Toilettentreffen

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Obwohl Louis wusste, dass Harry während der OP die ganze Zeit in der Nähe war, pochte sein Herz aufgeregt.

Dieses Mal war er es, der die Kommandos gab und entschied, welches Besteck er verwenden wollte, wohl wissend dass sein Chef jeden Handgriff auf dem kleinen Monitor im OP Saal mitverfolgte. Der Zyklops war schnell gefunden und er trug es vorsichtig ab. Manchmal kam es vor, dass sich zwischen Ober und Unterschenkel Narbengewebe bildete, welches dann dazu führte, dass der Patient niemals die volle Streckung im Bein erreichen würde, egal was er auch versuchte. Da half keine Physiotherapie und Krankengymnastik.

Die Augen konzentriert auf den Bildschirm gerichtet, der ihm das Innere des Knies anzeigte, arbeitete Louis weiter und war froh, dass er langsam ganz gut mit dem arthroskopischen Besteck umgehen konnte. Anfangs hatte er sich angestellt, wie jemand, der zum ersten mal im Leben einen Egoshooter spielt – alles war vollkommen unkoordiniert gewesen. Doch mittlerweile verfehlte er nur selten die Gewebefasern.

„Faden und Zange bitte", sagte er nach 30 Minuten und vernähte den kleinen Schnitt wieder. Nur zwei Stiche waren nötig, um die Wunde zu verschließen und als das Pflaster klebte, konnte er endlich erleichtert aufatmen. Er hatte seine erste OP hinter sich gebracht und Harry hatte nicht zu beanstanden gehabt – zumindest nicht im Verlauf des Eingriffs. Ob er ihm im Nachhinein noch etwas sagen würde, stellte sich bestimmt bald heraus.

Louis ging in den Vorraum, legte den OP Kittel ab, warf ihn mit den Handschuhen, dem Mundschutz und der Haube in den Müll, dann desinfizierte er sich nochmal Hände und Unterarme. Harry war die OP Kleidung bereits losgeworden und wartete draußen auf Louis. „Gut gemacht. Ein bisschen wackelig mit dem Besteck war es noch, aber Sie sind auf einem guten Weg. Wirklich gut." - „Habe ich auch alles vom Gewebe erwischt und abgetragen?", fragte Louis unsicher, denn er wusste, dass sein Chef natürlich einen deutlich geschärfteren Blick hatte, als er selbst und vielleicht Dinge sah, die ihm entgangen waren. Harry nickte und antwortete: „Ich hätte eingegriffen, wenn Sie etwas vergessen hätten, glauben Sie mir." - „Ohja, das glaube ich tatsächlich", lachte Louis und stammelte schnell hinterher: „Ich meine, Sie hätten sicherlich keine OP nur zur Hälfte machen lassen. Ich wollte damit nicht sagen, dass Sie ein Kontrollfreak sind oder so." - „So hätte ich es nicht aufgefasst, wenn Sie es nicht gerade gesagt hätten. Manchmal sollte man seine Gedanken bei sich behalten Tomlinson. DAS ist etwa, das Sie noch lernen müssen." Die freundliche Art war verschwunden und der Arzt klang regelrecht angepisst. Louis schluckte hart, weil er ihm nicht zu nahe hatte treten wollen und sagte nichts mehr, stattdessen machte er einen Abstecher zur Toilette, um Harry kurz aus dem Weg zu gehen.

