Kapitel 24

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-Hallo Leseratten,
Es tut mir leid, dass das Kapitel erst so spät kommt, aber ratet mal, wo ich die letzten fünf Tage war: in England! Wir sind mit der Stufe hingefahren und was soll ich sagen? Es war der Hammer. Eastbourne, Brighton, London! Tube fahren alleine, Wandern auf dem Beachy head, Museen abklappern, Bootsfahrt auf der Themse! Da blieb nicht viel Zeit zum Schreiben...
Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Lesen!

Euer readerbunny01-

Wir fahren mit dem Bus in die Stadt. Das Wetter ist angenehm, in diesem Sommer scheinen wir wirklich Glück zu haben, und wir sind alle guter Dinge. Zum Glück ist es nicht so heiß wie zu Anfang der Ferien und es lässt sich auch in der Sonne gut aushalten. Wir ziehen durch die Straßen und stöbern in verschiedenen Läden, die uns interessieren, ich mit einem Stadtplan auf dem Schoß, weil ich mich selbst noch nicht auskenne. Alles, was ich weiß, ist, wo die Fußgängerzone ist. Später am Nachmittag gönnen wir uns einen großen Eisbecher. Plötzlich sehe ich auf dem Fußgängerweg eine mir bekannte Gestalt in Begleitung eines Jungen, den ich allerdings noch nie zuvor gesehen habe. Ich rufe ihren Namen und sie dreht sich sofort zu uns um. Finnie winkt freudig und zieht den Jungen hinter sich her zu uns. Sie trägt ein rot und gelb geringeltes Shirt, dessen Arme bis über die Ellenbogen gehen, und darüber eine lederne Weste mit Bändchen und bunten Perlen. Als Hose hat sie ausnahmsweise eine ganz normale Jeans an und Sandalen mit verschiedenen Mustern zieren ihre Füße. Ihr Begleiter hingegen trägt ein schlichtes schwarzes Top, wodurch man einen vollständig tätowierten Arm sehen kann, ebenfalls eine Jeans, die allerdings an vielen Stellen zerrissen ist, und normale Schuhe. Das auffallendste an ihm ist jedoch die Frisur. Sein Kopf ist auf beiden Seiten fast gänzlich kahl rasiert, nur in der Mitte auf dem Scheitel stehen die rot gefärbten Strähnen wie Stacheln von seinem Kopf in die Höhe ab. An seiner Lippe hängen duzende kleine Ringe. Eigentlich sieht er nett aus, dennoch macht er auf mich einen bedrohlichen Eindruck. Etwas an seinem Lächeln ist falsch.
„Hallo", begrüßt uns Finnie stürmisch, „Das sind also deine Freunde, hm?"
„Ja, wenn ich vorstellen darf: Markus, Simon und Laura. Das ist Finnie und wie er heißt, weiß ich nicht. Finnie?"
Sie grinst breit. „Das ist Leonard. Wir haben uns auf dem Nachauseweg von der Schule kennengelernt", erklärt sie. Ich meine einen Anflug von Stolz in ihrer Stimme zu hören, was mich unruhig werden lässt.
„Dann gehst du auf unsere Schule?", frage ich ihn, da ich es unhöflich finde, über ihn in der dritten Person zu sprechen, wenn er daneben steht.
„Nein", antwortet er mit samtweicher Stimme, „ich habe Finnie auf dem Bürgersteig gesehen und sie war so alleine, da habe ich sie angesprochen."
„Setzt euch doch", schlägt Markus vor und deutet auf die freien Stühle an unserem Tisch.
„Und wer bist du?", fragt Leonard mich und sieht mich an.
„Alice. Ich heiße Alice", stelle ich mich vor und versuche, zu lächeln. Eine Pause entsteht.
Schließlich fragt Simon, um das Schweigen zu unterbrechen: „Wollt ihr auch ein Eis oder etwas in der Richtung?"
„Nein, danke. Wir haben schon eins gehabt", lehnt Finnie lächelnd ab.
Der Rest des Nachmittags wird zur Qual. Nicht, weil wir uns nicht unterhalten hätten. Im Gegenteil, Finnie redet und redet, doch Leonard wirft mir immer wieder komische Blicke zu, abschätzig, und ein unheimliches Funkeln liegt in seinen Augen. Der einzige Grund, warum ich nicht nach Hause gehe, ist, dass Markus, Simon und Laura noch hier sitzen. Ihre Anwesenheit beruhigt mich wenigstens etwas.
„Alice, was ist?", raunt mir Simon zu, der neben mir sitzt.
Ich zucke mit den Schultern. „Ich weiß nicht." Er folgt meinem Blick zu dem jungen Mann mit der roten Punkfrisur und lehnt sich mit einem wissenden Nicken wieder zurück in seinen Stuhl.
Als Finnie mal eine Pause macht, schaut Simon übertrieben deutlich auf seine Armbanduhr und erlöst mich. „Tja, dann lasst uns mal aufbrechen. Alice will uns nämlich noch die Stadt zeigen", meint er. „Finnie, Leonard, freut mich sehr, euch kennengelernt zu haben." Er erhebt sich und auch Laura und Markus stehen auf. Zum Glück versuchen sie, ihre Verwirrung nicht offensichtlich zu zeigen und zumindest Finnie scheint nichts zu bemerken.
„Okay, dann wünsche ich euch einen tollen Tag! Ich werde euch auf jeden Fall alle zu meiner Geburtstagsfeier einladen. Alice' Freunde sind auch meine Freunde", sie grinst breit und winkt uns überschwänglich.
Nur Leonard sieht mich wieder mit seinem merkwürdig nachdenklichen und überlegenen Blick an. Als wir schon Straßen weiter sind und Markus, Laura und Simon sich wieder über andere Dinge unterhalten, als der Grund, warum wir gegangen sind, spüre ich ihn noch in meinem Rücken. Als hätte er sich dort eingebrannt und als wäre ich für alle Ewigkeit gezeichnet. Bei dem Gedanken läuft mir ein Schauer über den Rücken. Das hält zum Glück nicht allzu lange an. Am nächsten Tag wird mir nur noch unwohl, wenn ich an ihn denke, was glücklicherweise nicht so häufig vorkommt. Doch wenn es das tut, überfällt mich auch gleichzeitig die Angst um Finnie. Mein Verstand sagt mir, dass ich mir keine Sorgen machen soll und dass er ihr nichts tun würde, dass ich auf ihr Bauchgefühl vertrauen sollte, aber mein Herz sagt etwas anderes.

