Snickers

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Nachtdienst mit Dr Styles! War Niall ein Hellseher? Hatte er nicht sowohl das, als auch die Idee mit der OP an dem verletzten Arsenalspieler, überhaupt erst angesprochen? Das war gruselig. Vielleicht sollte er seinem Freund in Zukunft nichts mehr erzählen, damit der nicht auf dumme Gedanken kam, die sich dann auch noch bewahrheiteten.

Weil er am nächsten Morgen ausschlafen konnte, nutzte Louis den Abend aus. Durch das Yoga war er wieder richtig wach geworden und so zog er sich Zuhause die Laufklamotten an und joggte durch den nahegelegenen Selley Park. Sonderlich schön war der zwar nicht, aber die Wege waren flach, gerade und lang genug, um sich auszupowern. Sicherlich war es gut, wenn er heute richtig müde war und morgen so lange wie möglich schlief. Er hatte bisher noch nie einen Nachtdienst gemacht und wusste nicht genau, was da auf ihn zukam und wie er damit klarkommen würde.

Obwohl das Joggen ihn normalerweise beruhigen konnte, klappte das heute nicht und so saß Louis an diesem Abend noch lange auf seinem Bett und las in seinen Medizinbüchern und den Aufschrieben, die er in den Vorlesungen gemacht hatte. Es beruhigte ihn, wenn er seinen Lernstoff nochmal wiederholte, denn so konnte er zumindest behaupten, sich vorbereitet zu haben. Den Rest musste er auf sich zukommen lassen.

Er schlief ganz wirr in dieser Nacht und wachte nicht sonderlich erholt auf.

*~*~*

Genervt davon, dass er so unausgeschlafen war, wo doch heute so ein wichtiger Tag war – immerhin durfte er bei einer OP assistieren und dann handelte es sich beim Patienten auch noch um einen berühmten Fußballspieler. Wenn sie das versemmelten - wenn er das versemmelte - dann würde das den Verein Millionen kosten. Louis war schlecht, wenn er daran dachte und er bekam nichts zu Essen runter, sodass er vollkommen nüchtern und unterzuckert bei Mr Styles im Büro auftauchte.

„Guten Morgen, Mr Tomlinson. Sie sehen aber nicht sonderlich gut aus," stellte der Oberarzt fest und sah seinem Assistenten in das blasse Gesicht, nachdem er in das Büro getreten war. „Ich bin ein wenig nervös, wenn ich ehrlich sein soll", gab Louis zu und zog unsicher die Schultern hoch. „Nervös zu sein ist gut, dann ist man wenigstens aufmerksam und verhindert grobe Fehler. Haben Sie etwas gegessen? Die Hände sollten bei einer OP ruhig sein." Louis schüttelte nur den Kopf. „Dann gehen Sie jetzt in die Kantine und holen sich etwas zu Essen und dann treffen wir uns in 15 Minuten vor dem OP." Dr Styles wirkte total locker und Louis stand vor ihm, wie ein verschrecktes Tier. Scheinbar erregte das Mitleid bei dem Oberarzt und er trat näher an Louis heran: „Machen Sie sich keine Gedanken. Das Knie eines Profifußballer sieht nicht anders aus, wie das Knie eines gewöhnlichen Menschen – mit der Ausnahme, dass er ein wenig mehr Muskelmasse besitzt. Also denken Sie bei der Operation nicht daran, wen Sie unterm Messer haben. Denken Sie nur an das Knie als Gelenk des menschlichen Körpers." Er klopfte Louis aufmunternd auf die Schulter und schob ihn zur Tür: „Bleiben Sie ruhig und essen Sie etwas. Und wenn es nur ein Schokoriegel ist. Bis später."

Wieso er plötzlich von seinem Arzt ermutigt wurde, konnte Louis sich nicht erklären, doch in diesem Moment, war es ihm auch egal. Er freute sich nur darüber, dass sein Chef zum ersten Mal so handelte, wie er es sich immer gewünscht hatte.

Nachdem Louis sich mühsam ein Snickers hineingequält hatte, fand er sich wie vereinbart vor dem Operationssaal ein. Eine Schwester half ihm in die sterilen Handschuhe, band ihm den Mundschutz um und setzte ihm eine Haube auf. Sie machte das alles so routiniert, dass sich Louis zum ersten Mal wie ein richtiger Arzt vorkam. Er drehte sich gleichzeitig mit dem Oberarzt um, der ebenfalls angezogen worden war. Sie standen einander gegenüber, hielten die behandschuhten Hände hoch und sahen sich an. Die Augen des Arztes lächelten Louis an – der Mund war hinter dem Mundschutz verborgen. Er trug jetzt seine Spezialbrille, die aussah, als hätte er sich ein Fernglas auf den Nasenrücken geklemmt. Mit einem Mal wurde die Nervosität in ihm weniger, bis Louis keine Angst mehr vor der OP hatte. Dr Styles war da und sie würden zusammenarbeiten. Er stand unter dem Schutz des Oberarztes und würde das schon schaffen. Louis schluckte, ignorierte sein Herzklopfen und sah in die Augen seines Chefs. Sie waren grün, wie ihm jetzt erst auffiel. Mr Styles blinzelte und nickte Louis zu: „Zeigen Sie mir, was Sie können."

Six Months • Part IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt