Kapitel 17

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Wir, Ciaran, Marie, Chiara und ich, sitzen im Garten am Teich. Marie und Chiara planschen in ihren rosa und blauen Badeanzügen im Wasser und spritzen uns manchmal ab. Ich bin damit zufrieden, die Beine im Wasser treibenzulassen, nicht zuletzt weil Ciaran keine Badehose dabei hat und weil Sabine und Thomas, die weiter hinten im Schatten einiger Bäume sitzen, es mir nie erlauben würden. Er sitzt neben mir und feuert gelegentlich Wasserfontänen zurück. Die Sonne brennt heiß, ich habe nur eine kurze Hose und ein Top an und Ciaran hat bereits sein T-Shirt ausgezogen. Leider trocknen sowohl Haut als auch Kleidung viel zu schnell. Das Wasser zu meinen Füßen ist keine Erfrischung, weil ich es gar nicht spüren kann. Der einzige Trost ist, dass wir in vier Wochen Ferien kriegen. Ciaran lässt sich entspannt in das von der Sonne ausgebleichte Gras sinken. Als er nicht mehr neben mir sitzt, habe ich das Gefühl, dass irgendeine Stütze fehlt. Ich habe keine eigene Kraft, alleine sitzen zu bleiben und sinke neben ihn. Wir liegen ganz dich neben einander. Ich schiele zu ihm. Seine Augen sind geschlossen und sein Gesichtsausdruck ist vollkommen entspannt. Seine Haut hat schon einen angenehm gebräunten Ton angenommen und seine wohlgeformte Brust hebt und senkt sich gleichmäßig. Mein Blick wandert zurück zu seinem Gesicht. Seine Augen sind nun auf mich gerichtet und er mustert mich lächelnd. Mein Gesicht wird heiß. Aus irgendeinem Grund fühle ich mich ertappt und sehe weg. Er räkelt sich und liegt danach so nah bei mir, dass sich unsere Schultern berühren. Ein Kribbeln breitet sich in meinem Körper aus und mein Herz setzt einen Schlag aus, nur, um danach doppelt so schnell weiterzuschlagen als vorher. Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf meine Atmung. Als mein Herz endlich wieder normal schnell schlägt, schlafe ich ein.

Ich wache auf, als mir ein Schwall kalten Wassers ins Gesicht klatscht. Im Nu sitze ich aufrecht und reibe mir prustend das Wasser aus den Augen. Marie und Chiara lachen sich tot. Auch Ciaran wacht auf, aber weder seine Haare noch seine Haut sind nass, weshalb ich vermute, dass er nicht deswegen aufgewacht ist. Im Gegensatz zu mir: Meine Haare hängen mir klitschnass im Gesicht und mein Top ist vor Nässe zur Hälfte dunkel verfärbt. Ich atme einmal tief ein und aus. Dann beuge ich mich blitzschnell vor und spritze mit meinen Händen eine ordentliche Portion zurück. Der Krieg hat begonnen. Ich kann von Glück reden, dass Ciaran auf meiner Seite ist und mit seinen Füßen beträchtliche Wassermengen zu Chiara und Marie befördert. Wir lachen und schreien und lachen. Innerhalb kürzester Zeit sind Ciaran und ich von oben bis unten nass, aber bei dem warmen Wetter macht das nichts. Als Chiara und Marie endlich genug haben und sich neben uns ins Gras legen, ist in unserem Teich gefühlt nur noch die Hälfte drin. Aber unser Teich ist tief.

Ich denke daran, dass ich Momente wie solche gerne irgendwo aufbewahren würde, damit sie nie verloren gehen. In solchen Augenblicken bin ich einfach nur glücklich mit dem, was und wo ich bin. In solchen Minuten oder gar Stunden könnte ich leben. Dabei vergesse ich alles Schlechte im Leben. Dass ich gelähmt bin, dass ich viele meiner Freunde in unserem alten Zuhause zurücklassen musste, dass meine Eltern tot sind. Und dann habe ich wieder ein schlechtes Gewissen, weil ich glücklich bin, ohne sie, und sie vergessen habe, obwohl ich weiß, oder mir zumindest einrede, dass sie mit Sicherheit gewollt hätten, dass ich glücklich bin. Dann denke ich doch wieder an all die traurigen Dinge in meinem Leben und bin wieder unglücklich. Es ist eine Art Zyklus, der sich immer wieder wiederholt, sobald ich über dies und das nachdenke. Nur wenn ich mit Ciaran zusammen bin, kann ich aufhören, nachzudenken. Dann kann sowieso nichts anderes meine Gedanken erobern, außer er. Und wieder einmal wird mir bewusst, dass er mir sehr viel bedeutet. Und wieder einmal frage ich mich, ob ich es ihm sagen soll, und dann verlässt mich doch wieder der Mut. Langsam verzweifele ich. Ich rede mir ein, dass alles seinen Lauf nehmen wird, wie es soll, aber es ist nur eine Ausrede. In diesem Moment jedoch, hilft es mir, mit mir klar zu kommen.

Ich schlafe nicht mehr ein.

Plötzlich strömen von Ciaran unnatürlich warme Hitzewellen aus. Er keucht. Sein Atem rasselt. Sein Herz rast. Mein Kopf fährt herum, als er sich aufsetzt. Er ist kalkweiß im Gesicht und er hat Wassertröpfchen auf der Stirn. Ich bin mir fast sicher, dass sie nicht von unserer Wasserschlacht vorhin kommen. Er schaut zu mir. In seinem Blick flackert etwas auf, das ich bei ihm noch nie gesehen habe. Es ist Angst gemischt mit Unsicherheit. Aber gleich darauf sieht er wieder weg und ich zweifele, ob ich mich nicht getäuscht habe.

Gehandicapt - Eine besondere LiebesgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt