Imbusschlüssel

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Tatsächlich stellte sich Harry mit Imbusschlüssel und Schraubenzieher nicht sonderlich geschickt an. „Ich bin nicht so der Grobmotoriker", stellte er ernüchternd fest, nachdem er zum wiederholten Male eine Schraube in die falsche Richtung gedreht hatte und warf das Werkzeug weg. „Ach komm, es ist doch nie zu spät um etwas Neues zu lernen." Mit einem motivierenden Lächeln, das er sicherlich bei den Kindern in der Kita perfektioniert hatte, nahm Ed den Schraubenzieher und drückte ihn Harry wieder in die Hand. „Wir machen das gemeinsam, dann klappt das schon."

Und tatsächlich ließ sich Harry überzeugen und baute mit Ed gemeinsam ein kleines Sideboard in Nialls Zimmer ab. Louis war unterdessen bei sich damit beschäftigt, ein Regal auseinander zu schrauben, was weitaus komplizierter war, da es aus vielen Einzelteilen bestand. Ab und zu war ein lautes Lachen aus Nialls Zimmer zu hören und er freute sich, dass Harry offenbar seinen Spaß hatte. Den Geräuschen nach zu urteilen, verlief ihre Arbeit gut und unfallfrei. Sie waren sogar schneller fertig, als Louis. Nachdem die Einzelteile in der Küche aufgeschichtet worden waren, tauchten die beiden in seinem Zimmer auf, um zu sehen, was sie helfen konnten. „Ich trage schon mal die Sachen runter!", rief Ed und ließ Harry und Louis allein.

„Brauchst du Hilfe?", fragte Harry, blieb in der Tür stehen und wedelte unsicher mit einer Zange herum. Sie passte so gar nicht in seine Hände. Louis war es gewohnt, seinen Chef mit feinem OP Besteck hantieren zu sehen und nicht mit so schweren Geräten. „Ja, du kommst genau richtig, könntest du diese Schraube lösen? Dann kann man das oberste Regal nämlich abnehmen. Ich komme aber irgendwie nicht dran", bat Louis und stellte sich auf die Zehenspitzen, um das oberste Brett vor einem Absturz zu bewahren, sobald die letzte Schraube gelöst war. „Ich sehe mal, was ich tun kann." Harry stellte sich hinter ihn und streckte sich ein wenig, um die Schraube zu erreichen. Dabei berührte sein Bauch Louis' Rücken und ein angenehmer Schauer durchfuhr ihn. „Alles gut?", fragte Harry, ganz nah an seinem Ohr, denn natürlich hatte er das Zittern gespürt. „Ja, alles okay", krächzte Louis und biss sich rasch auf die Lippe. Harry war ihm so nah, so verdammt nah, dass er sein Aftershave riechen konnte und es benebelte seine Sinne komplett. „Die ist aber auch wirklich hartnäckig...ich habs aber gleich..." Hoffentlich war er gleich fertig, hoffte Louis, denn die Nähe war kaum mehr auszuhalten. Die Körperwärme, die Harry abstrahlte, war angenehm und am liebsten hätte er sich gegen ihn gelehnt. „So, jetzt müsste es sich lösen", sagte Harry und half Louis dabei, das lange Regalbrett auf den Boden zu legen. „Danke fürs Helfen. Den Rest kann ich ja dann auch allein machen." Louis sah Harry an, dessen Wangen ein wenig gerötet waren und räusperte sich verlegen. „Okay...ähm..soll ich dann noch was anderes auseinander bauen?" - „Der kleine Tisch dahinten. Da müssen die Beine weg." Harry nickte und sah das kleine Tischchen an, als sei es die Herausforderung seines Lebens: „Gut, dann versuch ich das mal allein." - „Viel Glück."

Louis konnte einfach nicht anders, als ihn zu beobachten. Zwar tat er so, als sei er beschäftigt, doch sein Blick huschte immer wieder zu Harry hinüber. Der war vor dem Tisch in die Hocke gegangen, drehte ihn um und besah sich die Unterseite. Ziemlich planlos drehte er das kleine Möbelstück auf der Suche nach den Schrauben und sah fast schon ein wenig verzweifelt aus. Louis wusste, dass er niemals um Hilfe bitten würde, denn dazu war der Arzt einfach zu stolz und so sagte er irgendwann schmunzelnd: „Du musst die Tischbeine einfach drehen, dann gehen sie ab. Einen Schraubenzieher brauchst du da nicht." - „Aha..." Harry versuchte es und tatsächlich hatte er nach wenigen Sekunden das erste Tischbein in der Hand. „Oh, das war leichter, als gedacht", gab er dann zu, fing Louis Blick auf und beide mussten lachen. „Ich stelle mich wirklich dumm an, oder? Aber ich habe noch nie wirklich Möbel zusammen- oder auseinandergebaut. Bei meinen Umzügen hatte ich immer so viel zu tun, dass ich meist Möbelpacker hatte, die das erledigt haben." Louis zuckte mit den Schultern und sah Harry direkt an, dann sagte er leise: „Solange du weißt, wie man Knie zusammenschraubt, ist doch alles in Ordnung." Einen Moment schwiegen sie und sahen sich nur an. Louis, der an der Wand stand und Harry, der am Boden kniete. Es hing in der Luft, dass sie noch etwas sagen wollten, doch Louis wusste nicht genau was, obwohl es ihm auf der Zunge lag, bekam er weder die Worte, noch den Gedanken zu fassen und Harry schien es nicht anders zu gehen. „Ich trage dann mal die Sachen hier raus in die Küche...wenn du magst, kann ich dir dann nochmal zur Hand gehen." Er räusperte sich und fuhr sich durch die Haare, bevor er sich umständlich vom Boden hochrappelte. Hatte er nicht gesagt, dass das Wetter umschlug und sein Knie deswegen wehtat? „Warte, ich mach das. Dein Knie tut doch weh, setz dich doch kurz hin und mach eine Pause, bis die anderen zurück sind", sagte Louis schnell, nahm alle Einzelteile des Tischchens und trug sie in die Küche, noch bevor Harry protestieren konnte. Draußen traf er auf Ed: „Du Jungs sind zurück. Ich glaube wir kriegen mit der nächsten Fuhre alles mit. Ich helfe schon mal beim Laden, bis du das letzte Regal auseinander geschraubt hast....vielleicht kann Harry dir ja dabei helfen." Ob Niall Ed mit seiner Begeisterung für Harry und Louis angesteckt hatte, wusste er nicht. Vielleicht war es auch nur Zufall, dass der Rothaarige sie beide allein ließ, vielleicht beabsichtigte er auch etwas damit. Louis konnte es nicht sagen. Doch was er sagen konnte, war, dass sein Herz klopfte, als er zurück in sein Zimmer kam und wusste, dass er mit Harry noch eine kleine Weile allein sein würde.

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