„Kann ich mit dir sprechen?"
„Ja, klar", sage ich. Markus und ich sitzen auf der Couch, während Laura und Simon uns in der Küche eine Knabberbox zusammenstellen. Später wollen wir gemeinsam einen Film ansehen. Anders als sonst ist diesmal kein Grinsen auf seinem Gesicht zu sehen.
„Weißt du, also ich weiß nicht, wie ich anfangen soll... Es geht um Laura", beginnt er. Er wirft einen raschen Blick zur Küchentür, aber sie ist nach wie vor geschlossen. Aufmunternd nicke ich. „Du bist meine Freundin", sagt er schließlich. „Und ich mag dich. Sehr sogar, aber Laura... bei ihr ist es etwas anderes. In ihrer Nähe werde ich ganz aufgeregt... und nervös. Aber wenn sie nicht da ist, dann wäre ich am liebsten bei ihr..."
„Du musst ständig an sie denken? Träumst nachts von ihr? Wenn sie lächelt, bist du glücklich und wenn sie dich anlächelt, hast du das Gefühl, als laufe dein Herz über?"
Er schaut verdutzt drein. „Ja, woher weißt du das?"
Ich zucke mit den Achseln und schaue auf meine in meinem Schoß gefalteten Hände. „Aus Büchern", antworte ich kurz angebunden. „Jedenfalls", füge ich grinsend hinzu, „sind das eindeutig Anzeichen, dass du verliebt bist."
Er scheint nicht zu bemerken, dass ich mit meinem Necken nur meine eigenen Gefühle überspiele, und lächelt gequält. „Na super. Leider scheint Laura nicht das geringste Interesse an mir zu haben, das über eine Freundschaft hinausgeht."
„Das glaube ich nicht", widerspreche ich. „Sie...", ich suche nach Worten, „sie ist so aufgeweckt bei dir..."
„Das ist sie bei dir, Elli und Simon auch."
„Aber dich lächelt sie so oft an, dich scheint sie mit ihrem Blick jedes Mal regelrecht zu verschlingen, wenn du nicht hinsiehst." Während ich die Worte ausspreche, weiß ich, dass sie wahr sind. Ich lächele, diesmal wirklich.
„Meinst du wirklich?", fragt er und ich nicke. „Und was soll ich tun?"

Sei du selbst und geh auf sie zu. Sag es ihr, ich bin sicher, sie wird dich nicht zurückstoßen", sage ich.
„Wer stößt wen zurück?" Ich wirbel herum. Laura steht im Türrahmen, ein Tablett mit kleinen Schüsselchen mit Knabberzeug in ihren Händen.
„Niemand", sage ich schnell und füge noch hinzu: „Hoff' ich doch."
Sie lächelt, kommt ins Zimmer und lässt sich neben Markus aufs Sofa sinken. Ich werfe ihm einen bedeutenden Blick zu. Bald darauf kommt auch Simon mit Getränken und wir machen es uns auf dem Sofa und den Sesseln bequem. Der Film ist ernst. Er handelt von einer Liebesgeschichte, die daran scheitert, dass beide nicht den Mut aufbringen, dem anderen zu sagen, was sie empfinden. Es endet damit, dass sich beide aus dem Weg gehen, andere Partner finden, und doch nicht glücklich werden. Ich denke an Laura und Markus und hoffe, dass es bei ihnen nicht so endet. Und dann denke ich an Ciaran und mich und fasse einen Entschluss: Ich werde meine Gefühle nicht unterdrücken und es ihm sagen. Unsere Beziehung wird nicht daran scheitern, dass ich zu feige bin. Wenn doch, dann deshalb, weil wir nicht zusammenpassen oder es andere Menschen gibt, die mehr Platz in unseren Herzen einnehmen, auch wenn ich mir das bei mir kaum vorstellen kann. Aber ich schwöre, ich werde nicht aufgeben, ohne alles versucht zu haben.

Gehandicapt - Eine besondere LiebesgeschichteWhere stories live. Discover now