Auf gehts!

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Im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich ziehe heute um nach Salzburg. Zwar nur für sechs Wochen, aber bei mir gilt heute auch "auf gehts"

LG

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„Wie sind Sie denn eigentlich ins Haus gekommen?", fragte Niall neugierig und musterte den Arzt, der irgendwie überhaupt nicht in ihre kleine Küche passte. „Der Imbiss unter euch bekam gerade eine Lieferung und die Haustür stand offen", antwortete er und ließ den Blick dabei durch den Raum schweifen. Man konnte an seinem Gesichtsausdruck nicht ablesen, ob er die Wohnung nun als schäbig oder akzeptabel empfand. „Ich hole nur schnell noch meine Sachen, dann können wir los", sagte Louis und öffnete seine Zimmertür. Hier drin war es schon dämmrig und er knipste das Licht an, um sein Handy und den Geldbeutel zu finden. Als das Licht aufflackerte, war er froh, dass er die Tür hinter sich geschlossen hatte und allein im Raum war, denn der ganze Krempel, der vorhin in der Küche herumgestanden hatte, lag nun bei ihm im Zimmer auf dem Boden. Niall hatte einfach alles zu ihm geschoben. Kein Wunder, dass er so schnell fertig gewesen war. Louis verkniff sich ein Grummeln, steckte seine Sachen ein und schob sich dann wieder hinaus in die Küche, wobei er versuchte, die Tür so wenig wie möglich zu öffnen. Dr Styles sollte das Chaos darin nicht sehen. Mit einem vielsagenden Blick zu Niall, gab er diesem zu verstehen, dass die Aktion ein Nachspiel haben würde, doch der Ire schien ganz unbesorgt und sagte nur: „Dann wünsche ich euch beiden mal viel Spaß heute Abend." - „Danke, den werden wir haben", antwortete Styles und ging vor Louis aus der Wohnung, was ihm genug Zeit gab, Niall einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. Doch außer einem breiten, unschuldigen Grinsen bekam er nichts zurück.

Die Treppe knarrte, als sie die Stufen herunterstiegen und Louis war froh, als sie das Haus verlassen hatten. Es war ihm bisher nie aufgefallen, dass der Putz im Hausflur abbröckelte, oder das Treppengeländer so locker befestigt war, dass man sich daran lieber nicht festhalten wollte. Auch den Dreck, der sich im Laufe der Jahre in den dunklen Ecken angesammelt hatte, hatte er nie bemerkt. Aber nun, da er seinen Chef bei sich hatte, schien sein Auge geschärft für solche Dinge zu sein und es war ihm sehr unangenehm, dass Dr Styles dieses Haus von Innen gesehen hatte.

Als sie im Wagen saßen und die Straße hinunterfuhren, blickte der Arzt in den Rückspiegel und sagte dann: „Sie müssen aus diesem Haus ausziehen. Ich habe nur einen Teil gesehen, aber so wie das aussieht, sollte man es dringend renovieren und es würde mich nicht wundern, wenn es in den Wänden Schimmelbefall gibt. Sie wissen, dass das nicht gut ist." - „Ja, die Schimmelsporen setzen sich in der Lunge ab, was zu Asthma und Atemproblemen führen kann. Ich habe auch Medizin studiert, wissen Sie?", gab Louis zurück und klang dabei grummeliger, als er es beabsichtigt hatte. „Entschuldigen Sie, ich hab das nicht so gemeint. Es... es ist mir nur sehr unangenehm, dass Sie das Haus von Innen gesehen haben." - „Das muss es nicht. Jeder von uns hat mal in einer Bruchbude gelebt und das ist keinesfalls verwerflich. So lernt man wenigstens zu schätzen, was man hat. Aber nun, da ich diese Wohnung gesehen habe, werde ich mich schleunigst darum kümmern, dass Sie und Mr Horan etwas neues bekommen. Das kann so nicht bleiben. Ich brauche einen gesunden Assistenzarzt." Louis fand es sehr nett von Dr Styles, dass er sich für sie einsetzen wollte, aber der Wohnungsmarkt in Brimingham war vollkommen leergefegt und es gab nichts, was in ihrem Preissegment lag. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie es dem Arzt gelingen sollte, eine Wohnung zu finden und das sagte er ihm auch. „Machen Sie sich darüber keinen Kopf. Ich hatte Ihnen doch schon gesagt, dass ich einen guten Freund habe, der Immobilienmakler ist. Der hat genug Wohnungen in petto, die für sie beide in Frage kommen und wenn ich mit ihm rede, dann kommt er euch mit dem Preis sicherlich entgegen. Geben Sie mir ein paar Tage Zeit, dann habe ich das geregelt." - „Danke", nuschelte Louis und sah verlegen auf seine Hände.

