Jakobsmuschel

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SO SCHNELL ICH kann, renne ich in Kaspians Arbeitszimmer

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SO SCHNELL ICH kann, renne ich in Kaspians Arbeitszimmer. Wie erwartet, finde ich dort Trumpkin vor. Der Zwerg beugt sich über irgendein Schriftstück, das mich im Moment nicht weiter interessiert.

» Trumpkin «, rufe ich aus,

» Du muss mir helfen. Komm mit, komm schon! «. Als er sich keinen Fingerbreit bewegt, fällt mir wieder ein, dass er mich ja weder sehen noch hören kann. Wunderbar. Am liebsten würde ich ihn an den Schultern packen und schütteln, aber da ich bisher keine Gegenstände oder Personen halten konnte, wird selbst das nichts nützen. Andererseits hat Kaspian meine Berührung an der Wange gespürt, zumindest sah es so aus. Einen Versuch ist es wert. Ich schicke mich also an, das Zimmer zu durchqueren, da schiebt Trumpkin den Stuhl zurück und steht auf. Während er etwas Unverständliches in seinen Bart murmelt, tritt er auf den Gang hinaus und macht sich auf den Weg nach oben. Ich folge ihm natürlich und freue mich, als er tatsächlich dorthin geht, wo ich ihn haben möchte. In meinem Zimmer angekommen, lässt er sich neben meinem Lager nieder.

» Ach, Luna «, seufzt er und tätschelt meine Hand,

» Es wäre die schönste Überraschung für Kaspian, wenn du zum Fest wachwärst und ihn willkommen heißen würdest...aber du...schläfst. Es ist verwunderlich, dass du so lange...dass na ja, du hast einen sehr starken Überlebenswillen, ich kenne dich doch. Wenn du mich also hören kannst, wach auf. Ich habe Kaspian und dich zwar noch nicht als Paar erlebt, aber das würde ich gerne. Immerhin habe ich es geahnt. Ihr saht beide so fröhlich aus, wenn ihr in der Nähe des anderen wart. Ja, sogar du hast fröhlich ausgesehen «.

» Stimmt, den Lebenswillen habe ich «, bestätige ich gerührt,

» Und ich habe nicht vor zu...gehen. Ich kann und will Kaspian nicht zurücklassen «. Trumpkin seufzt erneut und hält dann verwundert Inne.

» Du bist ja ganz heiß, ich gebe dir besser etwas zu trinken «, stellt er alarmiert fest. Gesagt, getan. Auf einem Tisch an der Wand stehen eine Schüssel mit Wasser und eine Tasse bereit. Der Zwerg füllt diese und kehrt zu meinem Körper zurück. Vorsichtig hebt er mit der einen Hand meinen Kopf etwas an und hält mir mit der anderen die Tasse an die Lippen. Als plötzlich die Tür aufgeht und die Heilerin hereinkommt, schimpft diese

» Was tut Ihr da?! «. Vor Schreck entleert Trumpkin den restlichen Inhalt der Tasse auf einmal und so rinnt das Wasser über meinen Hals. Ich klatsche in die Hände, genau das wollte ich. Ich habe mir nämlich gedacht, dass die Trennung von Körper und Seele möglicherweise etwas mit dem Zwiespalt zwischen Land und Meer zu tun haben könnte. Wenn ich meinen Körper daher mit Wasser in Berührung bringe, könnte das beendet werden und ich aufwachen. Als ich jedoch keinerlei Veränderung fühle, stoße ich enttäuscht die Luft aus. Derweil eilt die Heilerin herbei, trocknet mich ab und redet auf Trumpkin ein bis auch ihr die erhöhte Körpertemperatur auffällt.

» Verzeiht mir meinen Ärger, mein Herr «, entschuldigt sie sich und neigt leicht den Kopf,

» Es ist gut, dass Ihr dem armen Mädchen etwas zu trinken gabt «. Der Zwerg winkt bloß ab. Trinkwasser ist Süßwasser, das bringt mich auf eine Idee. Ich brauche Salzwasser. Meerwasser! Aber wie sollte ich das hierhertransportieren? Außerdem komme ich gar nicht bis zum Strand hinab, dafür ist die Entfernung, die ich zwischen meinen Körper und mich bringen kann, zu gering. Es gibt auch niemanden, der mich sehen kann. Ruckartig richte ich mich auf. Gibt es tatsächlich niemanden? Mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen verlasse ich das Zimmer und begebe mich nach unten. Was Trumpkin murmelt und die Heilerin von sich gibt, höre ich schon nicht mehr.


In den Stallungen ist nicht viel los. Nur einige wenige Stallburschen halten sich dort auf. Sie füttern und tränken die Tiere, ermöglichen ihnen täglich genügend Bewegung und misten die Boxen aus. Ich bin auf der Suche nach einer ganz bestimmten Box, die ich auch rasch finde. Ich schlüpfe hinein und werde von einem leisen Schnauben begrüßt. Eine goldfarbene Stute steht vor mir. Ihr Name ist Dalia und sie ist Kaspians Ross. Sie ist ein stolzes Tier und – was am wichtigsten ist – sie kann mich sehen. Ich streichle ihr über die Nüstern und sie reibt ihren Kopf an meiner Schulter, sie kennt mich schließlich gut.

» Ja, du kannst mich sehen und hören, nicht wahr? «, murmle ich und lasse meine Finger durch ihre Mähne gleiten,

» Ich brauche dringend deine Hilfe «. Wie zum Beweis stellt das edle Tier die Ohren auf und sieht mich aus seinen hellbraunen Augen aufmerksam an. Dalia ist zwar kein sprechendes Pferd, aber ich bin mir sicher, dass es in ihrer Verwandtschaft welche gibt.

» Ich brauche etwas Meerwasser, aber ich komme nicht einmal ansatzweise bis zum Strand. Kannst du mir da helfen? «, frage ich. Dalia schnaubt und tänzelt bis ins hinterste Ende ihrer Box. Ehe ich etwas sagen kann, galoppiert sie vor und springt elegant über das Gatter. Ich nicke anerkennend und klettere auf ihren Rücken. Kaum sitze ich, sprengt sie aus dem Stall, durch den Hof und in den Garten. Fast so, als würde sie meine innere Unruhe und Eile spüren. Bevor ihre Hufe den Sand berühren, fühle ich das mittlerweile vertraute Ziehen in meiner Brust und springe ab. Dalia trabt am Strand auf und ab und bleibt vor etwas stehen, das halb im Sand vergraben ist. Sie hebt es mit dem Maul vorsichtig hoch und zeigt es mir. Es ist die Schale einer Jakobsmuschel.

» Perfekt «, meine ich,

» Wenn sie gefüllt ist, dürfte das genug Wasser sein «. Wie auf Befehl, trabt Dalia zum Wasser und taucht Muschel und Nase hinein. Langsam kehrt sie mit der vollen Schale zu mir zurück und ich möchte ihr die Last abnehmen, zögere jedoch. Was, wenn ich die Muschel nicht halten kann? Also strecke ich die Hand aus und tauche meine Fingerspitzen ins Wasser...siehe da, ich fühle es! Das gibt mir den Mut, um die Schale endlich an mich zu nehmen. Sobald ich die Jakobsmuschel in Händen halte, niest das Pferd und ich lache. Zusammen machen wir uns auf den Weg zurück. Im Hof wird Dalia natürlich sofort bemerkt und es wird nach den Stallburschen gerufen.

» Ich danke dir «, sage ich und drücke ihr einen Kuss auf die weiße Blesse auf ihrer Nase,

» Ich hoffe nur, es klappt «. Dalia wiehert leise und stupst mich sanft an, als wollte sie mich ermutigen. So laufe ich langsam durch das Tor und die große Halle zu den Treppen nach oben. Ohne etwas zu verschütten, schaffe ich es in das Zimmer, in dem mein Körper ruht. Trumpkin und die Heilerin sind verschwunden. Besser so, sie würden sich sowieso fragen, wieso ich plötzlich wieder so nass bin. Ich setze mich auf das Bett und halte die Muschel über meinen Kopf. Oh Aslan, bitte lass es funktionieren. Was sollte ich denn sonst tun? Vorsichtig kippe ich die Schale und das Meerwasser tropft auf die Stirn meines Körpers. Nach und nach gieße ich alles aus und sehe zu, wie das Wasser über mein Gesicht rinnt. Als es Nase und Mund erreicht, fange ich plötzlich an zu husten. Im nächsten Moment wird alles schwarz. 



A/N
Hey ihr Lieben,

im Moment geht es rasch voran. Was sagt ihr zu diesem Kapitel? Wie gefällt euch die Idee von Luna, wie sie aufwachen möchte? Glaubt ihr, es funktioniert?

Kleines Funfact: Ich nenne solch eine Jakobsmuschelschale mein Eigen und bin so auf diese Idee gekommen. Sammelt noch jemand Muscheln oder Steine? ^^

Liebe Grüße
Lola




Die Reise des Löwen | Eine narnianische GeschichteWhere stories live. Discover now