Kapitel 36

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Fuck. Das darf doch nicht wahr sein! Mein Herz pocht wie wild und mein Atem geht stoßweise, während sich Marco leicht hilflos umsieht. Es kommt mir vor, als würden die Wände immer näher rücken und der Sauerstoff so langsam aber sicher aus diesem engen Räumchen schwinden. Mir wird immer schummriger und ich stütze mich atemlos an der Wand ab, während ich irgendwie versuche ruhig zu atmen. Sonst klappe ich hier zusammen.

Ich stecke tatsächlich in einem Aufzug fest, in Bangkok, im 35. Stockwerk. Mit Marco. Was zur Hölle habe ich in meinem Leben verbrochen, dass mir sowas angetan wird?

„Okay. Ganz ruhig. Du drehst jetzt aber nicht durch oder?" Er kommt auf mich zu und legt beide Hände auf meinen Schultern ab, was mich nur noch mehr in Panik versetzt. Als würde mich die Last auf meinen Schultern vollends zerdrücken. Da der Blitzmerker anscheinend doch schnallt, dass ich durchdrehe, und zwar so richtig, hebt er vorsichtig mein Kinn und mustert mein Gesicht, auf dessen Stirn sich ein kalter Schweißfilm gebildet hat. Meine Hände sind eisigkalt und sie zittern so stark, dass ich keinerlei Kontrolle mehr über sie habe.

„Alles gut Kim. Uns kann hier nichts passieren. Die rufen einen Techniker und in ein paar Minütchen sind wir hier wieder draußen, okay?" Seine Stimmfarbe verrät mir, dass er sich auch alles andere als wohl fühlt und das treibt meine Angst letztlich auf den Höhepunkt.

„Die blöden Fidschis! Fuck. Die Arschgesichter kriegen doch gar nichts hin. Über uns sind 20 verfickte Stockwerke Luft und unter uns genauso!" Meine Hände zeigen nach unten und ich spüre, wie ich bei meinen eigenen Worten nur noch mehr in Panik gerate. „Das scheiß Teil wird nur an zwei verschissenen Seilen gehalten, die jederzeit verflucht nochmal durch reißen können. Wir gehen drauf und werden zerquetscht, wie zwei dumme Cupcakes, die auf den Boden aufprallen. Verdammte Scheiße aber auch", rufe ich aufgebracht und schmecke salzige Tränen auf meinen Lippen, von deren Existenz ich bis gerade nicht gewusst habe. Japsend greife ich an meine Kehle und habe das Gefühl, dass mir jeden Moment die Luft wegbleibt.

„Okay. Chill dich rein" Marco seufzt und lächelt aufmunternd. „Bei den Ausdrücken, die du in einem Satz runterrasseln kannst solltest du auf jeden Fall Drehbuch für Southpark schreiben und trotzdem ist alles gut." Er umfasst meine Handgelenke und zieht mich näher an sich ran. Auch wenn es mir vollkommen zuwider ist, lasse ich ihn gewähren. Wenn der Sauerstoff hier drinnen weg ist, brauch ich noch alle Kraft die ich auftreiben kann.

„Kim."

„Kim mich nicht!", zische ich und ringe weiter mit der Luft, die kaum mehr in meinen Lungen ankommt. Grob packt er mein Gesicht und zwingt mich ihn anzusehen.

„Schau mich an. Es ist alles gut." Seine Finger schütteln mich leicht und erst jetzt nehme ich ihn wirklich wahr. Schwer atmend blicke ich in seine braungrünen Augen und spüre, wie ich mich ein wenig beruhige. Sein Duft steigt mir in die Nase und die Hitze, die von seinen Händen ausgeht, vermischt sich mit meiner eigenen. Mein Pulsschlag normalisiert sich langsam und ich fühle, wie seine Finger behutsam über meine Haut streicheln.

Ich weiß nicht wie lange wir so dastehen. Irgendwann erkenne ich aus dem Augenwinkel wie er seinen Arm hebt und hinter sich auf den Rufknopf drückt. Seinen Blick wendet er trotzdem nicht von mir ab. Wirklich faszinierend. Ich glaube es hat noch keiner geschafft, mich alleine mit seinen Augen wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Allgemein hat es noch niemand geschafft, mich bei einer Panikattacke so zu beruhigen. Und das obwohl wir hier eindeutig von dem Menschen reden, in dessen Gegenwart ich mich grundsätzlich unbehaglich fühle.

Aus den Lautsprechern ertönt eine Stimme auf Thai und ich kann mich mit dieser Sprache einfach nicht anfreunden. Klingt immer ein bisschen aggressiv.

Regenbogen [Marco Reus]Where stories live. Discover now