Meerjungfrauen

2.4K 111 14
                                    

Am Abend haben wir die Insel noch nicht ganz erreicht

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

Am Abend haben wir die Insel noch nicht ganz erreicht. Ich stehe auf dem kleinen Balkon meiner Kajüte, von dem aus man auf das blicken kann, was hinter der Morgenröte liegt. Das Meer ist ruhig, nur wenige Wellen schieben das Schiff vor sich her. Ich beobachte eine Gruppe Meerjungfrauen, die sich einen Spaß daraus macht, im Fahrwasser zu spielen. Sie sind wunderschön. Langes, glänzendes Haar, strahlende Augen, glatte Haut und statt der Beine einen schillernden Schwanz mit einer prächtigen Flosse. Da gibt es rote Schuppen, grüne, blaue, gelbe, violette und viele andere Farben. Jede schillert in den letzten Strahlen der langsam untergehenden Sonne einzigartig. Die Meerwesen haben mich schon lange bemerkt, lachen fröhlich und winken mir immer wieder zu. Ich wünschte fast, eine von ihnen zu sein und auch ein solch unbeschwertes Leben führen zu können. Das Wasser hat mich schon immer fasziniert. Darin zu leben ist sicher ein ganz anderes Gefühl als auf dem Land. Ich höre Schritte in der Kajüte, dennoch drehe ich mich nicht um. Vermutlich ist es nur Lucy. Als die Königin der goldenen Zeit auch auf den Balkon tritt, sehen die Meerjungfrauen hoch.

» Ein Mensch! «, ruft eine und alle tauchen nacheinander unter. Verwirrt sehe ich ihnen hinterher. Sie haben mich doch gesehen und ich bin auch ein Mensch. Seltsam.


» Ach, hier bist du «, sagt eine Stimme, die definitiv nicht Lucy gehört. Ich zucke unmerklich zusammen, als eine Hand meinen Arm streift und sich der Besitzer der Stimme neben mich an die Reling stellt. Bedächtig wende ich ihm das Gesicht zu.

» Wo sollte ich denn sonst sein? «, frage ich spielerisch. Kaspian lächelt

» Vielleicht irgendwo, wo es gefährlicher ist? «. Es war nicht wirklich eine Frage, trotzdem schüttle ich den Kopf

» Ich begebe mich nur in Gefahr, wenn es nicht anders geht. Meine Aufgabe ist es nun einmal, auf andere Acht zu geben. Und ich nehme meine Aufgaben sehr ernst «.

» Das weiß ich doch «, murmelt er, während mein Blick in die Ferne schweift. Mir entgeht nicht, dass mich der König immer wieder mustert.

» Gehen wir bald an Land? «, frage ich, um die unangenehme Stille irgendwie auszufüllen.

» Drinian sucht gerade nach einem passenden Ankerplatz «, antwortet Kaspian. Wieder Stille. Eine leichte Brise kommt auf und kräuselt die Wasseroberfläche.

» Luna «, setzt er nach einer Weile an. Seinem Tonfall merke ich an, dass er etwas Wichtiges zu sagen hat. Also wende ich mich ihm zu und schon fangen seine Augen meinen Blick auf und halten ihn fest.

» Weißt du, warum ich bisher nie nach einer Königin gesucht habe? «, fragt er schließlich.

» Weil du stets für dein Land und Volk da bist. Und das ist gut so «, antworte ich entschlossen auf seine doch etwas eigenartige Frage. Kaspian wiegt den Kopf hin und her

» Das auch. Doch vor allem, weil mein Herz bereits einem wunderschönen Mädchen gehört «, seine linke Hand legt sich auf meinen Rücken und seine rechte streicht über meine verschränkten Finger, die auf der Reling ruhen. In meinem Kopf herrscht ein heilloses Durcheinander. Warum sagt er mir das? Oder ist es tatsächlich so offensichtlich? Was soll ich tun, was erwartet er von mir? Mein Herz gerät aus seinem üblichen Takt und klopft heftig gegen meinen Brustkorb.

» Es gehört dir «, sagt Kaspian schließlich,

» Seit du damals die kalormenische Verkleidung ablegtest «. Mit großen Augen sehe ich ihn an und er sieht mich an. Erst nach einigen Sekunden begreife ich, was hier vor sich geht...dass er das wirklich gesagt hat. In diesem Moment verstehe ich, was es mit den scheuen Blicken, flüchtigen Berührungen und diesem eigenartigen Kribbeln auf sich hat. Es ist, als ob mir Schuppen von den Augen fallen würden. Sogleich breitet sich ein glückliches Lächeln auf meinem Gesicht aus und mein Herz schlägt Purzelbäume.

» Ich erinnere mich gut an jene Lichtung «, flüstere ich. Nun lächelt auch er. Die Windböe weht um uns herum und spielt mit seinen offenen, nicht ganz schulterlangen Haaren.

» Ich habe mich in dich verliebt, Luna «, flüstert er, beugt sich ein wenig herunter und legt seine Lippen vorsichtig auf meine. Sie sind weich, warm und unsagbar sanft. Wie ein Schmetterling. Seine Arme ziehen mich an der Taille näher an sich heran. Ich lege meine Hände auf seine Brust. Mir wird abwechselnd heiß und kalt. Flüssiges Feuer scheint durch meine Adern zu fließen und ein Feuerwerk in meinem Bauch zu veranstalten. Das ist zu viel auf einmal. Ich kann mit mehreren Gegnern gleichzeitig kämpfen, aber so etwas? Im selben Moment noch wird mir klar, dass ich auf so etwas gehofft habe und mir wie jedes Mädchen genau so etwas gewünscht habe. Zumindest tief in meinem Herzen.


Atemlos lösen wir uns voneinander und unsere Hände verschränken sich ineinander. Noch immer hänge ich an seinen dunkelbraunen Augen als wären sie ein lebensrettender Ring. Gerade geht die Sonne unter. Der rote Feuerball verschmilzt am Horizont mit dem weiten Blau des Meeres. Ein wahrhaft wunderschöner Moment, den wir gemeinsam erleben. Nun sehe ich wieder Kaspian an. Er verfolgt den Sonnenuntergang mit leicht zusammengekniffenen Augen.

» Du bedeutest mir sehr viel «, hauche ich,

» Seit du damals an meiner Schulter schliefst «. Sein Blick schnellt zu mir. Ein überraschtes Lächeln ziert seine Lippen, die kurz darauf wieder die meinen verschließen.

Die Reise des Löwen | Eine narnianische GeschichteWhere stories live. Discover now