17-Flashback

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Er beobachtet sie wieder.

Wie sie aus der Klinik stürmt und nicht mehr auf ihre Umwelt achtet. Ihre Sicht durch die zahlreichen Tränen verschwommen und ihre Wangen rot von der Wut, die sie in diesem Moment für Harry hegt. Durch die Frontscheibe seines weißen Range Rovers sieht er ihr zu, wie sie mit zerbrochenem Herzen an ihrem Auto vorbeigeht und sich mehrmals über die Augen wischt, damit sie besser sehen kann. Sie tritt gegen einen Mülleimer und schreit, dass sie ihren Verlobten hasst, dass er ein verdammter Bastard ist. Zu diesem Moment ist Harry Styles lediglich ein Blender, der sie verletzt hat.

Also ist es der perfekte Zeitpunkt für ihren Besessenen, in ihr Leben zu treten.

Denn sie ist verwundbar wie noch nie zuvor. Ihr Herz zersplittert langsam und sie kann nicht mehr klar denken. Jeder noch so kleine Teil in ihr will ihren Verlobten hassen, weil er sie belogen hat und sich an eine andere Frau geschmiegt hat. Sie wirkt wie die Verkörperung von Wut und Rage, als sie sich immer weiter von der Klinik entfernt und dabei nicht bemerkt, wie ein weißer Range Rover ihr folgt.

Es ist seine Zeit, in ihr Herz zu dringen. Da ist er sich sicher, denn er kennt sie und ihre Reaktionen besser als sie selbst. Er hat sie jahrelang beobachtet, nur, um zu diesem Moment zu gelangen, in dem sie sich ihm anvertraut. Seine Falle kann endlich zuschnappen und sie kann nur mehr ihm gehören. Harry Styles wurde aus dem Weg geräumt, zumindest so lange, dass May Richards ihren Verlobungsring von ihrem Ringfinger zieht und in die Unendlichen Tiefen des Vergessens wirft. Während ihr, zumindest noch jetziger, Geliebte in der Klinik durchdrehen kann und immer weiter die Sicherheitsstufen hinaufsteigen kann, kann ihr Besessener sie zu seinem Eigen machen.

Somit bleibt er mit seinem Auto direkt neben ihr stehen, während sie noch immer über die Gehwege stapft und versucht, ihre Atmung wieder zu beruhigen. Ihr Oberkörper wird dennoch wieder und wieder von Schluchzern und Schluckauf geschüttelt, da in ihr durchgehend das Bild von Harry und einer anderen auftaucht. Sie konzentriert sich nicht auf ihre Umwelt, da diese unwichtig erscheint. Ohne den Mann ihrer Träume, der Liebe ihres Lebens, wirkt es sinnlos darauf zu achten, ob sie von einem Auto überfahren wird oder nicht.

Daher bemerkt sie nicht, wie ein Mann aus einem weißen Range Rover aussteigt. Wie er ihr einige Meter folgt, weil er sich nicht traut, sie anzusprechen. Zu groß ist die Angst in ihm, dass er wie vor Jahren lediglich eine halbherzige Abfertigung von ihr zu hören bekommen würde. Doch je länger er ihr folgt, wird die Stimme in ihm lauter. Die Stimme, die ihm versichert, dass sie verwundbar ist und ihn nicht abweisen würde. Zumindest nicht heute.

Also beschleunigt er sein Gehtempo, bis er sich auf einer Höhe mit ihr befindet. Er will sie begrüßen, mit ihr reden, doch schon lange ist er nicht mehr so nahe gewesen. Deshalb wird er von ihrer Schönheit fasziniert und sein Mund öffnet sich, ohne, dass auch nur ein Ton herausdringt. Er spielt mit seinen Fingern herum und räuspert sich, woraufhin May Richards erschrocken stehenbleibt und ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrt.

„Kann ich Ihnen helfen?", fragt sie ihn wütend, da ihr Temperament noch immer am Überkochen ist dank Harry. Mit noch immer geöffnetem Mund sieht er in ihr Gesicht und bemerkt die ganzen Unreinheiten auf ihrer Haut, die er aus der Ferne nicht entdeckt hat. Trotz seines Fernglases und der teuren Kamera.

Er nickt heftig und schüttelt gleich anschließend seinen Kopf. Verwirrt zieht May eine Augenbraue nach oben und wartet auf eine verbale Antwort. „Ich fand nur, dass du viel zu schön bist, um so wütend und traurig durch die Welt zu gehen.", teilt er ihr mit und will am liebsten wieder seine Stirn gegen die Wand schlagen, weil ihm nichts Besseres eingefallen ist. So wie er es früher immer getan hat, nachdem sie ihn abblitzen lassen hat.

Verlegen lächelnd schüttelt sie den Kopf und murmelt: „Danke für das Kompliment, aber dafür habe ich gerade keine Zeit und Lust." „Wieso denn nicht? Wenn du willst können wir einen Kaffee trinken gehen und du kannst darüber reden. Ich höre dir zu, egal, wie komisch deine Geschichte ist. Nicht, dass ich finde, dass du komisch bist. So habe ich das nicht gemeint. Ich ...", schwafelt er nervös los, ohne sich beherrschen zu können und wird schließlich von May Richards kichernd unterbrochen.

„Wirklich lieb von dir, mir deine Aufmerksamkeit anzubieten. Ich denke, dass ein Kaffee wirklich nicht schaden könnte."

Sie hat ihn dieses Mal nicht abgewiesen. Dieses Mal gibt es keinen Harry Styles, den sie begehrt und den sie sich mehr als alles andere auf der Welt wünscht. Dieses Mal ist er der Sieger, mit dem sie etwas unternimmt. Heute muss er nicht in seine Wohnung zurückkehren und seinen Kopf gegen die Wand schlagen oder sich mit seinen Nägeln über die vernarbte Haut an seinen Unterarmen fahren, bis Blut fließt. Er muss sich nicht mehr die Fotos von ihr ansehen, in denen sie langsam älter wird und stets einen Mann mit lockigen Haaren und einem breiten Grinsen auf seinem Gesicht in ihrer Nähe hat.

Da er sich nun ein Lächeln verkneift, verzieht er seinen Mund zu einer Grimasse, während er sich so stark auf die Unterlippe beißt, dass er schon das Blut schmecken kann. Doch das ist ihm egal, weil May Richards ihn ansieht. Weil er sie nicht mehr aus der Ferne beobachtet, sondern ihr nahe ist und bald in ihr Leben eindringen wird.

Weil sie bald sein Eigen sein würde.

„Ich kenne ein nettes Café gar nicht weit von hier. Wir können mit meinem Auto dorthin fahren.", bietet er ihr an, während er sich mit den Handflächen über den Stoff seiner Jeans reibt, um den Schweiß von seiner Haut zu entfernen. Anschließend streicht er sich die Haare zurück, die sowieso von Gel aus seinem Gesicht gehalten werden, rein aus nervöser Angewohnheit. Er schaut ihr mit starren Blick zu, wie sie sich noch einmal die Tränen wegwischt und ihre Kleidung richtet, bevor sie ihn halbherzig anlächelt und ihm stumm deutet, dass sie mit seinem Plan einverstanden ist.

Und so ist er in ihr Leben getreten und hat sich unentbehrlich gemacht. Indem er sie mit Drogen versorgt, die sie verkaufen muss, damit es ihrer großen Liebe gut geht. Damit ihr Beobachter ihr näherkommen kann, während Harry Styles langsam verrückt wird, obwohl weder er selbst noch May Richards dies bemerken, dank den Medikamenten und den Suchmitteln, die ihre Leben fortan beherrschen.

Unfreeze / h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt