Kapitel 96

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Marco

Finja und Liam waren vorausgegangen. Ich aber musste für meinen Teil, nochmals tief durchatmen. Gleich würde ich sie alle wiedersehen. Meine Familie, die dachte, ich wäre tot. Die Familie die mich zu dem Menschen gemacht hat der ich heute bin. Die Familie die mir meine Fehler verziehen hat und dennoch habe ich Zweifel. Zweifel, ob es wieder so werden würde wie es vorher war. Zweifel, ob ich diese Aktion und waghalsigen Mission überhaupt noch machen möchte.
Die Zeit die ich im Keller verbringen musste, haben mich zum nachdenken angeregt. Ich war mir nicht mehr sicher, ob all das noch richtig für mich ist. Doch darum würde ich mir später Gedanken machen. Bestimmt kann mir Liam einen Ratschlag geben.
Nochmals tief durchatmen und schon schlossen sich meine Finger um die Türklinke und drückten sie nach unten. In dem Moment in dem ich die Tür öffnete, vernahm ich das bekannte klicken, einer sich entsichernden Waffe. Stumm blickte ich mich suchend um und schon nach wenigen Sekunden hatte ich sie gefunden. Die Augen von Adrik. Als mein Kumpel mich erblickte weiteten sich seine Augen merklich und in seiner Schockstarre fühl im die geladenen Waffe aus der Hand. Ein Knall und ein darauffolgender markerschütternder Schrei durchbrach die unangenehme Stille.

Blitzschnell zuckte mein Blick in die Richtung des Geräusches. Für einen kurzen Moment stand meine Welt stillt und ehe ich mich versah, setzten sich meine Beine schon in Bewegung. Bei ihr angekommen drückte ich mithilfe meines T-Shirts die Wunde an ihrem Hinterkopf ab. Alessio hatte in der Zwischenzeit schon die Rettung alarmiert. Dieser Fall war nichts für unser privates Ärzteteam, nein hier ging es um mehr. Hier ging es um das Leben von Finja. Die Kugel hatte sie seitlich am Hinterkopf erwischt und ein weiterer Blick verriet mir, das es sich „nur" um einen tiefen Streifschuss handelt. Dennoch war es Lebensbedrohlich. Ihr Puls war nur sehr schwach. Ein Blick über meine Schulter und mir war klar, wieso Adrik oder Liam nicht bei mir wahren. Mein Freund kümmerte sich um Adrik, der hyperventilierend am Boden saß. Ein Klopfen auf meiner Schulter ließ mich meinen Blick abwenden. Nico stand vor mir und in seiner Hand hielt er einen Erste-Hilfe-Koffer. Gemeinsam legten wir der Kleinen einen Druckverband an und in der Ferne waren zum Glück schon die Sirenen des Einsatzfahrzeuges zu hören. Alessio veranlasste die übrigen Männer die Sachen wegzupacken und in die Basis zu fahren um dort auf ihn zu warten. Mit betretenen, teils schockierten Gesichtern nickten sie alle synchrone und verteilten sich auf die vielen mattschwarzen, gepanzerten Geländewägen.

Die Rettungskräfte waren schnell da und so wurden Alessio, Nico und ich auf die Seite gewiesen. Auch die Polizei war gekommen. Schließlich handelte es sich hier um eine ungeklärte Schussverletzung und das ehemalige Gebäude glich einer Ruine. Als sie jedoch Alessio erblickten nickten sie nur knapp und stiegen wieder in ihren Streifenwagen. Sie wussten, dass alles was mit der Familie López zu tun hat, nicht in ihren Zuständigkeitsbereich viel. Als Gegenleistung floss aber bei ihnen der Geldhahn.

„Wir wären Abfahrbereit. Da das Mädchen allerdings minderjährig ist, muss der Erziehungsberechtigte und im Rettungswagen begleiten." forderte einer der Einsatzkräfte zögerlich. Es war ihm anzusehen, wie unangenehm ihm die Präsenz von uns war. Alessio strich sich seinen Anzug glatt und betrat durch die bereits geöffnete Tür den Rettungswagen.
Ein Blick auf meine Linke Seite verriet mir, dass auch Nico die ganze Situation nahe ging und ihm tausende Fragen auf der Zunge lagen. „Na komm, du kannst mich ja auf dem Weg ins Krankenhaus ausfragen" Schmunzelnd deutete ich ihm an zu dem Auto von Alessio zu gehen. Der Fahrer wurde ebenfalls weggeschickt und mir vorhin der Schlüssel überreicht.
Für Adrik wurde ein Krankenwagen nachbestellt, da jener völlig neben der Spur vor sich hin brabbelt. Liam würde bei ihm bleiben und später zusammen mit uns im Krankenhaus warten.

Seufzend startete ich den Motor und fuhr mit quietschenden Reifen von Parkplatz. Innerlich schickte ich noch ein Stoßgebet. „Bitte lasst Finja das ganze überleben!"

Eines schicksalhaften TagesWhere stories live. Discover now