„Man, kannst du nicht einmal die Klappe halten?", rügte er sich selbst, nachdem er sich in einer Kabine eingeschlossen hatte und lehnte sich gegen die Wand. Sein Mund war so oft schneller, als sein Kopf, das ging ihm so dermaßen auf die Nerven. „Lou?", kam es aus der Kabine neben ihm und die Klospülung ging. „Niall?" - „Ja. Was fluchst du denn? Ist was passiert?", fragte der Ire und öffnete seine Kabinentür. „Lass mich mal rein", zischte er und Louis öffnete seine Tür. Für zwei ausgewachsene Männer war es ziemlich eng hier drin und er setzte sich im Schneidersitz auf den Klodeckel. Das hatte zudem noch den Vorteil, dass man nur ein Paar Füße in ihrer Kabine sehen konnte. „Ich hab Styles gerade indirekt als Kontrollfreak bezeichnet und jetzt ist er glaube ich sauer." - „Och Louis, wie willst du je bei dem landen, wenn du dich ständig bei ihm in die Nesseln setzt?" Frustriert ließ Louis seinen Kopf nach hinten fallen und betätigte so versehentlich die Klospülung: „Aber ich will doch gar nicht bei ihm landen. DU willst, dass ich das tue." - „Ja, weil man dich manchmal zu deinem Glück zwingen muss, mein Freund." - „Apropos Glück. Hast du meine Akte bekommen? Dr Styles hat uns ne andere Wohnung gefunden. Ich hab dir alle Infos in eine leere Aktenmappe gelegt und zukommen lassen. Styles meinte, wir würden für unsere viel zu viel bezahlen und hat einen Immobilienmakler an der Hand, der uns eine bessere freihält. Wir müssen uns nur noch entscheiden." Niall nickte, sah aber nicht so aus, als wollte er unbedingt jetzt über eine neue Wohnung reden. „Findest du es nicht ein wenig verschwendete Energie, wenn wir jetzt umziehen? Wir sind nur noch ein halbes Jahr hier, dann willst du ins Ausland und ziehst sowieso weg. Wieso sollten wir uns jetzt den Stress mit einem Umzug noch geben?" - „Wir könnten Geld sparen, das wir später vielleicht brauchen", überlegte Louis und Niall nickte: „Ja, da hast du allerdings recht. Aber der Umzug kostet auch Geld. Wir brauchen einen Umzugswagen, der wird sicher nicht billig sein." - „Wir könnten das Auto von Liam Payne bekommen. Dem Physiotherapeuten aus der Rehaabteilung." Niall nickte mit kritisch zusammengezogenen Augenbrauen. Begeistert sah er nicht aus. „Was ist? Magst du Liam nicht?", fragte Louis und Niall vollführte mit dem Kopf eine Mischung aus Nicken und Kopfschütteln: „Doch schon. Aber das ist doch der Veganer oder? Ich hab mit dem zweimal Mittagspause gehabt und er hat versucht mich von synthetischem Fleisch zu überzeugen. Ich weiß nicht, ob ich von Jemandem das Auto ausleihen will, wenn er so komische Sachen isst. Solchen Menschen ist nicht zu trauen." - „Wir leihen doch nur sein Auto, was soll daran schlimm sein?", lachte Louis amüsiert darüber, dass Niall den Verstand mancher Leute an ihrem Essverhalten festmachte. „Keine Ahnung. Vielleicht darf man mit dem Wagen dann nur 30 fahren, weil das sonst zu umweltschädlich ist oder sowas. Keine Ahnung." Einen Augenblick sahen sie sich ernst an, dann mussten beide lachen und Niall umarmte Louis: „Ich seh mir deine „Akte" gleich mal an und geb dir Bescheid, okay? Ich weiß ja, dass du deswegen sicherlich schon auf heißen Kohlen sitzt. Liege ich richtig?" Louis nickte, erwiderte die Umarmung und folgte Niall aus der Kabine.

Draußen liefen sie Zayn Malik in die Arme, der gerade in den Raum gekommen war und sie amüsiert fragend ansah: „Wir mussten was besprechen", sagte Niall rasch und Zayn nickte nur grinsend: „Klaaar. Das müssen wir doch immer...auf der Toilette. Zu zweit. In einer Kabine." Er zwinkerte: „Ich hab nichts gesehen." Und mit diesen Worten verschwand er hinter einer Tür. Louis vergrub das Gesicht in den Händen und seufzte nur.

Wenn jetzt auch noch das Gerücht die Runde machte, er und Niall hätten was miteinander, würde er sich erschießen müssen.

Heute war ein komischer Tag.

Six Months • Part IWhere stories live. Discover now