Kapitel 24

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Seit einer geschlagenen Stunde liege ich nun auf meinem Bett, habe den Kopf auf meine Handfläche gestützt und beobachte Marcel beim Schlafen. Das Zimmer ist mittlerweile durch die hereinstechende Sonne leicht erhellt und ich beiße wie eine Irre auf meiner Unterlippe herum. Es hat die halbe Nacht gedauert, bis ich mich hierher schleifen konnte. Zuvor war ich einige Stunden auf einer meiner Behandlungsliegen gelegen und habe die Decke angestarrt. Dann bin ich in die Küche und habe mir zwei Tassen Kaffee gegönnt und im Anschluss eine ausgiebige Dusche. Das Problem an der ganzen Sache ist, dass ich nun wieder nüchtern bin.

Man kennt doch diesen Spruch: Nüchtern betrachtet, war es besoffen besser. Doofer Spruch, aber durchaus mit Wahrheitsgehalt. Fuck! Was zur Hölle habe ich mir bei meiner Aktion gedacht? Welche verkorkste Gehirnzelle in meinem Kopf hat das verursacht? Ich kann und will nicht verstehen, wie dieser Abend abgelaufen ist.

Offiziell habe ich meine Libido nun als Ausbrunst der Hölle abgestempelt. Denn die ist doch erst Schuld an diesem ganzen Dilemma. Wenn ich Marco nicht so anziehend finden würde, dann würde ich nicht hier liegen und ein schlechtes Gewissen haben. Nicht wegen der Massage; nein, weil ich weiß, dass ich Marco verfallen wäre. Hätte er mehr gewollt, hätte ich ihn nicht abgehalten. Und das finde ich schrecklich. Noch nie zuvor war ich in der Lage gewesen, dass ich meinen Freund betrogen hätte. Nie. Ich bin eine absolut treue Seele und dementsprechend erschreckend finde ich es, dass ich heute bereit dazu gewesen wäre. 

Vor allem Marco. Ich meine, was stimmt nicht mit mir? Klar, er sieht gut aus und ich weiß, dass er gut küssen kann, aber er gehört zu dem Kreis meiner Feinde. Zumindest dachte ich das noch bis vor ein paar Wochen. Er war ungehobelt, arrogant und beleidigend mir gegenüber und trotz alledem würde ich mich ihm hingeben, und meine Beziehung mit Marcel aufs Spiel setzen?

Noch dazu pisst es mich ohne Ende an, dass er am Ende wieder dem Trumpf in der Hand gehalten hat. Arsch.

Argh.

Erschrocken höre ich auf zu atmen, als Marcels Lider anfangen zu flattern und auf seinen Lippen bildet sich ein mildes Lächeln, als er sie vollends aufschlägt. „Beobachtest du mich?", grummelt er und versteckt sein Gesicht im Kissen, was ich mit einem Kichern quittiere. Für sein gestriges Besäufnis scheint er ziemlich fit zu sein und ich quieke auf, als er sich plötzlich aufrichtet und sich auf mich draufrollt. Ein tiefes Brummen ertönt und er beginnt meinen Hals mit Küssen zu übersähen, während ich bereits klein Marci an meinem Oberschenkel spüre. Mein Schuldgefühl lastet noch immer tonnenschwer auf meinen Schultern und ich versuche das irgendwie zu verdrängen. Marco aus meinem Hirn zu verdrängen. Marcels Zunge gleitet über meine Haut und er legt seine Lippen fordernd auf meine, während seine Hände zärtlich über meine Seiten fahren. Spätestens, als seine Finger immer südlicher gleiten, schaltet mein Kopf ab. So halb.

*

„Morgen.", gähne ich, als ich die Küche betrete und sich mir das gleiche Bild ausbreitet, wie gestern. Marco mit meinen Großeltern am Frühstückstisch. Johnny hockt heute auch dabei und schaufelt sich schläfrig seine Cornflakes rein.

Wieder entweicht mir ein tiefes Gähnen, als ich mich an den Tisch setze und absichtlich Marcos Blick ausweiche, der ein dämliches Grinsen aufgesetzt hat. Marcel nimmt neben mir Platz und dank der Runde Morgensex, strahlt er vor sich hin. Ich muss die Jungs bereits in einer halben Stunde zum Flughafen bringen und kann nicht behaupten, dass es mich stören würde. Marco muss hier weg. Schnellstmöglich. Immer wieder spüre ich, wie er mich von der Seite aus mustert und so langsam aber sicher, werde ich nervös. Macht der das mit Absicht? Übereifrig räume ich den Tisch ab, als alle aufgegessen haben und checke immer wieder die Uhrzeit. Nebenbei versuche ich Johnny davon abzuhalten, Marco weiterhin in Beschlag zu nehmen, sodass er endlich seine Sachen holen kann. Marcel ist bereits hoch, um zu packen und ich scheuche letztlich meinen Bruder mit dem Hund in den Garten. Da ist er beschäftigt.

Regenbogen [Marco Reus]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt