Lied

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Das sanfte Schaukeln der Morgenröte in den Wellen macht mich langsam schläfrig

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Das sanfte Schaukeln der Morgenröte in den Wellen macht mich langsam schläfrig. Nun da der Schrecken der Dunklen Insel besiegt ist, kann ich mir erlauben, nicht ständig auf der Hut zu sein. Das Meer liegt offen vor uns und bereits mehrere Tage hinter uns die Insel des Sterns. Jedoch steuert Drinian nicht Richtung Narnia zurück, sondern weiter gen Osten. Das allerletzte Ziel unserer Reise liegt nun in greifbarer Nähe. Das Ende dieser Welt und damit Aslans Land müssten wir bald erreichen. Einige der Narnianen haben es vorgezogen, auf der Insel des Sterns zu bleiben und erst wieder an Bord zu kommen, wenn wir Segel nach Narnia setzten. Im Moment hängt der violette Stoff mit dem goldenen Leu allerdings lasch am Mast herunter. Kein Windhauch bläht das Segel, kein Ruder taucht ins Wasser und doch bewegt sich das Schiff stetig vorwärts. Eine rasche Strömung trägt es der Sonne entgegen. Wohl wahr, das Licht wird immer heller und von Tag zu Tag essen wir weniger. Wir brauchen nur das mittlerweile süße Wasser des Meeres. Reepicheep wird immer aufgeregter und singt beinahe unablässig sein Liedchen.


» Wo der Himmel und das Meer sich küssen,

wo die Wellen sich versüßen,

dort, Reepicheep, das sollst du wissen,

wirst, was du suchst, du finden müssen.

Nach Osten sollst du Segel hissen «

(Die Chroniken von Narnia – Die Reise auf der Morgenröte, Kapitel An Bord der Morgenröte,Seite 22)


Die große Maus steht ganz vorne am Bug, zwischen den Hörnern des Drachenkopfes und summt vor sich hin. Leise, um ihn nicht zu stören, klettere ich hinter Reepicheep die Leiter zum Ausguck im Maul des Drachenkopfes hoch. Doch natürlich hören mich die hervorragenden Ohren des Mäuserichs.

» Milady «, piepst er und neigt den Kopf. Ich erwidere diese Geste und schenke meinem Gegenüber ein Lächeln.

» Was meinst du, Reep, wie sieht Aslans Land aus? «, frage ich nach einer kleinen Weile des Schweigens.

» Oh, ich denke nicht, dass sich unsereins das vorzustellen vermag «, antwortet der Angesprochene,

» Ich denke, es ist vielmehr unglaublich und wunderschön. Eine süße Überraschung für jeden, der dorthin kommt «.

» Wohl wahr «, murmle ich. Eine weitere Frage liegt mir auf der Zunge, doch ich wage nicht, sie auszusprechen. Niemand hat das bisher gewagt. Ramandu – der Vater der Sternenfrau Liliandil – sagte uns, dass die drei schlafenden Lords nur erwachen würden, wenn wir bis zum äußersten Ende der Welt segelten und dort mindestens ein Mitglied unserer Gruppe zurückließen. Keiner von uns hat bisher ein Wort darüber verloren und niemand weiß, wer schließlich dort bleiben wird. Allerdings habe ich einen Verdacht. Reep redet schon so lange von Aslans Land und wie gerne er es sehen möchte, dass mir schmerzlich bewusst wird, dass er genau das vorhaben könnte - zurückgelassen zu werden. Ich bin nicht sicher, ob ich das übers Herz bringen würde. Diese edle und tapfere Maus ist einer meiner längsten und besten Freunde. Vielleicht ist auch gerade das der Grund, warum ich ihn ziehen lassen muss. Damit er sich seinen größten Wunsch erfüllen kann und das, ohne wissen zu müssen, dass sein Tun seine Freunde tief betrübt. Ich seufze leise und schiebe diese Gedanken beiseite. Ich möchte nicht darüber nachdenken. Vielmehr möchte ich das zur gegebenen Zeit entscheiden.


Am Abend sitzen wir zusammen unter Deck in dem kleinen Salon. Eustachius und Reep unterhalten sich über das voranschreitende Training des Cousins der beiden Majestäten aus alter Zeit. Der Drachenjunge wird immer besser und das nicht nur im Schwertkampf, sondern auch im charakterlichen Sinne. Offener, fröhlicher und durchaus für Scherze zu haben. Lucy erzählt Kaspian gerade irgendetwas, während ich Edmund zuhöre. Er spricht über die goldene Zeit, als Aslan oft in Narnia zugegen war.

» Früher haben wir genauso gerne Schach gespielt wie heute «, sagt er gerade,

» Früher...das hört sich so an, als wäre ich steinalt. Dabei bist du doch älter als ich «. Ed zwinkert mir zu und wir lachen ausgelassen. Mein Blick fällt auf Kaspian auf der anderen Seite des Tisches. Er sieht mich an und hat die Stirn leicht gekräuselt. Mir vergeht das Lachen augenblicklich, doch behalte ich ein Lächeln bei und lege den Kopf schief. Daraufhin scheint ihm die Situation bewusstzuwerden und schüttelt unmerklich den Kopf. Lucy und Edmund reden währenddessen munter weiter. Letzterer erzählt gerade von dem Besuch in Kalormen. Seine ältere Schwester Susan, die Sanfte, und der Sohn von König Lune von Archenland, Corin, und er selbst natürlich waren beim Tis'roc und einem seiner vielen Söhne zu Gast. Dieser Sohn wollte anscheinend Susan zur Frau haben. Als sie dies allerdings ablehnte und zurück nach Narnia floh, verfolgte er sie mit einem großen Heer. Ein Junge, ein Mädchen und zwei Pferde aus Kalormen warnten Narnia vor der herannahenden Streitmacht und nur so konnte Narnia Kalormen besiegen. Der Junge – so stellte sich schließlich heraus – war der ältere Zwillingsbruder von Corin, Cor, und wurde später König über Archenland. Er heiratete das Mädchen namens Aravis, mit dem er gekommen war. Die beiden Pferde waren sprechende Pferde und auch sie fanden einen Platz in Narnia, wo sie fortan lebten. Der Sohn des Tis'roc allerdings wurde von Aslan selbst bestraft, indem er in einen Esel verwandelt wurde. Aslan aber ließ Gnade vor Recht ergehen und gab dem Prinz die Möglichkeit, seine alte Gestalt zurückzuerlangen. Dazu musste er an einem bestimmten Tag in den Tempel Tashs – das ist der Gott, den die Kalormenen verehren – gehen und durfte sich davon nicht mehr weit entfernen.

» Ihr habt wirklich allerhand erlebt «, stelle ich fest.

» Oh, nicht mehr und nicht weniger als wir hier mit euch schon erlebt haben «, erwidert Edmund und lacht,

» Und ich bin gespannt, was uns noch so erwartet «.

Die Reise des Löwen | Eine narnianische GeschichteWhere stories live. Discover now