03-May

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Ich steige aus meinem Auto aus und schlage die Tür anschließend kräftig wieder zu. In meiner Tasche krame ich herum, auf der Suche nach einem Parfüm und einem Kaugummi, da ich definitiv nicht nach Drogen und Alkohol stinkend in der Klinik aufkreuzen kann. Schnell habe ich die zwei Dinge gefunden und dufte nach einigen Momenten nach irgendeinem, komischen Geruch, den ich mir irgendwann in einer Drogerie für kleines Geld gekauft habe.

Da der Joint schön langsam seine ganze Wirkung auf mich entfaltet, lehne ich mich an mein Auto und versuche, bei Verstand zu bleiben. Doch dies gelingt mir nicht, die übermäßige Entspannung herrscht schnell in meinem ganzen Körper vor und unwillkürlich beginne ich, wie die Katze von „Alice im Wunderland" zu grinsen. Wenn ich nur so schnell wie diese verschwinden könnte, müsste ich nicht in meinem Zustand jemandem gegenübertreten, den ich seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen habe.

„Da bist du ja!", ruft mich jemand, der sich schnell als Liam herausstellt, als er sich direkt vor mich stellt, sanft lächelnd. Ohne, dass ich mich davon abhalten kann, beginne ich zu kichern und sage: „Da bin ich ja. Du bist ja auch da!"

Ich kneife ihm auf beiden Seiten in die Wangen, wie es meine Großtante Anna immer getan hat. „Was ist mit dir los?", fragt er skeptisch und nimmt meine Hände in seine. Ich zucke in Zeitlupe mit der rechten Schulter und schließe meine Augen.

„Louis und ich haben etwas geraucht. Dieses ‚etwas' war kein Nikotin, das kann ich dir sagen.", murmele ich beinahe unverständlich. Die Droge in meinem System übernimmt meine Reaktion und verlangsamt diese, sodass ich nicht verhindern kann, dass Liam mich seufzend hochhebt. Ich pieke ihn auf der Brust und protestiere: „Lasse mich sofort hinunter, ich will da nicht hinein." „Sei still und höre auf, mit deinem Finger herumzustochern.", fährt er mich an und ich lache unwillkürlich los.

Mein Kopf fällt nach hinten, wodurch ich alles kopfüber sehe und ich rufe euphorisch: „Die Welt ist verkehrt herum!" „Wie schön.", seufzt Liam und trägt mich durch die Eingangshalle. In mir kommen Erinnerungen hoch, als ich diesen großen Raum sehe, doch ich verdränge sie schnell wieder, aus Angst davor, dass ich sentimental werden könnte.

„Ich werde dich jetzt in die Garderobe der Mitarbeiter bringen, wo du ausnüchtern wirst. Ich kann nicht zulassen, dass Harry dich in diesem Zustand sieht.", erklärt er mir und geht an der Rezeption vorbei, nickt der Frau, die dort sitzt, stumm zu, als hätten sie eine Art Geheimsprache. Mit einer Hand zeige ich ihr das ‚Peace-Zeichen' und nuschele: „Alles klar, Schwester?"

Ich widme Liam wieder meine Aufmerksamkeit und frage nach: „Wieso sollte ich Harry jetzt nicht sehen? Nur wegen ihm bin ich hier." „Weil du high -", beginnt er, doch wird von einer lauten Stimme unterbrochen: „May? Bist du das wirklich?"

„Ich bin die einzig wahre May Richards.", antworte ich und kichere wieder. Noch immer steht für mich die ganze Welt Kopf, wodurch Harry sich sozusagen auf der Decke nähert und mich schnell aus Liams Griff reißt. Er dreht meine Sicht wieder um und umarmt mich fest. Ich spüre, wie er sein Gesicht an meinem Hals vergräbt und tief einatmet. Weiters höre ich, dass Liam andauernd wiederholt: „Harry, gehe weg von ihr."

Doch dieser drückt mich nur noch näher an sich und raunt: „Ich lasse dich nicht mehr los." „Schatz, ich denke, dass du mir von der Pelle rücken solltest.", schlage ich ihm vor und zappele wie ein Fisch auf Land herum, damit er mich loslässt. Verwirrt entfernt Harry sich so viel von mir, sodass er mir in die Augen sehen kann, seine Stirn gerunzelt.

„Was ist mit dir los?", will er besorgt wissen und sein Gesicht nähert sich langsam meinem. Bevor sich unsere Lippen berühren können, lehne ich mich zurück und biege meine Wirbelsäule, sodass ich die Welt wieder verkehrt herum sehe. Erstaunt über meine Biegsamkeit, öffne ich den Mund und bringe ein leises „Wow" heraus. Doch bevor ich meine bisher unentdeckten Künste noch weiter bewundern kann, zieht Harry mich wieder nach oben und zischt: „Bist du auf Drogen?"

Ich klopfe ihm mit einem Zeigefinger dreimal auf die Brust und rufe bei jedem Mal „Ding". Anschließend kichere ich: „Du hast die volle Punktezahl erreicht, mein Lieber."

Skeptisch sieht er an mir vorbei zu Liam und fragt diesen mit zusammengezogenen Augenbrauen: „Wieso ist sie high?" „Weil ich offensichtlich einen Joint geraucht habe.", erkläre ich ihm und tippe ihm auf die Nasenspitze. Ich füge noch hinzu: „Du Dummerchen."

„Seit wann kiffst du?", raunt Harry und ich spüre, wie sein Griff um mich lockerer wird. Ich nehme sein Gesicht in beide Hände und führe es so nah zu meinem, sodass sich unsere Nasenspitzen berühren. Als wäre es ein Staatsgeheimnis, raune ich: „Seitdem ich ein Drogendealer bin."

Schockiert tritt er einen Schritt zurück und entfernt schnell meine Handflächen von seinen Wangen. Er wendet abermals den Blick von mir ab und sieht zu dem Pfleger hinter mir. „Nachdem May nicht ernst genommen werden kann, da sie high ist, solltest du mir vielleicht den wahren Grund sagen.", will Harry die Tatsachen verleugnen, doch ich lasse ihn nicht so schnell von der Wahrheit davonkommen.

„Ich bin ein Drogendealer, Harry.", wiederhole ich, noch immer mit gedämpfter und ziemlich nuschelnder Stimme, da ich mir nicht leisten kann, dass irgendjemand etwas von meinem Nebenjob mitbekommt. „High hin oder her, ich lüge nicht."

Harry schüttelt den Kopf und wendet sich von mir ab. Währenddessen er vor mir wie ein Tiger in einem Käfig herumgeht, murmelt er in Dauerschleife: „Nein, das kann nicht wahr sein." So plötzlich, dass ich ein überraschtes Quietschen ausstoße, schlägt er gegen die Wand und schreit: „Wieso nur?" „Damit ich für dich sorgen kann.", rufe ich, um die Knalle, die durch das Aufeinandertreffen von Faust und Mauer entstehen, zu übertönen.

Dadurch bewirke ich, dass Harry seine Aktionen stoppt und sich zu mir dreht. Er vergräbt seine Finger in seinen Haaren und zieht an diesen, als er sich auf den Boden hockt und sanft vor und zurück wippt. Wie ein Mantra flüstert er „Wegen mir.", seine Augen sind weit aufgerissen.

Liam zieht mich sanft von ihm weg und teilt mir mit, dass ich jetzt lieber gehen sollte. Doch bevor ich aus Harrys Sichtfeld verschwinde, werfe ich ihm einen Kussmund zu und rufe grinsend: „Aber keine Sorge, dir geht es ja wieder besser. Das ist das Wichtigste!"

Unfreeze / h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt