Ferngesteuert 57

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Amelies Sicht

Nervös kaute ich auf meinem Daumennagel herum und meine Gedanken huschten von einem Eck in das andere. Was hatte ich nur getan? Ich stand in Toms Bad und ließ die letzten Minuten im Schnelldurchlauf durch meine Gehirnwindungen rattern. Warum ließ ich mich so von Marco provozieren, das ich auf solch eine dämliche Idee kam? Bis ich ins Taxi stieg, war mein Plan zu mir nach Hause zu fahren. Ich hatte es Marco gezeigt was ich konnte und das echt übertrieben, doch nun hier in Toms Wohnung zu sein, war nicht in dem Plan vorgesehen. Ich schlug mir leicht vor die Stirn „denken, denken! Amelie denk!" flüsterte ich. Wie kam ich aus der Nummer wieder raus? Tom turnte vor dem Bad rum, das konnte ich deutlich hören. Als würde er seine Wohnung auf den Kopfstellen und dies alles nur, weil er sich ganz offensichtlich mehr erhoffte und ich war daran kein bisschen unschuldig. Ich hatte ihn geküsst. Nein! Er hatte mich geküsst! Ich war nur so dumm und hatte es erwidert. Aber es ging doch auch viel zu schnell. Da konnte man mir doch nicht wirklich einen Vorwurf machen oder? Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen, legte meine Hände auf meinen Bauch und versuchte tief ein und aus zu atmen. Direkt sprang ein Karussell in meinem Kopf an und mir wurde leicht übel. Dennoch hielt ich meine Augen geschlossen und konzentrierte mich auf das Wasser was ich am Waschbecken angemacht hatte.

Die Taxifahrt verlief ganz normal und Tom wollte wissen ob mit mir alles ok sei. Natürlich war es das nicht und ich sah traurig zum Fenster raus. Ich hatte gerade meinem Ex-Freund klar gemacht, dass ich ganz gut ohne ihn dran bin. Ich wollte aber nicht, dass Marco mein Ex war. Nein, nein, nein! Wäre Tom nicht dabei gewesen, der mich eindringlich beobachtete, hätte ich mir da schon wie wild mit den Fäusten gegen die Stirn geboxt. Leider bekam ich wegen dieser ganzen Gedanken nicht mit wohin die Fahrt ging und war im ersten Augenblick ganz schön geschockt, als mir Tom die Tür auf machte und wir ausstiegen. „Ich wollte eigentlich nach Hause?"-„ich dachte, vielleicht willst du dich einfach noch ausquatschen oder so" lächelte mich mein Kollege an. Ich war in dem Moment sehr darauf bedacht, klare Grenzen zu ziehen, was Tom für mich war und doch ging ich leicht seufzend mit. Meine Füße wollten nicht so wie ich und schon hatte ich zwei helfende Hände unter meinen Armen. Noch vor der Wohnungstür ist es dann passiert.

Wir hatten kein Wort gesprochen und es gab auch sonst keinen Anlass, weswegen mir Tom näher hätte kommen müssen. Ich lehnte mit dem Rücken an der Wand und hatte kurz die Augen geschlossen, weil Tom auch so lange brauchte bis er seine Schlüssel aus der Tasche gefischt hatte. Dann streifte mich etwas, wie ein warmer Luftzug auf der Wange und ich blinzelte. Tom war mit seinem Gesicht meinem ganz nah und sah mich wieder so komisch an, was mit eine unangenehme Gänsehaut über die Haut jagte. Dann lagen urplötzlich seine Lippen auf meinen. Ich riss vor entsetzten die Augen weit auf und presste mich fest gegen die Wand hinter mir, statt ihn wegzudrücken und laut zu brüllen. Es war eine unausgesprochene Einladung für ihn noch weiter zu gehen und ich ließ mich von meinen Gefühlen überrollen. Wut. Schmerz. Traurigkeit. Alles war dabei, nur nicht die Gefühle, die es brauchte für eine gehörige Portion Gegenwehr. Dafür mischte sich alles andere und veranlasste mich, so eine Art Gleichgültigkeit zu bekommen. Dies war dann der Moment, in dem ich diesen scheiß Kuss erwiderte.

Ich beugte mich tief über das Waschbecken, hielt meine Hand unter den Wasserstrahl und betupfte meinen Nacken und die Schläfen mit dem kühlen Nass. Rieb sie mit einem Handtuch wieder trocken und ging aus dem Bad raus. Der Anblick des Wohnzimmers traf mich mit voller Breitseite. In ganz Dortmund war mit Sicherheit keine Kerze mehr zu finden. Sie standen alle in Toms Wohnzimmer und brannten. „Hier Amelie, ich hab mir gedacht, ich mach es uns etwas gemütlich" er zeigte einmal durch den Raum und beendete den Rundgang mit einem Hand zeig auf die Weinflasche und die Gläser. „Tom, sei mir nicht böse aber ich wollte eigentlich nach Hause und nicht hier bleiben" schnell kam er um das Sofa, griff nach meinen Händen und sah mich traurig an. „Nein, bitte bleib" sein Blick ging mir durch und durch. War vergleichbar mit der unangenehmen Gänsehaut und doch ließ ich die Schultern sinken und nickte fast unbemerkt. „Schön" strahlte er von einem Ohr zum anderen „ich geh auch mal eben ins Bad. Die Flasche ist schon offen, nimm dir doch einen Schluck" schon war er weg. Seufzend plumpste ich zwischen die Kissen und wieder tat ich das Gegenteil von dem was ich tun würde. Was war nur los mit mir? War ich immer noch eingestellt auf „Amelie reagiert nicht wie es alle erwarten"? Wenn es so war, sollte ich endlich damit aufhören, denn es war der falsche Ort, die falsche Person und überhaupt. Es passt nichts! Ich ließ mich noch tiefer in die Kissen sinken, schloss die Augen und legte meinen Unterarm über die Stirn. Eine unendliche Müdigkeit kam über mich und die Erkenntnis, aus der Nummer nicht mehr raus zu kommen, verfestigte sich. Doch dann, fühlte ich warme Lippen auf meiner Wange und ein Flüstern an meinem Ohr hauchte „Amelie? Amelie bist du eingeschlafen?". Fast hätte ich mal wieder die Augen aufgerissen und überschlug gleich das Vorhaben. Es war die Lösung! Ich würde jetzt einfach weiter schlafen, da ich ja offensichtlich eh schon weg genickt war und Tom würde mich in frieden lassen! Dann müsste ich mir jetzt nicht mal ein Taxi rufen oder mich sonst wie quer durch die Stadt quälen um nach Hause zu kommen. Die Idee war so perfekt, dass ich sie direkt umsetzte und Tom das schlafende Dornröschen vorspielte. Ich hielt noch so lange durch, bis ich mir sicher sein konnte, dass er von mir abließ und sich zurück zog um auch zu schlafen. Was auch kurze Zeit später der Fall war und er mir noch zudeckte und ging. Fest kuschelte ich mich in die Decke und Kissen um meinen Rausch auszuschlafen.

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