Rache

619 36 3
                                    

DAS FEUER FRISST sich knisternd immer weiter durch den Wald

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

DAS FEUER FRISST sich knisternd immer weiter durch den Wald. Wir können es nur begrenzt aufhalten. Zwar bieten die Gräben und Steine den fliegenden Funken keinen Einhalt, aber so breitet sich der Brand zumindest etwas langsamer aus. Der dicke Rauch treibt uns schließlich zurück und selbst nasse Tücher und Blätter vor Mund und Nase können nicht mehr viel zu unserem Schutz ausrichten. So sind wir gezwungen, uns hustend und nach frischer Luft schnappend zurückzuziehen. Hastig machen wir uns daran, den Wald zu verlassen und zu den anderen zu kommen, die in sicherer Entfernung warten sollten. Neros, Inore, Chiron und ich sind die letzten. Inore dreht sich immer wieder um und schließlich bleibt die Satyrdame ganz stehen. Als ich bemerke, dass sie zurückbleibt, halte auch ich an und rufe nach ihr. Die beiden anderen tun es mir gleich.

» Komm schon! «, bellt Neros.

» Inore! «, rufe auch ich. Langsam dreht sie sich zu uns um, Tränen stehen in ihren Augen. Ich bedeute meinen Begleitern, hierzubleiben und gehe die paar Schritte zu der Waldbewohnerin zurück.

» Das ist mein Zuhause «, flüstert sie,

» Unser aller Zuhause. Wo sollen wir denn sonst hin? «. Ich lege tröstend eine Hand auf ihre Schulter

» Mach dir darüber keine Sorgen, wir müssen hier weg. Jetzt «. Sie starrt mich eine Weile schniefend an und ich blicke über ihre Schulter in Richtung des Feuers. Deutlich zeichnet sich der helle orangegelbe Schimmer der Flammen in der Düsternis des Waldes ab. Der Rauch wabert um die Stämme der Bäume, die dem Brand bereits entgegensehen, wie ein Vorbote der Zerstörung. Plötzlich erkenne ich einen dunklen Umriss hinter einer dicken Eiche hervortreten. Der Qualm verdeckt alle Einzelheiten der Konturen, doch dort steht jemand und scheint uns zu beobachten. Meine rechte Hand wandert langsam und wie beiläufig zu meinem Schwert. Das Metall fühlt sich warm an. Als sich die Person nähert, sehe ich wieder Inore an, die sich verstohlen über die Augen wischt.

» Lass uns gehen «, sage ich und mit einem leichten Nicken setzt sich die Satyrdame in Bewegung. Ich verharre noch einen Augenblick und sehe zu der Gestalt im Rauch. Sie ist noch da, viel näher als zuvor, und schält sich nach und nach aus dem Nebel. Es ist ein großer Mann mit breiten Schulter, in einen knielangen Kapuzenmantel gehüllt. Meine Hand umschließt den Schwertknauf fester und lockert die Klinge bereits.

» Luna? «, Chiron ruft nach mir. Ich drehe mich nicht um, denn in diesem Moment tritt die Gestalt vollends aus ihrer Deckung und zwei blaue Augen blitzen mir unter der Kapuze hervor entgegen. Zwei eiskalte Augen. Augen, die ich kenne.

» Lauft! «, bringe ich hervor und ziehe mein Schwert. Feryns Lippen verziehen sich zu einem überheblichen Lächeln.

» Sieh an, sieh an. Wen haben wir denn da? «, sagt er mit seiner tiefen Stimme und kommt noch näher

» Überrascht Euch unser Wiedersehen wirklich? «, frage ich und gehe ein wenig in die Knie,

» Ihr wusstet, dass ich kommen würde «. Feryn lacht schallend und stemmt die Hände in die Seiten, er scheint nicht bewaffnet – aber das kann ja wohl nicht sein.

» Natürlich WUSSTE ich das «, meint er,

» Ich WOLLTE es auch, sonst wärst Du niemals angekommen «. Misstrauisch kneife ich die Augen zusammen und setze zu einer Antwort an, doch da tritt Neros neben mich, die Nüstern gebläht und das Kriegsbeil in einer Hand schwingend.

» Ihr! «, brummt er bedrohlich und deutet anklagend auf Feryn,

» Das ist Eure schuld! Ihr habt unseren Wald angezündet! Dafür sollt Ihr büßen... «. Mit einer Handbewegung bringt Feryn den großen Minotaur zum Schweigen.

» Sei froh, dass ich dich und die anderen Würmer am Leben gelassen habe «, sagt er gelassen,

» Das ist alles völlig unwichtig. Ich bin nur aus einem Grund hier «. Seine kalten Augen fixieren mich und ich ahne den Grund bereits.

» Rache... «, flüstere ich und trotz der sich ausbreitenden Hitze des Feuers läuft mir ein eisiger Schauder den Rücken hinunter.

» Goldrichtig «, raunt Feryn. Instinktiv richte ich mich aus meiner etwas geduckten Kampfposition ein wenig auf. Neros stiert unser Gegenüber an, doch ich schüttle leicht den Kopf und bedeute ihm, zurückzutreten. Dann wende ich meine volle Aufmerksamkeit dem ehemaligen Anführer der Assassinen zu.

» Was ist, wollt Ihr nicht gegen mich kämpfen? «, frage ich herausfordernd. Wieder ertönt das donnernde Lachen Feryns, er wirft sogar den Kopf in den Nacken.

» Wohlwahr «, meint er schließlich,

» Aber nicht heute, Kleine. Meine Rache beginnt erst «, er macht eine ausladende Handbewegung,

» Ich nehme dir dein Zuhause, so wie du mir meines genommen hast «. Wut steigt in mir auf. Ich habe ihm sein Zuhause nicht genommen, er ist einfach gegangen – in seinem Stolz verletzt. Hier geht es nun um etwas Anderes - nicht nur darum, meinen Freunden zu helfen, sondern darum, das Zuhause meiner Kindheit zu schützen. Doch es scheint aussichtslos. Ich schließe einen Moment die Augen. Als ich sie wieder öffne, hat Feryn ein langes Messer hinter seinem Rücken hervorgezogen. Sofort hebe ich das Schwert, doch er greift nicht an. Stattdessen fährt er langsam mit dem Zeigefinger über die Schneide – konzentriert wie ein Schmied, der sein Werk prüft.

» Allerdings... «, sagt er gedehnt,

» Allerdings heißt das nicht, dass dies für den Anfang schon alles war! «. Damit stürzt dieser Koloss auf mich zu. Ich atme tief ein, unterdrücke ein Husten und wappne mich auf den kommenden Angriff.


Doch er kommt nicht. Kurz bevor mich Feryn erreicht und unsere Waffen aufeinandertreffen, sirrt etwas durch die Luft und mein Gegner brüllt auf. Es ist ein Pfeil, der sich in seinen Oberarm bohrt. Ich sehe auf und entdecke Lion, der nicht weit von uns entfernt steht – den Bogen erhoben und schon dabei, den nächsten Pfeil einzulegen.

» Zurück! «, befielt er und zielt erneut auf Feryn,

» Weg von unserer Königin! «. Wäre die Situation nicht derart angespannt und abstrus, hätte ich nun wohl gelächelt. So aber richte ich die Schwertspitze auf den Assassinen.

» Wie Ihr schon sagtet «, damit sehe ich ihm direkt in die Augen,

» Wir kämpfen nicht heute «. Mit einem Geräusch, das fast an das Knurren eines Hundes erinnert, baut sich Feryn vor mir auf und erwidert meinen festen Blick. Er scheint sich von der Klinge unweit seiner Kehle nicht einschüchtern zu lassen. Sekunde um Sekunde verstreicht, nur das näherkommende Knistern der Flammen ist zu hören. Plötzlich lässt Feryn das Messer sinken, das er bis jetzt noch erhoben hatte – bereit, jederzeit damit zuzustechen. Er lächelt unheilvoll

» Richtig. Nicht heute «.

Die Reise des Löwen | Eine narnianische GeschichteWhere stories live. Discover now