Kapitel 34

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Textuelle: https://de.m.wikipedia.org/wiki/MDMA#MDMA-Kristalle

-Hallo Leseratten,
Endlich ein neues Kapitel fertig! Ich weiß auch nicht, warum ich in letzter Zeit so wenig Zeit habe, aber auch dieses Halbjahr ist sehr kurz und die Hausaufgaben türmen sich. Und wenn man dann noch auf zwei Chorwochenenden ist mit vier Stunden Chorprobe pro Tag, bleibt nicht mehr viel Zeit für anderes... Wir haben jetzt Leistungskurse gewählt und ich habe mich für Musik, Französisch und Chemie entschieden. Was haltet ihr davon? Viel Spaß beim Lesen!

Euer readerbunny01-

Als ich am Morgen aufwache, kann ich mich noch genau an meinen Traum erinnern. Ich bin einen tiefen dunklen Gang entlang gegangen. Irritierend war, dass ich gehen konnte, ohne meine Beine zu spüren. Ich weiß nicht mehr warum, aber ich habe nach Ciaran gesucht. Plötzlich macht jemand das Licht an, das mich zuerst total blendet. Als sich meine Augen daran gewöhnen, sehe ich, dass auf den Wänden immer wieder die gleiche Buchstabenfolge aufgeschrieben ist. MAMDMAMDMAMDMAMD... Ich sehe mich weiter um. Auf der anderen Seite befindet sich ein Lichtschalter, aber weit und breit niemanden, der ihn betätigt haben könnte. Ich drehe mich noch weiter und entdecke in der Richtung, aus der ich gekommen bin einen weißen Fleck, der immer näher kommt. Irgendwann ist er dann nicht mehr nur weiß, sondern auch rot, und dann kann ich Finnie in einem weißen luftigen Gewand erkennen, die auf mich zuläuft. „Los, jetzt können wir endlich eine richtige Shopping-Tour machen!", lacht sie und rennt an mir vorbei. Ich starre ihr hinterher und wache auf.
Das ist alles. Dieser Traum ist wirklich unnötig, wobei Träume das ja oft sind. Wir Menschen verarbeiten in unseren Träumen Dinge, die uns Sorgen bereiten. Das hat mir zumindest Ole mal erzählt. Aber was habe ich verarbeitet? Die Buchstabenkombination erinnert mich an irgendetwas, aber ich weiß nicht mehr, was. Plötzlich erinnere ich mich. Auf den Röhrchen bei Ciaran zu Hause hat so etwas gestanden, aber nicht MAMD, sondern MDMA. Und jetzt will ich endlich wissen, was das ist.
Ich stehe auf uns fahre den Computer hoch. Meiner braucht immer besonders lange, aber da ich ihn sowieso nur selten benutze, brauche ich deshalb keinen neuen. Ich rufe die Seite von Google auf und gebe in das Suchfeld MDMA ein. Ich klicke auf die Lupe und warte auf die Ergebnisse. Der erste Eintrag ist von Wikipedia. Ich rufe ihn auf und beginne zu lesen.

MDMA steht für die chirale chemische Verbindung 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin. Es gehört strukturell zur Gruppe der Amphetamine und ist insbesondere als weltweit verbreitete Partydroge bekannt.

Moment, was? Eine Droge?

MDMA war in den 1980er Jahren mit der Droge Ecstasysynonym - und ist es in der Wahrnehmung vieler Konsumenten und in der Medienberichterstattung bis heute. Tatsächlich werden aber seit den 1990er Jahren in zunehmendem Maße Pillen unter dem Namen „Ecstasy" gehandelt, die wenig oder gar kein MDMA, sondern auch andere Inhaltsstoffe enthalten können, wenngleich über die Hälfte der „Ecstasy"-Pillen verschiedenen Untersuchungen zufolge weiterhin MDMA enthält. In jüngster Zeit wird auchMolly bei Konsumenten und in der Berichterstattung (insbesondere in den USA) synonym mit MDMA in pulverisierter Form verstanden,[8] wobei jedoch nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der als „Molly" vertriebenen Produkte tatsächlich MDMA enthält.

Ich bin fassungslos. Damit habe ich nun gar nicht gerechnet. Ich mache den Bildschirm aus und starre einen Moment lang auf die schwarze Fläche. Dann stoße ich mich vom Schreibtisch ab und rolle aus meinem Zimmer in die Küche, wo Sabine gerade Frühstück macht.
„Ähm, kann ich dir irgendwie helfen?", frage ich, weil ich nicht weiß, wie ich anfangen soll.
Sabine sieht mich kurz mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Sicher, du kannst dich um das Rührei kümmern."
Ich nicke und rolle an den Herd, um ihr den Pfannenwender aus der Hand zu nehmen. Eine Weile rühre ich und merke dabei, dass das Ei immer fester wird. Irgendwann stelle ich die Temperatur ein wenig runter, weil ich nicht so schnell rühren kann.
„Ist irgendwas?", fragt Sabine schließlich, als sie die Brettchen auf den Tisch legt.
Ich atme tief ein uns aus. „Ehrlich gesagt ja. Ich... also ich... was sollte ich tun, wenn ein Freund oder eine Freundin von mir drogensüchtig wäre?" Es auszusprechen ist noch schlimmer, als es zu denken und ich schlucke hart.
Sabine seufzt. „Hat er es dir erzählt?"
„Du weißt davon?", frage ich überrascht und entsetzt zugleich.
„Ja, durch Zufall."
„Und du hast mir nicht verboten, mit ihm zusammen zu sein?" Das wundert mich schon ein bisschen.
Sabine setzt sich an den Tisch. „Ich hab doch gesehen, wie glücklich ihr miteinander seid, ich konnte es einfach nicht. Außerdem arbeitet er auch schon daran. Er hat mich überzeugt, dass er guten Herzens ist und er geht mehrmals in der Woche zu Ole."
„Er geht zu Ole?", frage ich erstaunt nach und sie nickt. Ich denke einen Moment nach, bevor ich frage: „Was ist mit Thomas?"
„Ich hab es ihm nicht gesagt." Ihr ist sichtlich unwohl bei diesem Geständnis, doch dann lächelt sie verschmitzt. „Du glaubst doch wohl nicht, dass du sonst noch mit ihm ausgehen dürftest, oder?"
„Nein, deswegen habe ich gefragt."
„Ach so. Kannst du Marie bescheid sagen, dass das Frühstück fertig ist? Sie ist draußen."
„Ja, klar", antworte ich und rolle Richtung Terassentür. Marie sitzt auf der Verandatreppe und hat den Kopf in die Hände gestützt.
„Guten Morgen", sage ich leise.
„Guten Morgen, Alice."
„Ist alles okay?", frage ich, weil sie mir so traurig vorkommt.
Sie seufzt und blickt kurz zu mir. „Ich hab mich mit Chiara gestritten", erzählt sie mir schließlich. „Ich hab sie beschuldigt, nichts mit mir unternehmen zu wollen und sie hat natürlich alles abgestritten."
Ich schweige kurz. „Und was denkst du jetzt darüber?"
„Jetzt tut es mir leid, was ich gesagt habe. Vor allem wie ich es gesagt habe."
„Dann sag ihr das doch. Du kannst sie anrufen. Aber jetzt gibt es erst mal Frühstück", sage ich und lächele.
„Okay." Sie springt auf und folgt mir in die Küche.
Ich lächele leise und ein Stück weit wehmütig. Was wäre ich glücklich, wenn ich nur solch banale Probleme hätte.

Als ich gegen halb elf draußen lese, klingelt es an der Tür. Kurze Zeit später tritt Ciaran zu mir auf die Veranda.
„Hey", begrüßt er mich und drückt mir einen Kuss auf den Scheitel.
„Moment", sage ich, lese in Rekordzeit die Seite zu Ende, wobei ich direkt wieder alles vergesse, klappe das Buch zu und sehe lächelnd zu ihm auf. Er beugt sich zu mir runter und küsst mich auf den Mund. Nach langem Überlegen habe ich beschlossen, ihn nicht auf die Sache mit dem MDMA anzusprechen. Er soll sich mir von selbst öffnen. „Und, was hast du heute geplant?"
„Das wirst du noch früh genug sehen", sagt er geheimnistuerisch und dreht sich um, um zu gehen. Ich folge ihm zum Auto und wir fahren los. Schnell schnappe mir seinen Rucksack und mache ihn auf, um nachzusehen, was drin ist: mehrere Brotdosen und eine Decke.
„Gehen wir picknicken?" Ich war noch nicht oft picknicken, was aufgrund meiner Behinderung auch nicht ganz einfach ist.
„Du hast es erfasst", meint Ciaran, aber er scheint nicht sehr enttäuscht darüber zu sein, dass ich es rausgekriegt habe.
„Wohin denn?", frage ich.
„An meinen Lieblingsort. Zumindest wenn du nicht da bist", grinst er, was ich mit einem leichten Augenrollen quittiere. „Es ist nicht weit."
Er hat Recht. Nach ungefähr zehn Minuten Fahrzeit parkt er den Wagen auf einem Wanderparkplatz im Wald, auf dem ziemlich viel los ist. Er steigt aus, zieht den Rucksack an und macht dann meine Tür auf. Ich stutze.
„Was ist mit dem Rollstuhl?", frage ich irritiert, als ich bemerke, dass er ihn nicht aus dem Kofferraum genommen hat.
„Den brauchen wir heute nicht", meint er unbesorgt und hebt mich aus dem Auto. Mit meinen Beinen schlägt er die Tür zu und schließt mit dem Schlüssel in der Hand ab. Dann macht er sich auf den Weg. Und obwohl ich mehrmals protestiere, trägt er mich den ganzen Weg. Ich muss zugeben, es gefällt mir, mal nicht an den Rollstuhl gefesselt zu sein. Irgendwann erreichen wir eine kleine Lichtung.
„Kannst du die Decke aus dem Rucksack holen und ausbreiten?", fragt mich Ciaran und ich greife über ihn, um an den Rucksack zu kommen. Dabei kommen uns unsere Gesichter angenehm nahe. Meine Wange an seine gepresst mache ich den Reißverschluss auf und ziehe die Decke raus. Anschließend gebe ich Ciaran einen Kuss auf die Nase. Das Ausbreiten der Decke erweist sich als schwieriger, aber nicht unmöglich. Wir legen die Decke an einen Baum und Ciaran lässt mich so runter, dass ich mich dort anlehnen kann.
„Ich glaube, das ist das erste Mal seit meinem fünften Lebensjahr, dass ich nicht meinen Rollstuhl in Reichweite habe", sage ich. „Das ist toll. Danke." Ich schenke ihm ein Lächeln, das er sofort erwidert.
Zuerst essen wir was. Ciaran hat belegte Brötchen und Schokoriegel mitgebracht, die im Freien natürlich noch besser schmecken.
„Ich hab auch ein Buch zum Vorlesen dabei, wenn du willst", meint er, nachdem er die Dosen wieder zugemacht hat.
„Och, nö. Lass uns lieber den Vögeln zuhören." Wir sitzen eine Weile schweigend da. Dann versuche ich, irgendwie zu ihm hinüber zu kriechen. Als er merkt, was ich vorhabe, streckt er die Arme nach mir aus und zieht mich zu sich rüber. Wir legen uns Arm in Arm auf die Decke, ich halb auf ihm. Die Sonne scheint warm durch das Blätterdach und taucht alles in ein grüngelbes Licht und das Moos leuchtet saftig. Die Vögel zwitschern, die Bienen summen und ein leiser Wind weht ab und zu. Es ist perfekt.
„Ich kann die Sonnenstrahlen an meinen Beinen fühlen", flüstere ich irgendwann. Ich habe nur eine kurze Hose an und die Hälfte meiner Beine liegen in der Sonne.
„Ich liebe dich", sagt er nur, ohne ersichtlichen Zusammenhang. Aber diesen Satz kann man immer sagen. Ich sehe zu seinem Gesicht hoch und wir lächeln uns an. „Morgen kann ich leider nicht, aber hast du übermorgen Zeit?"
„Seit wann fragst du mich, ob ich Zeit habe?", antworte ich mit einer Gegenfrage.
„Ich meine so richtig Zeit. Von morgens acht Uhr bis abends elf Uhr oder Später."
„Ja, denke schon. Wieso?"
„Ich will mit dir deinen Geburtstagsgutschein einlösen. Das hast du doch hoffentlich nicht vergessen?", fragt er gespielt erschüttert.
„Natürlich nicht", sage ich mit ironischem Unterton. Um ehrlich zu sein, habe ich mich mit diesem Gutschein am Abend meines Geburtstages beschäftigt und danach nie wieder. Ciaran sieht mich verletzt an und ich gebe ihm einen Klaps auf die Brust. „Was machen wir denn?"
„Überraschung", meint er nur. „Zieh feste Schuhe an und eine Jacke und eine lange Hose. Und bring Sonnencreme mit. Und am besten eine Sonnenbrille."
Ich ziehe die Augenbrauen hoch, aber da ich weiß, dass er mir sowieso nichts weiter sagen wird, frage ich nicht noch einmal. Wir versinken in angenehmes Schweigen. Ich höre seinen Herzschlag unter meinem Ohr, der immer ruhiger wird. Ciaran streichelt mit seiner Hand meinen Oberarm und ich male mit meinem Finger Muster auf seine Brust. Irgendwann wird das allerdings zu anstrengend und ich lasse sie ruhig liegen. Auch Ciaran stellt sein Streicheln ein und wie es kommen musste, schlafen wir schließlich in der Idylle ein.

Gehandicapt - Eine besondere LiebesgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt