Kapitel 46

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„Du hast dir den 22. eintätowieren lassen. Getroffen haben wir uns aber am 20.", bricht Marco die Stille, die seit einer guten halben Stunde um uns herum herrscht. Seine Finger fahren ununterbrochen die feinen Linien der Zahlen auf meiner Taille ab und ich kuschele mich weiterhin fest an seine Brust, während ich die langsam aufgehende Sonne beobachte. Wir haben nicht eine Sekunde geschlafen und ich mag noch so erschöpft sein, aber ich war noch nie in meinem Leben wacher. „Ja. Am 22. sind die Maschinen abgestellt worden", beantworte ich seine indirekte Frage und spüre wie er nickt. Sein Arm legt sich fester um mich, drückt mich näher an sich. Ich habe dermaßen Schiss vor dem, was unvermeidlich kommen wird und in meiner Brust macht sich ein beklemmendes Gefühl breit. Ich will nicht, dass es bei dieser einen Nacht bleibt und doch weiß ich, dass ich noch immer wütend auf ihn bin. Er hat das ganz schön vermasselt. Noch dazu habe ich keinen blassen Schimmer, was das alles zu bedeuten hat. Wie er über alles denkt und wie das überhaupt funktionieren soll, ohne dass wir uns gegenseitig die Köpfe einschlagen. Auch wenn wir jetzt unsere Wut immer beim Sex rauslassen könnten. Das wäre höchstwahrscheinlich unbeschreiblich wilder Versöhnungssex. Mal ganz davon abgesehen, dass ich noch immer mit seinem besten Kumpel zusammen bin.

„Also das Essen war wirklich lecker heute", rede ich um den heißen Brei herum und ziehe Kreise um Marcos Bauchnabel, woraufhin er zuckt und meine Hand festhält, stattdessen über deren Rücken streichelt.

„Jap", er floppt mit der Zunge, „hast du die Shrimps probiert? Erste Sahne." Sehr gut, wir können also beide einen Award im Vermeiden abstauben. „Absolut. Sogar der Salat war lecker. Da haben die sich echt nicht lumpen lassen", sage ich und seufze, da ich schon wieder Hunger habe. Ich habe immer Hunger. Aber nach so viel Sport und allgemein in Stresssituationen ist das noch mal viel ausgeprägter. Marcos Finger legt sich auf mein Kinn und er drückt es leicht nach oben, sodass ich meine Lippen schürze und mein Kinn auf seiner Brust ablege. Seine Augen sind dunkler als sonst und seine Miene ist ernst, man kann es förmlich in seinem Kopf rattern sehen. „Weiß Marcel das von damals?", platzt es aus mir raus und ich verfluche mich gleichzeitig dafür. Von wegen dem Ganzen ausweichen. Ich steige gleich mitten im Thema ein. Gut gemacht. „Jein", er rauft sich die Haare und legt eine Hand unter seinen Hinterkopf, „ich hab ihm das damals alles erzählt, aber ich denke nicht, dass er weiß dass du diese ominöse Kim bist. Dann hätte er nie..." bricht er ab und starrt wieder nach oben auf die Decke. Weicht meinen Augen aus, die ihn interessiert mustern. So unsicher habe ich ihn noch nie erlebt und ich kann sehen, dass ihm dieses Gespräch mindestens so schwer fällt wie mir. „Wieso wäre das dann nie?", hake ich neugierig nach und erkenne an seinem Kehlkopf wie er schwer schluckt. Er verändert mehrmals seine Kopfposition, zappelt ein bisschen rum, nur um dann letztlich genauso da zu liegen wie zuvor. „Ich habe dich monatelang gesucht", sagt er trocken und ich hebe ungläubig eine Augenbraue, „ich bin allen ziemlich auf die Eier mit dir gegangen, aber an deine Cousins bin ich trotz Beziehungen nicht rangekommen. Und ein Bild hatte ich auch nicht. Nur einen Namen." Mein Mund ist leicht aufgeklappt und ich hole tief Luft, da meine Atmung kurz gestoppt hat. Mit so einer Information habe ich nicht gerechnet. Das ist absolut verrückt und so dermaßen kitschig, dass ich weiterhin stur in Marcos Gesicht starre, um mich zu vergewissern, dass er es tatsächlich ist und nicht doch irgendjemand anderes. „Du hast nach mir gesucht?", gebe ich kleinlaut von mir und beiße auf meine Unterlippe, versuche damit das dümmliche Grinsen zu unterbinden. Allgemein tun meine Backen schon weh vor lauter Lächeln. Das sind die nicht gewöhnt. Marco nickt kaum merklich, schielt kurz zu mir runter und widmet sich wieder der aufregenden Decke.

„Sogar meine Exfreundin hab ich abgeschossen wegen dir", murmelt er und meine Augenbrauen wandern noch weiter in Richtung Haaransatz. Mein Magen ist flau und mein Herz klopft so wild, dass ich ein Stück von Marco abrücke, sodass er nicht die Vermutung kriegt, ich würde gleich an einem Herzinfarkt krepieren. „Du warst damals vergeben und schleckst einfach wildfremde Frauen in einer Bar ab?", necke ich ihn um die Stimmung ein bisschen aufzuheitern und gebe mir innerlich gleich einen Facepalm dazu. Als wäre ich in der Position, sowas rauszuhauen. Genau so einen Blick wirft mir Marco auch kurz zu, woraufhin ich peinlich berührt aus dem Fenster gucke und so tue, als hätte ich das gar nicht gesagt. „Und trotz alledem hast du das größte Arschloch gespielt, als wir uns wiederbegegnet sind", nehme ich das eigentliche Problem wieder auf und grummele, als er sich aufsetzt und somit seine Funktion als Kissen zu Nichte macht. Er lehnt sich an das Kopfteil vom Bett, fährt sich durchs Gesicht und ich ziehe die Bettdecke etwas höher und stütze meinen Kopf auf meiner Hand ab. Mein Blick schweift über seine Bauchmuskeln und sofort habe ich wieder mit Konzentrationsproblemen zu kämpfen. Die Decke bedeckt gerade das Nötigste und ich muss mich zusammenreißen, nicht über seine V-Linie zu lecken. Geistesgestört. Kann ich nun nicht mehr leugnen.

Regenbogen [Marco Reus]Kde žijí příběhy. Začni objevovat