Kapitel 27

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-Hallo Leseratten,
Ein neues Kapitel! Sagt mir doch, was ihr von den Geschehnissen haltet. Wie immer freue ich mich über K&V!!!
Viel Spaß beim Lesen!

Euer readerbunny01-

Als wir am nächsten Morgen am Frühstückstisch sitzen, klingelt es an der Tür. Wir haben lange geschlafen und deshalb schon halb eins.
„Ich geh", sagt Markus und steht auf. Wenig später kommt er zurück, hinter ihm: Finnie. Sie macht sich ganz klein und ihr schlechtes Gewissen ist ihr von Kopf bis Fuß anzusehen. Und sie trägt die Bluse, die wir ihr geschenkt haben.
„Es tut mir so leid, was gestern passiert ist", beginnt sie kleinlaut. „Die Party sollte nicht so ausarten. Nur Bier, kein stärkerer Alkohol, aber es hat wohl irgendjemand was mitgebracht." Sie zuckt hilflos mit den Schultern und wagt es nicht, mich anzusehen.
„Ach, Finnie", sage ich und rolle um den Tisch herum zu ihr und nehme ihre Hand, „du kannst doch nichts dafür. Es war ein Unfall. Und er ist schon wieder so gut wie vergessen." Was für eine Lüge das ist. Den Alptraum von letzter Nacht habe ich ganz sicher nicht vergessen, aber ich zwinge mich zu einem Lächeln und da Finnie nicht gerade die ist, die tiefer auf die Gefühle ihres Gegenübers eingeht, glaubt sie mir, beugt sich vor und umarmt mich.
„Danke", sagt sie, „ich bin so erleichtert."
„Wisst ihr was?", frage ich munter. „Wieso machen wir heute nicht was zusammen? Wir könnten ins Kino gehen. Und, habt ihr Lust?"
„Wieso nicht?", meint Markus und auch Laura nickt. Simon mustert mich noch kurz kritisch, dann nickt auch er.
„Super, hast du Zeit, Finnie?", wende ich mich wieder ihr zu.
„Ja, das wird bestimmt cool! Geht das denn mit..." Etwas verlegen deutet sie auf meinen Rollstuhl.
Ich nicke. „Klar, wir sind früher oft ins Kino gegangen. Hier war ich zwar noch nicht, aber warum sollte es nicht auch gehen? Weißt du, wie die Internetadresse lautet? Dann können wir uns gleich mal das Programm ansehen."
Gesagt, getan. Wir entscheiden uns für eine Komödie, die nicht mehr lange läuft, weil Finnie, wie sie uns offenbart, Angst bei Vampirfilmen bekommt. Das kann ich nicht so recht glauben, da mir die Leute, mit denen sie sich trifft, zum Beispiel Leonard, manchmal gruseliger vorkommen, als ein Vampir in einem Film. Laura und ich erklären uns zum Abwasch bereit, weil die Spülmaschine defekt ist, während die anderen unseren Ausflug vorbereiten und eine geeignete Busverbindung raussuchen.
„Alice?", fragt mich Laura und gibt mir ein Messer zum Abtrocknen.
„Ja?"
„Das, was ich neulich gesagt habe... Ich glaube, Ciaran mag dich wirklich sehr. Also..." Sie verstummt und reicht mir ein Brettchen.
„Danke", sage ich leise und sie nickt kurz. Obwohl sie nicht wissen kann, wie viel mir das bedeutet. „Und...", beginne ich und ein verstohlenen Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus, „was hälst du von Markus?"
Sie stockt kurz bei ihrer Arbeit, dann macht sie weiter, aber ich sehe von hier aus, dass sich ihre Wangen leicht rot verfärben.
„Na?", bohre ich nach. Laura schaut kurz zur Tür, aber die ist immer noch geschlossen. Dann dreht sie sich zu mir um und grinst.
„Ist das so offensichtlich?", fragt sie.
„Nein", sage ich, „aber ich kenne dich schon so lange. Genau, wie du gemerkt hast, dass ich verliebt bin." Die Worte hören sich komisch an, wenn man sie laut ausspricht.
„Also... Ich weiß nicht, wann es angefangen hat", beginnt sie und fischt wieder ein Messer aus dem Spülwasser. „Früher waren wir nur Freunde, aber dann habe ich ihn irgendwie... immer mehr gesehen, verstehst du? Ich meine, er sieht so schlecht nicht aus. Die Frisur ist cool und hast du mal seine Muskeln gesehen?"
„Mensch, Laura", sage ich, gespielt überrascht, „das sind ja ganz neue Seiten an dir."
Wieder wird sie rot vor Scham.
„Keine Sorge", lenke ich ein, „es würde mich wirklich freuen, wenn aus euch was wird."
„Danke", sagt sie leise und lächelt. „So, ich glaube, das war's."
