Shot 54

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Amelies Sicht

Ich war leicht sauer auf Clara, was mehrere Gründe hatte. Der eine Grund war die Adresse, die sie dem Taxifahrer angab und ich somit wusste in welchem Club wir feiern würden und der zweite Grund war Tom. Sie hatte mir nichts davon erzählt mit wem wir alles zusammen feiern würden. Gegen unsere Freunde hatte ich ja auch nichts einzuwenden aber Tom war so komisch geworden in den letzten Wochen. Er war sehr abfällig gewesen als ich ihn mal wieder getroffen hatte und ging mir regelrecht aus dem Weg. Es konnte mir eigentlich egal sein, wollte ich doch eh nicht auf dieser Party sein und hatte immer noch nicht meine Lust gefunden, wirklich am Geschehen vor mir auf der Tanzfläche mitzuwirken. Zudem schmeckte meine Cola abgestanden, was ich schon zweimal nicht leiden konnte. Seufzend stützte ich meinen Ellenbogen auf den Tisch vor mir ab und legte mein Kinn in die Hand. Ich versuchte so gelangweilt wie möglich zu schauen und vor allem versuchte ich Clara ganz deutlich zu vermitteln, dass ich überhaupt nicht hier sein wollte. Natürlich prallten meine stummen Schreie an ihr ab und sie grinste mich immer nur leicht dämlich an. Manchmal rempelte sie mich sogar mit ihrer Schulter an und zischte ein „mach doch mal ein anderes Gesicht" oder „jetzt sei nicht so langweilig und hab Spaß". Ich wollte ihr keinen der Gefallen erfüllen. Dann kam plötzlich Tom auf uns zu und hatte Shots in der Hand und stellte sie vor uns auf den Tisch. „Ich hab gesehen, ihr sitzt auf dem Trockenen und darum hab ich hier was für euch" strahlte er fröhlich in unsere kleine Runde und schob jedem von uns ein Glas zu. Misstrauisch schielte ich auf die klare Flüssigkeit und dann zu ihm. „Hoch die Tassen!" brüllte er und verlangte wohl von uns mit ihm anzustoßen. Clara musste man nicht zweimal bitte und ich auch ich griff beherzt nach meinem Getränk. Alkohol war vielleicht das Geheimnis meines Problems um es zu lösen also setzte ich an um es zu exen. Die Flüssigkeit brannte die Kehle runter und ich musste mit der abgestanden Cola nachspülen. „Was war das denn?" fragte ich vorsichtig, „Sambuca" nun wurde mir auch klar, warum es mir nicht schmeckte. „Magst du noch einen?" schnell schüttelte ich den Kopf „nee, davon bekomm ich keinen weiteren mehr runter. Lieber Jägermeister" kam es schneller über meine Lippen als von mir beabsichtigt und Tom dackelte davon. Als er wieder kam, hatte er ein Tablett dabei, auf dem ein ganzes Duzend Jägermeister Shots standen. Ich machte große Augen und sah ihn auch mit diesen an „was soll das denn jetzt werden?" grinste ich und erntete ein noch breiteres von Tom. „Na wenn dir das schmeckt" ich ließ diese Bemerkung einfach so stehen und wir fingen an, das Tablett leer zu räumen.

„Der hat dich nicht verdient", stand Tom vor mir während ich unbewusst meine Konzentration der Flasche Vodka vor mir schenkte. Ich hatte Tom nur in einer abgeschwächten Version erzählt was mit Marco passiert war und warum meine Laune derart im Keller war. Vielleicht war dies auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, wie er sich in den letzten Wochen eben benommen hatte. Sein Interesse wunderte mich schon. Auf eine weiterführende Konversation hatte ich aber keine Lust und so kippte ich mir immer wieder ein neues Glas ein. Tom hingehend schien das Thema noch nicht für beendet doch ich schaltete auf Durchzug. Was, dank des Alkoholpegels, mir ganz gut gelang. Klar, Tom meinte es nur gut, seine Worte waren durchaus ehrlich gemeint aber es half mir gerade auch nicht weiter. So war es nun mal wenn man wegen der Liebe leidet. Die Seele, der Verstand, der Körper und besonders das Herz ertragen in Schmerz. Wenigstens ließ sich der Verstand und somit die Gedanken im Kopf mit mehr Alkohol halbwegs ausschalten. „Ich bin mal kurz auf Klo", sagte ich zu meinem Kumpel und drehte mich schnurstracks um, um auf die Toilette zu gehen. Die wild, tanzende Menge interessierte mich nicht weiter als ich mich durchquetschente. Bis ich stehen blieb und sofort wusste - er war hier! Meine Augen hatten nur die Haare wahrgenommen als er sich hinsetzte aber selbst die hätte ich unter tausend sofort wieder erkannt. Ich wurde von den Leuten, die tanzend, hin und her geschoben weil ich einfach still da stand. Wie eine ewige Sekunde dauerte jede Erinnerung mit ihm, die mich plötzlich heimsuchte. Mein Körper begann leise an zu prickeln und wuchs zu einem laut pochenden Herzschlag, lauter als die Musik. Ich spürte wie ich gegen mein Ich kämpfte, dieses Verlangen nach ihm und doch war da eh nur leere die auf meinen Lippen lag. Was so unfassbar wirklich war mit ihm war, war nun so unendlich weit fern. Wir hatten uns überschätzt und hatten gehofft dass aus den Differenzen vielleicht eine Liebe wächst. Und was hatten wir stattdessen? Ein Haufen voller Anschuldigungen. Ich machte auf den Absatz kehrt und ging zu Tom zurück. Vergessen war das ich aufs Klo wollte, denn ich musste erst einmal dafür sorgen das mein Kopf aufhörte mir Dinge zu sagen und das ging nur mit Alkohol. Kaum war ich bei Tom angekommen, kippte ich mir direkt zwei Gläser die Kehle runter und musste mich etwas schütteln. Ich brauchte Ablenkung! Wild entschlossen, komplett zu entgleisen, packte ich Tom am Handgelenk und zog ihn hinter mir her auf die Tanzfläche. Meine Wangen glühten von dem ganzen Alkohol, der durch meine Blutbahn floss und ich fühlte mich frei. Frei wie ein Vogel, schwebte ich über mich selbst und sah mir dabei zu, wie ich gerade meine Arme um Toms Hals schlang und verführerisch eng mit ihm tanzte. Was war mit mir los? Entgleisen mit übermäßigem Alkoholkonsum war das eine Thema, aber hemmungslos mich an Tom ran werfen war ein kolossal anderes Thema. Schnell ging ich wieder auf Abstand, doch es war zu spät. Er sah es wohl als Einladung an und zog mich an meiner Taille wieder an sich ran. Tief sah ich ihm in die Augen. Sah ein gieriges Funkeln und war damit absolut überfordert. Es machte mir irgendwie sogar etwas Angst. Ich wollte doch nur meinen Spaß haben und es lief eigentlich gerade ganz gut. „Oh Amelie, du bist so ..." weiter kam er nicht, da ich von ihm weg gezogen wurde.

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