Ganz oder gar nicht 50

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Amelies Sicht

Ich beendete das Gespräch von jetzt auf gleich mit Marco und ärgerte mich über meine Gedanken. Warum hatte ich nicht einfach „Nein" gesagt? Was hatte mich geritten ihm Hoffnung zu machen? Ich kniff die Augen zusammen, ballte meine Hände zu Fäusten um mir damit vor die Stirn zu hauen und knurrte dazu laut. "Amelie?!" Mein Chef stand in der Tür und sah mich mit großen Augen an. "Oh" kam es tonlos über meine Lippen und fühlte die peinliche Röte aufsteigen. "Ist alles ok?"-"ähm ... jaja" log ich auf die besorgte Frage und wollte mich wieder meiner Arbeit zuzuwenden, hielt aber dann inne und sah zu meinem Chef auf, der mich immer noch leicht verwirrt ansah. "Nein, eigentlich ist nicht alles ok" sagte ich mit fester Stimme und hätte mich für den nächsten Satz wieder hauen können. "Ich muss jetzt leider Feierabend machen"-"was?" Ich speicherte die offenen Dokumente und nickte zur eigenen Bestätigung für mein Handeln. "Ja, ein Freund ist in Schwierigkeiten und ich muss ihm helfen. Ich verspreche morgen eine Stunde früher da zu sein und arbeite auch die Mittagszeit durch" ich drückte den Aus-Knopf und griff nach meiner Handtasche. "Nun eigentlich ..."-"ich weiß, aber es ist wirklich sehr wichtig und kann leider nicht warten" ich ging schon an ihm vorbei und traute mich gar nicht mehr zu ihm auf zusehen. "Amelie so ein Verhalten bin ich nicht gewohnt?" ich ließ die Schultern hängen und drehte mich schuldbewusst nochmal zu ihm um "ich weiß"-"wenn es so wichtig ist, denn geh, aber denk an dein Versprechen!" wurde ich zum Abschied ermahnt und ging dann endgültig. Kaum saß ich in meinem Auto, schlug ich vor das Lenkrad. Ich hatte meinen Chef angelogen wegen Marco! Das wollte mir wirklich nicht in den Kopf rein gehen und ich drehte nur zögerlich den Schlüssel im Zündschloss. Gerade so, als müsste ich mir es doch nochmal genau überlegen, es wirklich zu tun. Keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war, ich startete den Motor schlussendlich dann doch mit einem Seufzen. Ich ließ mir aber Zeit und fuhr bedacht, den Tacho immer im Auge und den Blick auf jedes Straßenschild. Die Strecke nahm so, rund 20 Minuten mehr in Anspruch. Dank des kleinen Umweges, den ich auch noch einbaute. Marco sollte auf keinen Fall glauben, ich würde wirklich springen wenn er rief. Als ich beim Trainingsgelände ankam, konnte man keine Menschenseele mehr ausmachen und ich biss mir nervös auf die Unterlippe. Vielleicht hatte ich es mit meinem Trödeln doch etwas übertrieben und Marco hatte sich von einem Kollegen aus der Mannschaft mitnehmen lassen. Langsam fuhr ich auf das Tor zu und konnte in dem Pförtnerhäuschen auch direkt eine Person ausmachen, die aufstand und raus kam. Natürlich würde dieser Jemand, wissen wollen wer ich bin und was ich hier zu suchen hatte. Doch so weit kam er ältere Mann, mit dem guten Vorbau nicht, denn hinter ihm tauchte Marco auf. Er hatte also wirklich auf mich gewartet. Ohne lange zu reden, stieg Marco recht unbeholfen in mein Auto ein und ich überlegte einen kurzen Moment ob ich ihm behilflich sein sollte. Er musste Schmerzen am Bein haben. An dem er vor wenigen Wochen noch den Gips hatte. Wortlos fuhr ich direkt zu ihm nach Hause und es ärgerte mich, dass er es nicht für nötig hielt, endlich was zu sagen. Als die Stille unerträglich wurde, machte ich das Radio an und das recht laut. Es ging keine Minute, da gab es eine Reaktion von Marco. Er drehte es wieder leiser, räusperte sich und blieb stumm. Erwartungsvoll sah ich zu ihm rüber und fing unbemerkt an, auf dem Lenkrad zu trommeln. Die Luft war zum schneiden und ich fühlte mich schrecklich. Müsste ich seine Nähe noch länger ertragen, würde ich ihn an der nächsten roten Ampel raus werfen, nur um diesen Stein auf meiner Brust los zu werden. "Könntest du endlich mit mir reden?" platze es aus mir heraus und griff fester um das Lenkrad. "Ich ... ich ..." was für ein Gestotter? Ging es mir durch den Kopf und warf ihm einen genervten Seitenblick zu. "Es ist nicht einfach"-"ach? So schwer kann doch eine Entschuldigung nicht sein?" irgendwie war meine Zunge flinker als üblich und ich biss mir leicht auf die Lippe. Es kam ein deutliches Seufzen von der Seite "du hast recht, es sollte nicht so schwer sein und jetzt würde es sich plump anhören, wenn ich es nun nach deiner Aufforderung mache"-"kann sein. Versuch es"-"Amelie was soll ich sagen? Ja es tut mir leid und ich habe keine Ahnung wie ich es wieder gut machen soll" Ich war froh, dass ich endlich bei ihm angekommen war. So konnte ich mich auf ihn und nicht auf den Verkehr konzentrieren. Ich parkte ordentlich und machte den Motor aus um ihn dann prüfend anzuschauen. „Dann lass mich doch einfach an deinen Gedanken teil haben" sprach ich leise und wollte es einfach im Guten versuchen. „Du willst also an meinem Leben teilhaben?" es klang leicht spöttisch und ich sah ihn verwundert an. „Jahaaa?! Immerhin habe ich mal eben früher Feierabend gemacht nur um dich abzuholen. Es ist ja nicht so, als würde es sicher ein anderer auch gemacht haben können. Zumal keiner mehr am Trainingsgelände war" ja ich war vorwurfsvoll. Was sollte auch seine dumme Frage? Wer hatte mich denn bloß gestellt? Plötzlich schnappte er sich meine Handtasche und schüttete sie zwischen uns auf die Konsole. „Was machst du da?"-"Die Frage stelle ich mir auch oder besser, was machst du?" er zeigte auf die Utensilien zwischen uns. Es sah aus wie ein Notfallpack. Zahnbürste, ein BH, ein Buch, etwas Schminke. Es war noch verhältnismäßig wenig gegenüber dem was ich sonst noch alles dabei hatte. Ich wusste dennoch was er mir damit sagen wollte und dachte an den Schrank. „Ich bin einfach noch nicht dazu gekommen" seufzte ich und biss mir schuldbewusst auf die Unterlippe. Als ich aufsah und diese Mischung aus Wut und Unverständnis in Marcos Augen sah, platzte es aus mir heraus „JA MAN, ich habe Angst das es nicht klappt!"-„Klaaar! Weil ein Reus es garantiert in Sand setzt!"-„NEIN! Weil er mir einfach zu viel bedeutet und ich schieß habe, dass es dann zu sehr weh tut wenn es nicht klappt" sagte ich kleinlaut und er riss die Tür auf. „Scheiße verdammt!" Marco hielt sein Knie fest und verzog sein Gesicht. „Wenigstens kannst du jetzt nicht weg laufen" kommentierte ich es gehässig. „Ich will ja auch gar nicht weglaufen aber ich habe auch keinen Bock auf ein Leben mit angezogener Handbremse. Das funkt so nicht! Ich will dich in mein Leben lassen und du kommst nicht"-„für mich funktioniert das aber vielleicht schon?"-„Mir geht das aber auf den Nerv! Die Heimlichkeiten und das alles drum herum das muss ein Ende haben. Ganz oder gar nicht!"-„dann lassen wir es halt eben ganz!" So sollte es ganz gewiss nicht laufen und Marco schlug die Autotür heftig zu, nachdem er schlussendlich doch ausgestiegen war. Wäre ich nicht so wütend gewesen, hätte es vielleicht in mir Mitleid geweckt, so wie er am Humpeln war, doch die ganze Situation ließ es nicht zu und ich fuhr weg.

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