Wir räumen noch alles in die Schränke und Schubladen zurück, dann gesellen wir uns zu den anderen ins Wohnzimmer.
„Und, schon was gefunden?", fragt Laura und setzt sich auf die Kante des Sessels, in dem Simon sitzt.
„Also, wir können entweder den Bus in anderthalb Stunden nehmen, eine Stunde in der Stadt totschlagen und dann ins Kino, oder wir nehmen den Bus heute Nachmittag um halb vier und gehen um fünf in den Film", erläutert Markus, der vor dem Laptop sitzt.
„Wir würden Möglichkeit eins wählen, weil wir dann gleich los könnten und noch ein bisschen Zeit in der Stadt hätten und abends gemütlich wieder nach Hause fahren könnten", erklärt Finnie und Laura und ich stimmen zu. So machen wir uns wenig später auf den Weg zur Bushaltestelle.
Ich sitze wie immer auf dem Behindertenplatz, während Markus neben Laura und Simon neben Finnie sitzt. Sie haben sich extra die Plätze ausgesucht, die mir am nächsten sind, aber alleine fühle ich mich trotzdem. Die Spannung zwischen Laura und Markus kann man förmlich sehen, während Finnie Simon vollquatscht, sodass dieser des öfteren mit gespielt gequältem Gesichtsausdruck zu mir rüber lächelt. Ich lächele zurück und wende meinen Blick dann nach draußen. Die Sonne scheint warm in mein Gesicht und am Himmel sind keine Wolken zu sehen. Eigentlich ein Tag, um sich in die Natur zu setzen, oder schwimmen zu gehen, und keiner für einen Kinobesuch. Aber irgendwann gehen einem die Ideen aus und in den letzten Tagen haben wir so viel zu Hause im Garten rumgesessen. Als ich wieder zu meinen Freunden rübersehe, bemerke ich, dass Simon mich beobachtet hat, doch er sieht nicht weg, sondern lächelt nur. Solange, bis ich wieder woanders hin sehe, wieder aus dem Fenster. Simon hat sich verändert, aber ich weiß nicht, ob positiv oder negativ.
Der Bus hält und wir steigen aus. Finnie weiß, wo das Kino ist, weshalb wir es nicht erst suchen müssen. Sie will uns außerdem noch die Bücherei zeigen, in der es glücklicherweise einen Aufzug gibt. Markus ist der einzige, der mit Büchern nicht unbedingt sehr viel anfangen kann und auch Finnie verliert schnell die Lust, da sie nicht lange still sitzen kann. Simon geht in die Abteilung für Wissenschaft und Mathematik und Laura ist bei historischen Romanen sofort Feuer und Flamme, während ich die Jugendbuchabteilung genauestens studiere. Markus schleicht immer wieder vorbei und fragt, wie lange wir denn noch hier bleiben wollten. Er nervt mich, und offenbar die anderen auch, so lange, bis wir einwilligen und gehen. In einer Viertelstunde hätten wir sowieso spätestens losgemusst.
Das Kino ist klein und hat nur zwei Kinosäle. Der erste ist der größere der beiden und befindet sich ein Stockwerk tiefer, nur durch eine Treppe zu erreichen. Der zweite ist kleiner und befindet sich in derselben Etage wie der Verkaufstresen. Dummerweise läuft der Film, den wir uns ansehen wollen, im ersten, also eine Treppe tiefer. Wir fragen an der Rezeption nach und die zeigen uns einen Weg außenrum, wo der Weg ganz natürlich abfällt. Markus besorgt uns allen die Karten, während wir uns die Plätze aussuchen. Da stehen wir vor dem nächsten Problem. Die Angestellte, die uns den Eingang gezeigt hat, zeigt mir auch einen Platz, wo ich mich mit meinem Rollstuhl hinsetzten kann, aber von dort kann ich überhaupt nichts sehen, da ich fast neben der Leinwand sitze.
„Gibt es keinen anderen Platz, wo sie sitzen könnte?", fragt Simon, der mein Dilemma bemerkt. „Von da sieht sie ja gar nichts."
„Nein, tut mir leid, das ist der einzige", meint die Bedienstete freundlich bedauernd.
Nach einer kurzen Besprechung entscheiden wir uns, dann nicht ins Kino zu gehen, sondern einen anderen Ausflug zu machen, auch wenn ich versichere, dass sie ja ruhig gehen könnten, wenn sie wollten. Wir tauschen die Karten wieder gegen Geld ein und verlassen das Kino. Da wir nicht wissen, was wir sonst tun könnten, gehen wir ein Eis essen. Danach fahren wir wieder nach Hause.

„Alice?" Simons Stimme ist leise und ich bemerke sie kaum, auch wenn alles andere ruhig ist. Aber die Sonne taucht den Horizont in ein so tolles und prächtiges Farbspiel, dass meine Gedanken überall hin schweifen, nur im Hier und Jetzt bleiben sie nicht.
„Alice?" Er fragt etwas lauter und nun stelle ich fest, dass er eben schon einmal meinen Namen gesagt hat.
„Hm?" Es sind keine Wolken am Himmel zu sehen, aber die Kondensstreifen der Flugzeuge werden rot und orange und pink angestrahlt und bilden ein herrliches Muster.
„Ich habe nicht vorgehabt, dich damit zu überrumpeln, aber... Ich will nicht, dass mir Ciaran zuvorkommt. Alice, du bist gewachsen, wir alle sind gewachsen und wir haben uns entwickelt und... ach, keine Ahnung. Alice, ich... fühle mehr für dich, als für jede andere Frau und ich wollte, dass du das weißt." Der rot glühende Feuerball sinkt immer schneller. Eben hat er noch ein ganzes Stück über den Baumwipfeln gehangen... Moment, was?
„Simon...", beginne ich, aber er unterbricht mich.
„Nein, ich will nichts hören. Ich weiß, dass du viel für ihn empfindest, das kann man sehen, aber ich denke, dass du auch viel für mich fühlst, schließlich kennen wir uns bereits so lange. Mir macht es auch nichts aus, dass du nicht laufen kannst, ich konnte mich daran gewöhnen."
„Simon", unterbreche ich nun ihn, aber er lässt nicht locker.
„Bitte, du weißt nicht, wie ich sein kann. Gib mir, gib uns doch eine Chance!" Seine Stimme klingt so verzweifelt, dass ich nicht weiß, was ich sagen soll. Ich wende meinen Blick vom Horizont zu ihm und sehe ihn an, betrachte sein Gesicht. Er sieht nicht mal schlecht aus, hohe Wangenknochen, blaue klare Augen, in denen sich das Licht spiegelt, ein paar blonde Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht fallen. Er beugt sich vor und ich weiche ihm nicht aus. Ich schließe die Augen. Seine Lippen treffen auf meine, zögerlich, unschuldig, unerfahren. Sie sind weich, nicht warm, aber auch nicht kalt. Er öffnet sie nicht und ich tue es auch nicht. Ich bleibe ganz still und verharre, bis er sich wieder zurücklehnt und mich ansieht, fragend und unsicher.
Ich weiß weder was ich tun, noch was ich sagen soll. Simon ist mein Freund, schon immer gewesen, so lange ich mich erinnern kann. Es ist nicht so, dass ich Angst hätte, ihn zu verlieren, er hat sich schließlich dafür entschieden, dieses Risiko einzugehen. Es ist etwas anderes, das mir schwer im Bauch liegt.
Ich habe bei dem Kuss nichts gefühlt. Das ist der Grund. Vielleicht ist es nicht so, vielleicht fühlt man gar nichts dabei und was in Büchern steht, ist gar nicht war. Herzklopfen, das Rauschen von Blut in den Ohren, das Kribbeln im Bauch. Nichts von alledem habe ich gefühlt, als er mich geküsst hat und nichts von alledem fühle ich, wenn ich ihn ansehe. Nicht so wie bei Ciaran.
„Simon..." Ich weiß, ich muss es ihm irgendwie erklären und ich beschließe, ihm die Wahrheit zu sagen. „Ich habe nichts gefühlt. Ich mag dich wirklich sehr und das meine ich ernst, ich bin sehr froh, dass du mein Freund bist und ich will auch nicht, dass sich das ändert. Ich glaube auch, dass das Liebe ist, sehr gute Freundschaft, aber ich glaube nicht, dass es das ist, was du für mich empfindest und ich glaube auch nicht, dass du das verdienst. Nein, ich bin mir sicher. Ich kann dir nicht geben, was dir zusteht."
Er nickt kurz mit ausdruckslosem Gesicht, aber seine Augen füllen sich mit Trauer. Ich beuge mich vor und schmiege mich an seine Brust, in der Hoffnung, ihn trösten zu können. Nach kurzem Zögern legt er die Arme um mich. Und so sitzen wir auf der Veranda in einer freundschaftlichen Umarmung. Der rot glühende Feuerball ist nun ganz verschwunden und das Blau drückt das Rot, das Orange und das Pink nieder, bis alles in den Bäumen versinkt.

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