Sie sprachen nicht viel, bis sie auf der Schnellstraße waren. Der Verkehr war noch recht dicht, aber sie kamen trotzdem gut voran. Louis würde sich gerne unterhalten, hatte aber keine Ahnung, worüber. Schließlich kannte er seinen Chef nicht gut genug um etwas Privates zu fragen. Da blieb eigentlich nur der Job über den man reden konnte. „Ich habe übrigens Sitzplatzkarten. Ich hoffe, das ist in Ordnung für Sie, aber langes Stehen auf einem Fleck ist für mich und mein Knie nicht sonderlich gut", sagte der Arzt irgendwann und lieferte damit Louis endlich Material für eine Frage: „Was haben Sie denn mit Ihrem Knie?" Styles seufzte kurz bevor er antwortete, dann sagte er: „Ich habe mir vor 15 Jahren bei einem Skiunfall das Kreuzband im linken Knie gerissen, das Außen- und Innenband angerissen und zwei Menisken zerfetzt. Damals war die Technik noch nicht so weit wie heute. Das Knie ist zwar wieder funktionsfähig, aber leider nicht mehr so gut, wie es hätte werden sollen. Wenn das Wetter umschlägt, habe ich Schmerzen und langes Stehen tut dem Bein auch nicht gut. Außer der Physiotherapie bei Liam kann ich nichts tun, um den Zustand zu verbessern. Ich muss eben damit leben." - „Könnte man das nicht nochmal operieren?", fragte Louis und war froh, ein Gesprächsthema gefunden zu haben, das sich irgendwo zwischen Beruflich und Privat bewegte. „Wieso sollte man? Das Band ist stabil und gut eingewachsen. Die Menisken sind im Eimer, aber die waren auch ziemlich durch, da hätte man auch mit der heutigen Technik nicht viel machen können. Das Problem sind die Schrauben. Die waren damals recht lang und groß und sind eben ein Fremdkörper, der sich mit dem Knochen nicht verträgt. Die Klammern, die wir heute benutzen, sind da verträglicher. Aber irgendwie muss man eben alles fixieren." Louis nickte und sah kurz aus dem Fenster. Schrauben im Knie zu haben war nicht gut, das hatte er schon im Studium gelernt. Manche Schrauben sollten sich nach einigen Jahren selbst auflösen, doch manchmal geschah das nicht und es blieben Rückstände übrig, die dann zu Beschwerden führen konnten. „Könnte man nicht ohne Schrauben operieren?", fragte er, doch sein Chef lachte: „Und wie wollen Sie das Band befestigten? Kleben geht nicht, dazu ist es zu starker Zugkraft ausgesetzt und vernähen lässt es sich im Knochen nicht, vergessen Sies." Vergessen würde er das sicherlich nicht. Für jedes Problem gab es eine Lösung und die Medizin entwickelte sich ständig weiter. Wieso sollte es also in Zukunft keine andere Befestigungsart geben? Man musste nur darüber nachdenken.

Sie erreichten Manchester etwa 30 Minuten vor Beginn der Show, was nicht schlimm war, da sie ja Sitzplätze hatten. Nachdem sie das Auto in einem Parkhaus abgestellt hatten, mussten sie nicht lange warten, bis sie in die Konzerthalle kamen, denn die Warteschlange war sehr kurz.

In der Arena war es voll, recht stickig und das Summen aufgeregter Stimmen lag in der Luft. Als Louis die steile Treppe sah, die hinauf zu ihren Plätzen führte, hielt er Dr Styles zurück: „Wollen Sie was trinken? Ich besorge uns was. Bevor wir uns jetzt hier zu unseren Plätzen kämpfen und dann nochmal zurück müssen." Zum ersten Mal, sahen sie sich richtig ins Gesicht und Louis glaubte, in den Augen seines Chefs kurz ehrliche Freundlichkeit aufflackern zu sehen. „Ja, ein alkoholfreies Bier und wenn es das nicht gibt, eine Cola. Hier ist Ihre Karte, damit Sie den Weg auch allein finden." Er gab Louis das Konzertticket, nickte ihm rasch zu und wandte sich dann ab, um die Treppen zum Rang hinaufzusteigen.

Six Months • Part IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt