Kapitel 55

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Stöhnend rolle ich mich in meinem Bett auf den Bauch, vergrabe mein Gesicht unter meinem Kissen, als es plötzlich hell wird. Hell ist scheiße. Hell macht Kopf Aua. Deshalb nehme ich meine Hände als Schutz, als mir auch das Kissen vom Gesicht gerissen wird.

„Raus aus den Federn!", ertönt Connys schrille Stimme und ich brumme, ziehe mir stattdessen die Bettdecke über den Kopf. Die soll weggehen. Ich hatte gestern noch ein Rendezvous mit meinem alten Freund Tequila. Es war schön. Ganz romantisch im Dunklen auf meinem Bett. Wir haben uns geliebt, hatten eine innige Unterhaltung miteinander und wie ich an der leeren Glasflasche neben mir erkenne, als ich leicht blinzele, haben wir auch die ganze Nacht zusammen verbracht. Schnell kneife ich meine Augen wieder zusammen, als mir nun auch die Bettdecke entrissen wird und stöhne. „Hör auf damit", murmele ich und suche mit den Händen meine Matratze nach etwas ab, was diese blöde Helligkeit dämpft. Aber da ist nichts. Und mir ist kalt. Verdammt nochmal. Wütend drehe ich mich auf den Rücken, verschränke meine Arme vor der Brust und will Conny eigentlich bitterböse anfunkeln, doch so wirklich klappt das nicht. Ich sehe wahrscheinlich eher so aus, als wäre ich jahrelang blind gewesen und hätte nun wieder mein Augenlicht zurück. „Na also", sagt meine beste Freundin und weil sie mich gut genug kennt, nimmt sie mein Bettzeug mit, während sie durch die Tür verschwindet.

„Wir müssen Johnny abholen", schreit sie noch und ich starre abwesend auf die Decke. Mir geht das hier voll gegen den Strich. Heute ist Sonntag. Sonntag ist Gammeltag. Sonntag will ich nur in Schlabberklamotten auf dem Bett liegen bleiben und nichts tun. Vor allem an diesem Sonntag. An diesem Sonntag, an dem ich mich in ganz viel Selbstmitleid baden möchte. Nach dem Streit gestern mit Marco, war dieser auch ganz schnell verschwunden, mein Bruder war sauer auf mich, weil ich das seiner Meinung nach zu verantworten hatte und ist deswegen auch gleich bei meiner Tante geblieben. Das einzig Gute daran ist, dass diese den ganzen Müll von gestern wegräumt. Ist eben der Vorteil an diesen Super-Müttern. Sie meinte, ich solle mich ablenken, weil ich irgendwie traurig aussehen würde. Das hat wohl jeder mitgekriegt, dass das an diesem ach so netten Profifußballer lag. Nur, dass ich es diesmal nicht geleugnet, sondern hingenommen hatte. Es gab für mich nichts aussichtsreicheres, als mich mit meiner Flasche Tequila im Bett zu vergraben und zu leiden. Allerdings hat das zur Folge, dass jetzt nicht mehr nur meine Brust weh tut, sondern mein Kopf noch dazu. Hat also nicht sonderlich viel gebracht.

„Beweg jetzt deinen faulen Arsch!", brüllt mir Conny aus dem Wohnzimmer zu und ich rolle mit den Augen, stütze mich mit meinen Ellenbogen auf der Matratze ab und richte mich ganz langsam und vorsichtig auf. Gott, brummt mir der Schädel. „Hopp!", legt sie noch nach und ich hangele mich genervt vom Bett. Es gibt deutlich sanftere Weckweisen, als diese, und als meine beste Freundin wäre sie dazu verpflichtet, meinen Kater ernster zu nehmen und netter zu sein. Nur meine macht das grundsätzlich nicht. Sie hat auch tatsächlich schon mal die Feuerwehsirene an ihrem Handy gemacht und mich so aus meinem besoffenen Schlaf geholt. Wie immer sehr süß von ihr.

Mit zusammengekniffenen Augen fische ich mir eine Jogginghose aus dem Schrank, wechsele nach kurzem Zögern doch mein Top und schlurfe in die Küche. Conny hat eine Tasse an ihren Lippen angesetzt und hebt eine Augenbraue. „Du solltest duschen", sagt sie, während ihr Blick abschätzig meinen Körper entlanggeht. „Wir holen meinen Bruder ab. Nein", antworte ich knapp und sie knallt ihre Tasse auf den Tresen, kommt auf mich zu und schiebt mich an meinen Schultern in Richtung Bad. Ich muss mir eindeutig die Nummer von Robins Schnepfe besorgen und sie fragen, ob sie meine neue beste Freundin sein möchte. So geht das doch nicht weiter. Das ist ganz und gar nicht nett, was die hier macht. „Du hast ne Fahne, die über die gesamte Wohnung zu riechen ist. Das kannst du niemanden antun", stöhnt sie und rümpft die Nase, als wir im Bad angekommen sind. Die holt mich hier aus meinem Wohlfühlmodus und kriegt das auch gleich mit einem vorwurfsvollen Blick quittiert. Trotzdem gebe ich mich geschlagen, beginne mich auszuziehen und da fällt auch schon die Tür ins Schloss. Eine Dusche kann ja nicht schaden. Mit viel Glück tut dann mein Kopf nicht mehr so weh und das käme mir sehr gelegen.

Regenbogen [Marco Reus]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt