05-May

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Ohne auf Harry zu warten gehe ich in sein Zimmer und setze mich an den Tisch, der mitten im Raum steht. Meine Tasche schmeiße ich achtlos auf den Boden neben meinen Füßen, da sich sowieso nichts Zerbrechliches in dieser befindet. Schief lächelnd nimmt er schließlich direkt gegenüber von mir Platz und teilt mir mit: „Du hättest Kendalls Blick sehen sollen, als du ihr gesagt hast, dass sie deinen Arsch abknutschen soll."

Augenverdrehend lehne ich mich nach hinten gegen die hölzerne Lehne des Sessels und verschränke meine Arme. „Ich mag sie nicht.", lasse ich ihn wissen, während mein Blick durch den Raum gleitet. Mir fällt auf, dass Harry seit meinem letzten Besuch, der schon mehr als ein Jahr zurückliegt, sein Zimmer personalisiert hat. Zahlreiche Bilderrahmen, vorwiegend von ihm und mir oder nur mir, stehen herum, die ein oder andere Zeichnung ebenfalls. Er hat schon immer ein gewisses Talent gehabt, wenn es um Kunst geht, egal, ob Fotographie oder Malereien. Ganz selten auch Musik.

„Wieso nicht? Sie ist eigentlich ziemlich nett, wenn sie nicht gerade versucht, die Regeln einzuhalten.", will Harry wissen und sieht ebenfalls zu den Bildern, die meine ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Ohne meinen Blick von ihnen abzuwenden, lege ich meine Hände wieder auf den Tisch und erkläre ich ihm: „Erstens lasse ich mir nicht von einem kleinen Modepüppchen, das sich besonders fühlt, weil sie mit psychisch kranken Person arbeitet, sagen, was ich tun und lassen soll. Zweitens ist sie mir für meine Verhältnisse dir viel zu nahe. Meinem, noch immer, Verlobten." Ich betone die letzten Worte und schaue wieder zu ihm, nur um zu erkennen, dass er mich breit angrinst. Eine Augenbraue nach oben ziehend frage ich: „Wieso schaust du mich so an?"

Er lässt beide Hände über die Tischplatte wandern und nimmt verschränkt sie anschließend mit meinen. Obwohl jede Faser in meinem Körper meine Arme von ihm wegziehen will, verharre ich in der Position, wartend auf eine Antwort von ihm. „Ich mag es, wenn du eifersüchtig bist. Das zeigt, dass ich dir noch immer etwas bedeute.", raunt er, während er mit den Daumen über meinen Handrücken streichelt.

„Wenn du mir egal wärst, würde ich nicht mehr für dich zahlen und hätte dich gestern auch nicht besucht.", erkläre ich schulterzuckend. Harry zieht mich an den Händen nach vorne, näher zu sich, und beugt sich über den Tisch. Unsere Nasenspitzen berühren sich, als er haucht: „Das heißt, dass du mich noch immer liebst und mich heiraten willst?"

Ich neige meinen Kopf so, dass sich unsere Lippen für einen kurzen, süßen Moment berühren und antworte ihm ehrlich: „Wenn du wieder der Harry bist, in den ich mich verliebt habe, ja." „Wir sind noch immer die Selben, deren Beziehung mit einer Wette begonnen hat. In einer ziemlich intensiven, wenn du mich fragst.", grinst er und hebt seinen Blick von meinen Lippen zu meinen Augen. Diese verdrehe ich abermals und hauche leise: „Du bist ein Blödmann."

„Ich werde für immer dein Blödmann sein.", murmelt er und drückt anschließend seine Lippen auf meine, dieses Mal länger und stürmischer. Unser Kuss wird nur unterbrochen, als Harry aufsteht und um den Tisch herumgeht. Er zieht mich an der Hüfte aus dem Sessel, zu seinem Bett. Dort angekommen, lässt er sich auf der Matratze nieder und platziert mich auf seinen Oberschenkel, sodass ich rittlings auf ihm sitze. Ich spüre seine großen, warmen Hände an meiner Hüfte, wie er die Haut dort durch den Stoff meines Pullovers massiert. Mir entflieht ein leises Stöhnen, als er mich näher an sich heranzieht und somit meine Körpermitte in Berührung mit seiner wachsenden Beule kommt.

Während ich meine Finger in seinen Haaren vergrabe und leicht an diesen ziehe, löse ich mich außer Atem von ihm. „Wir sollten das nicht hier machen.", keuche ich und lockere meinen Griff um seine Locken. Mit einer Hand streichele ich ihm über die Wange, woraufhin er sich an meine Berührung schmiegt. Harry zieht die Augenbrauen zusammen und forscht nach: „Wieso nicht? Ich habe mehr als ein Jahr auf dich gewartet, du hast mich leiden lassen in dieser Zeit."

„Hast du schon deinen persönlichen Wachhund mit ihren Verordnungen und Regeln vergessen? Ganz zufällig wartet das Püppchen vor der Tür auf uns und ich bin mir sicher, dass sie nicht erfreut sein wird, wenn wir hier um die Wette stöhnen.", antworte ich und stehe auf. Schmollend bleibt er sitzen und argumentiert: „Aber wir können leise sein."

Kopfschüttelnd durchquere ich das Zimmer und hocke mich direkt vor meiner Tasche hin. „Vielleicht sollten wir darauf warten, bis du wieder zu Hause bist.", wehre ich ab und krame durch die scheinbar unendlichen Tiefen meiner Handtasche, auf der Suche nach etwas Bestimmten.

Hinter mir höre ich, wie Harry von der Matratze aufsteht und sich mir nähert. „Wann komme ich denn nach Hause?", spricht er die Frage aus, die ich nicht beantworten will. Dennoch seufze ich und murmele: „Sobald ich gewisse Dinge geregelt habe."

„Wie lange brauchst du dafür?", forscht er nach und setzt sich neben mir auf den Boden. Mein Gesicht wendet sich zu ihm und ich fahre ihn unwillkürlich an: „Könntest du aufhören, dumme Fragen zu stellen? Das nervt mich."

Abwehrend hebt er seine Hände auf die Höhe seines Kopfes und murmelt: „Entschuldigung." Meine Aufmerksamkeit wendet sich wieder meiner Tasche zu, in der sich noch immer der gesuchte Gegenstand befindet. Leise fluche ich und krame mit beiden Händen herum, bis ich schließlich ein kaltes Stück Metall spüre. Meine Finger klammern dieses fest und ziehen es hervor, sodass Harry es auch sehen kann. Ich halte einen silbernen Ring direkt vor seine Augen und hoffe, dass ihm nicht auffällt, wie sehr ich zittere. „Vielleicht willst du ihn wiederhaben.", lächele ich halbherzig und sehe zu, wie sein ganzes Gesicht beginnt, vor Freude zu strahlen.

„Woher hast du ihn? Ich habe ihn doch verloren, als wir umgezogen sind.", staunt er und nimmt den Ring, fährt mit einem Zeigfinger über die eingravierten Teddybären. Er steckt sich das Schmuckstück an den Mittelfinger seiner linken Hand und hält diese hoch wie eine Frau, die ihren neuen Verlobungsring bewundert.

Ich zucke mit den Schultern und erkläre ihm: „Ich war auf der Suche nach etwas Bestimmten und habe ihn dann gefunden. Auf dem Dachboden." „Wahrscheinlich willst du nicht, dass ich nachfrage, was du auf dem Dachboden gesucht hast, oder?", will er wissen und wendet seinen Blick endlich von seiner Hand ab und lässt diese in seinen Schoß fallen. Schmunzelnd nicke ich und antworte: „Du lernst schnell."

Unfreeze / h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt