Coreakin

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Ich wandere ohne Rast in dem Raum auf und ab

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Ich wandere ohne Rast in dem Raum auf und ab. Jede verrinnende Minute fühlt sich an wie eine Stunde. Lucy ist bereits einige Zeit weg. Kein Geräusch kommt von oben. Weder Stimmen, noch Schritte. Mittlerweile haben sich die seltsamen Unsichtbaren schlafen gelegt. Sie liegen irgendwo draußen im Garten im weichen Gras. Ein paar Matrosen haben es sich auf den Bänken gemütlich gemacht, die in einer Nische neben der Treppe stehen, und dösen vor sich hin. Kaspian und Edmund sitzen mit verschränkten Armen da und starren gedankenverloren vor sich hin. Die einzige Bewegung zeigt Edmund. Seine Fußspitze tippt unablässig auf den Boden. Da plötzlich tut sich etwas. Ich sehe durch die weit geöffnete Tür nach draußen und siehe da, dort wachsen seltsame Pilze aus dem Boden. Der Schirm und der Stiel ragen ungefähr drei Fuß in die Höhe. Doch damit ist es noch nicht zu Ende. Unter den Pilzen liegen kleine Bündel.

» Was... «, setze ich an, werde jedoch von Edmund unterbrochen.

» Lucy! «, ruft der König der alten Zeit, springt auf und umarmt seine kleine Schwester.

» Wo warst du denn so lange? «, fragt Eustachius gespielt beleidigt. Lucy lacht, dann tritt ein alter Mann hinter sie. Sein Haar und sein langer Bart sind grau. Er trägt einen weiten, dunkelblauen Mantel, der aussieht wie der Sternenhimmel.

» Das ist Coreakin «, stellt Lucy ihn vor,

» Ihm gehört diese Insel «. Der Mann verbeugt sich vor Kaspian und Edmund

» Eure Majestäten sind herzlich willkommen. Ihr habt eine lange Reise hinter Euch und vor Euch liegt eine weitere «, er wendet sich zur Treppe,

» Ihr habt viele Fragen, folgt mir «.

» Einen Moment «, sage ich. Coreakin dreht sich zu mir um und schaut mich freundlich an.

» Was sind das für Wesen? «, frage ich und deute auf die Bündel unter den Pilzen.

» Das sind Tölpelbeiner «, lacht er. Ich nicke und folge den anderen nach oben.


Unser Gastgeber führt uns durch einen langen Gang und in einen großen Raum. An der linken Wand stapeln sich etliche Bücher und verschiedenste andere Dinge in hohen Regalen. Da gibt es Fernrohre, Karten, eine Waage, Fläschchen mit bunten Flüssigkeiten, Schalen und vieles sonst. Auf der rechten Seite steht ein sehr gemütlich aussehender Divan mit dunkelblauem Bezug. In der Mitte des Raumes erhebt sich ein viereckiger Tisch aus dunklem Holz. Die Platte wird fast vollständig von einem gelblichen Papier bedeckt, das kein einziger Tintenfleck ziert. Helles Licht fällt durch die Fenster herein und erhellt die ganze Szene. Coreakin tritt an den Tisch und mustert jeden einzelnen. Neben Kaspian, Edmund, Lucy, Eustachius und mir sind auch Drinian und Reepicheep mitgekommen. Die anderen Matrosen warten unten.

» Kapitän, erzählt von Eurer Fahrt hierher «, bittet Coreakin. Drinian verschränkt die Arme vor der Brust und beginnt, unsere Reise zu schildern. Während er spricht, erscheinen auf dem Papier feine Linien, die sich langsam formen. Nacheinander erscheinen Narnia, Archenland, der Norden, Kalormen, Galma, Terebinthia, die Sieben Inseln, die Einsamen Inseln, die Dracheninsel, die Todeswasserinsel und schließlich dieses Eiland – die Insel der Stimmen. Kaspian und Edmund beobachten dieses Schauspiel gebannt. Eustachius starrt mit offenem Mund den Rahmen der magischen Karte an. Dort erscheinen Zeichnungen. Doch sie stehen nicht still, sondern bewegen sich. Faune, Zentauren, Einhörner, Bäume, Waldgeister, Wasserfeen, Meerjungfrauen und viele andere Geschöpfe Narnias scheinen über das Bild zu schweben.

» Ihr seid ein Zauberer «, flüstere ich. Coreakin hat mich dennoch gehört und hebt den Kopf.

» Nun, das auch «, murmelt er in seinen Bart und schmunzelt leicht.


Nachdem Drinian geendet hat, wird unser Gastgeber ernst.

» Ihr seid noch lange nicht am Ziel. Die Karte wird sich mit jeder neuen Entdeckung fortsetzen, von denen es zweifelsohne noch einige geben wird «, meint er und deutet auf das Schwert, das Edmund am Gürtel trägt,

» Von diesen Schwertern existieren sechs weitere «.

» Die sieben Lords von Telmar, waren sie hier? «, fragt Kaspian hoffnungsvoll.

» Vier von ihnen, ja «, der Zauberer nickt.

» Wohin sind sie gesegelt? «, fragt der König weiter.

» Sie wollten zum Ende der Welt, wo sie Aslans Land vermuteten «, erklärt Coreakin und nach kurzem Schweigen fragt er,

» Ich nehme an, das ist auch Euer Ziel? «.

» Natürlich, diesen Anblick will sich wohl keiner entgehen lassen «, piepst Reepicheep neben mir. Kaspian sieht auf die Karte und nickt abwesend. Mit einem Schritt steht unser Gastgeber neben ihm.

» Bevor Ihr dorthin gelangen könnt, müsst Ihr die Dunkle Insel passieren. Um an ihr vorbeizukommen, müsst Ihr das Böse besiegen «, raunt er.

» Was? «, fragt Lucy eingeschüchtert,

» Wie sollen wir das machen? «. Nun kommt der Zauberer auf sie zu.

» Die Schwerter der sieben Lords müssen auf Aslans Tafel niedergelegt werden. Erst dann wird das Böse aufhören, an Stärke zu gewinnen «, erklärt er. Lucy schluckt und sieht ihr Gegenüber mit großen Augen an.

» Der Nebel!? «, ruft Edmund aus. Coreakin wendet sich ihm zu und nickt.

» Ja, das ist ein Auswuchs der Macht hinter diesem Übel, das unbedingt beseitigt werden muss. Sonst wird es nach und nach die ganze Welt überschatten. Vorher müsst Ihr allerdings das Böse in Eurem Herzen erkennen und besiegen «, sagt der alte Mann und sieht mich durchdringend an. Das Böse in meinem Herzen? Ich komme nicht dazu, darüber nachzudenken.

» Was können wir tun? «, fragt Kaspian nun.

» Segelt zur Insel des Sterns, dort wird man Euch weiterhelfen «, erwidert der Zauberer.

» Und welchen Kurs sollen wir nehmen? «, will der Kapitän wissen.

» Folgt dem blauen Stern, er wird Euch den Weg weisen «, antwortet Coreakin. Eine Weile stehen wir schweigend um den Tisch herum. Alle scheinen in Gedanken versunken. Edmunds Gesicht hat einen angewiderten Ausdruck angenommen als würde er sich an etwas Unschönes erinnern. Eustachius ist nach wie vor von den Zeichnungen fasziniert, während Lucy gedankenverloren über die Umrisse von Narnia streicht. Drinian und Reep lassen den Zauberer keine Sekunde aus den Augen und Kaspians Blick verliert sich im Nirgendwo. Ich sehe aus dem Fenster und erstarre. Die Bündel bewegen sich. Sie strecken ihre Arme über die Köpfe und streichen sich die Haare aus den Gesichtern. Dann regen sich auch die Pilze. Sie kippen zur Seite und plötzlich sitzen die Bündel auf ihnen und hüpfen darauf herum. Sofort dröhnt Gestampfe, das vom Gras nur leicht gedämpft wird. Da wird mir klar, dass das gar keine Pilze sind, sondern die Füße dieser Wesen. Wie sagte der Zauberer? Tölpelbeiner? Das sind die Unsichtbaren.

» Das sind sie also? «, fragt Lucy kichernd und beobachtet die Gestalten im Garten.

» Ja, das sind sie, die Einbeiner «, meint Coreakin und lacht ebenfalls. Das steckt an. Auch ich schmunzle vor mich hin und die anderen stimmen nacheinander mit ein. Weggeblasen sind die trüben Gedanken. Zumindest für den Augenblick.

Die Reise des Löwen | Eine narnianische GeschichteWhere stories live. Discover now