatten.

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