Luft ablassen

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Hallo,

ist euch eigentlich aufgefallen, was es mit den Titeln der Kapitel auf sich hat? Da hab ich mir was ganz Raffiniertes ausgedacht ;-)

LG

.-.-.-.-.

„Er. Kann. Mich. Nicht. Leiden." Frustriert fuhr Louis sich durch die Haare und trank den letzten Schluck Wasser aus der Flasche, bevor er sie im hohen Bogen in einen Mülleimer direkt von dem Krankenhaus beförderte. „Es ist ja nicht so, dass ich mich nicht anstrengen würde oder so. Der Kerl ist einfach ein Sadist. Es macht ihm Spaß, mich durch die Gegend zu scheuchen und zu sehen, wie ich mich abmühe und ich wette mit dir, dass er nur darauf wartet, dass ich einen Fehler mache. Vermutlich will er die Zahl der Praktikumsabbrecher halten." Niall sagte nichts, sondern hob nur eine Augenbraue. „Was?", motzte Louis und Niall kicherte: „Nichts, ich hab nur abgewartet, ob noch mehr kommt. Bist du jetzt fertig damit, über deinen Chef herzuziehen?" - „Ja, ich glaube schon." Louis seufzte und sah auf seine Uhr: „Wollen wir los, der Bus kommt in zehn Minuten." es war klar, dass Niall keine Lust hatte, sich noch weiterhin Louis' Gemecker anzuhören. „Willst du vielleicht wissen, wie mein erster Tag so gelaufen ist?", fragte er und Louis nickte: „Ja, sorry, dass ich nicht nachgefragt habe, aber der Typ stresst mich einfach...."

Ein lautes Quietschen von Reifen, ließ die beiden zusammenzucken und sie sahen auf. Ohne auf den Verkehr zu achten, hatten sie eine Straße überqueren wollen und waren beinahe vor ein Auto gelaufen. Wie zwei verschreckte Rehe blieben sie stehen und starrten auf den dunkelblauen Audi. Mr Styles saß hinterm Steuer und hob eine Augenbraue, dann winkte er sie über die Straße und gab wieder Gas, kaum dass sie aus dem Weg waren. „Oh man, jetzt wären wir auch noch fast von deinem Chef übern Haufen gefahren worden", kicherte Niall und Louis grummelte nur: „Ja und ich darf mir das morgen bestimmt aufs Brot schmieren lassen...gut, jetzt will ich aber wirklich nicht mehr darüber reden. Wie ist denn deine heiße Ärztin so drauf?"

Wenn man Nialls Worten Glauben schenken wollte, dann war Dr Calder das Beste, was ihm hätte passieren können. Sie war klug, konnte ihr Wissen sehr gut vermitteln und sah in ihm mehr einen Kollegen, als einen Assistenzarzt. Sie ließ ihn viele Aufgaben, denen er sich sicher war, selbstständig erledigen und war immer offen für Fragen. Louis freute sich für Niall, wünschte sich aber, dass auch sein Mentor ihn nicht immer ins kalte Wasser werfen würde. Bisher hatte er unerwartete und recht schwere Dinge zu erledigen bekommen, was ihn enorm unter Druck setzte und ihn mehr stresste, als er sich eingestehen wollte.

Er vertraute sich Niall an.

Da sie seit dem ersten Semester zusammenwohnten und schon einige Höhen und Tiefen erlebt hatten, wusste er, dass der Ire immer ein offenes Ohr für ihn hatte. Andersrum war es genauso, auch Louis hatte Niall häufig aufgebaut, wenn dem die Puste ausgegangen und er ins Straucheln gekommen war. Sie unterhielten sich während der ganzen Busfahrt miteinander und kurz bevor sie ausstiegen, sagte Niall die Worte, die Louis Mut machten: „Also ich glaube nicht, dass der dich auflaufen lassen will. Du hast doch schon gesagt, dass er beim Mittagessen ganz nett zu dir war. Weißt du, was ich glaube? Der sieht Potential in dir und will dich an deine Grenzen bringen um aus dir neues Können rauszukitzeln. Er hat sich dich sicherlich nicht ausgesucht, um dich fertig zu machen. In der Uni haben die doch gesagt, dass die Oberärzte ziemlich viel mitzureden haben, was die Auswahl der Assistenzärzte angeht und ich glaube, dass Dr Styles deine Bewerbung und deine Noten zugesagt haben. Wenn du das Ganze mal aus dieser Perspektive siehst, dann kommen dir seine Handlung vielleicht nicht mehr wie Schikane vor. Versuch es beim nächsten Mal einfach." Louis seufzte tief und Niall sah ihn offen und ehrlich an, wartete auf eine Antwort, doch Louis gab sie ihm nicht. Er dachte darüber nach, was sein Freund ihm gesagt hatte und tatsächlich musste er sich eingestehen, dass der Ire recht hatte. Dr Styles hätte ihn niemals ausgesucht, wenn er nicht von seinem bisherigen Werdegang überzeugt gewesen wäre.

„Lass uns was kochen, ich sterbe vor Hunger", sagte Niall, kaum dass sie ihre kleine Wohnung betreten hatten. „Ohja bitte. Das Krankenhausessen hängt mir jetzt schon zum Hals raus." Louis öffnete schwungvoll die Tür und seufzte, als er den Inhalt sah: es war fast nichts mehr da. „Oh nee, müssen wir jetzt auch noch einkaufen gehen? Dazu habe ich jetzt so gar keine Lust." Niall seufzte und zog seinen Geldbeutel aus der Hosentasche: „Ich lade dich auf ein leckeres, indisches Curry aus dem Imbiss unter uns ein."

Keine 15 Minuten später lagen die beiden Freunde auf der Couch in Nialls Zimmer vor dem Fernseher und sahen sich das Ende eines Fußballspiels an, hatten die Styroporverpackungen auf dem Schoß und schaufelten das Curry in sich hinein, dessen Geruch die kleine Wohnung erfüllte. Häufig zogen die Dämpfe aus dem Imbiss durchs Treppenhaus bis zu ihnen nach oben und sie fanden es alles andere, als angenehm, dass ihre Post und manchmal auch ihre Klamotten ständig nach Curry und orientalischen Gewürzen roch. Aber, wenn der Kühlschrank wieder einmal leer war, dann war es super, dass sie über einem Imbiss wohnten.

Six Months • Part IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt