Kapitel 20

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Auf den ganzen Weg zur Cafeteria schweigen wir. Während Matt sich an der Schlange anstellt, um sich Essen zu bestellen, suche ich einen freien Platz. Ich versuche, die Zeit zu nutzen, um ein paar Mal tief durchzuatmen. Matt macht mit tierisch nervös, obwohl er mir gar keinen Grund dazu gibt.

Nach ein paar Minuten kommt er mit einem vollen Tablett zum Tisch. Bevor er gegenüber Platz nimmt, landet eine Brottüte auf meiner Tischseite. Fragend schaue ich auf das braune Papier.

»Ich wollte doch nichts«, murmle ich und öffne die Tüte. Ein Lächeln huscht über meine Lippen.

»Als ob du bei einem Schokomuffin nein sagen kannst.« Matt greift zur Gabel und beginnt zu essen. Neugierig schaue ich auf seinen Teller und zupfe dabei kleine Bröckchen vom Muffin ab, um sie mir einzeln in den Mund zu schieben. Sobald die Schokolade meine Zunge berührt, zerschmilzt sie, sodass sich der süß-herbe Geschmack im ganzen Mund verteilt. Genießend schließe ich die Augen und muss ein Aufstöhnen unterdrücken. Gott, ich liebe diese Schokoladenteile!

»Danke!« Ich öffne die Augen und sehe, wie Matt mich beobachtet. Ich ziehe fragend die Brauen in die Höhe. Er grinst und isst weiter. Diesmal beobachte ich ihn dabei. Er wirkt so ausgeglichen und zufrieden. Liegt es daran, dass er glücklich ist? Freut er sich, dass ich hier bin? Nehme ich alles viel zu kritisch wahr? Sollte ich einfach tief durchatmen und den Moment genießen? 

Von vorne anfangen ... 

Die drei Worte hallen in meinem Kopf nach und Wärme breitet sich in mir aus. Gott! Ich will, dass Matt mich anlächelt. Ich will seine Nähe. Ich möchte der Grund sein, dass er zufrieden und glücklich ist. Ich will nicht streiten und mir den Kopf zerbrechen. Ich setze mich auf. Matt merkt die Veränderung an meiner Haltung und sieht mich fragend an. 

»Was ist das?« Ich nicke in Richtung des Tellers vor ihm. »Es sieht lecker aus.«

Er lächelt. »Reiscurry. Hier kochen sie direkt frisch auf Bestellung. Probier!« Auffordernd hält er mir eine volle Gabel unter die Nase und bevor ich es mir überlege, öffne ich die Lippen und sie landet in meinem Mund. Es schmeckt wirklich gut. Kauend beginne ich zu strahlen und Matt zwinkert mir zu und reicht mir den Löffel, der unberührt auf dem Tisch lag. »Bedien dich.«

Nach ein paar Bissen setzt sich Matt auf und nickt in Richtung meiner Tasche, die neben mir auf einem Stuhl liegt. »Zeig mir deinen Laptop.« Ich reiche ihm das Gerät. Mit der umgedrehten Gabel im Mund klappt er den Bildschirm auf und startet den PC.

»Passwort?«, nuschelt er.

»1003.«

Er schnaubt abfällig auf und gibt die Zahlenreihenfolge ein. »Dein Geburtstag. Da hätte ich selbst drauf kommen können.«

Ich sage nichts, doch Matt macht nicht den Eindruck, als ob er das erwarten würde. Konzentriert starrt er auf den Bildschirm. Ich knabbre weiter am Muffin und hänge meinen Gedanken nach. Wie immer kann ich die Augen nicht von seinem Gesicht nehmen. Warum sieht er nur so hinreißend aus, wenn er sich konzentriert? Warum wird mir bei seinem Anblick so warm, obwohl ich weiß, dass wir uns jeden Moment wieder in den Haaren liegen. Was Robin wohl denkt, wenn er wüsste, dass ich mit Matt an einem Tisch sitze, anstelle endlich mit ihm zu reden? Wann ist alles so kompliziert geworden?

»Ist alles okay bei dir?«

Ich schrecke aus meinen Gedanken und setze mich aufrecht hin. Matt sieht mich nicht an. Seine Augen liegen immer noch auf dem Bildschirm. Seine Finger fliegen über die Tastatur.

»Was soll sein?«, frage ich.

»Du siehst müde aus und bist blass.«

Ich muss lachen. »Du starrst seit fünf Minuten nur auf den Bildschirm und siehst mich nicht an.«

»Du willst, dass ich dich ansehe, wenn ich dich frage, was mit dir los ist und warum du nicht schlafen kannst?« Sein Blick schießt hoch und das Grün durchdringt mich so intensiv, dass ich zurückzucke. Er schmunzelt über die Reaktion und wendet sich wieder dem Bildschirm zu. Sofort ist der Druck von meiner Brust weg. »Also, warum schläfst du schlecht? Und streite es nicht ab. Du mutierst zur Nachteule, wenn dir etwas im Kopf herumschwirrt. Weißt du noch? Früher hast du mich immer mitten in der Nacht bei Skype angerufen und mich dann auch wachgehalten.«

Ich knibble an der Kruste des Muffins, ohne eine weitere Ecke abzureißen. »Das ist lange her«, erwidere ich und er sieht wieder auf. Diesmal liegt ein trauriges Lächeln auf seinen Lippen.

»Und ich vermisse es.« Seine Ehrlichkeit trifft mich, berührt etwas in meinem Herzen und bringt es zum Flattern. Gleichzeitig merke ich, wie dieses Flattern an alten Wunden zerrt, die mich unglaublich traurig machen. 

»Damals als du abgehauen bist, habe ich es die erste Zeit versucht, aber du hast meine Anrufe nie angenommen. Irgendwann habe ich aufgegeben«, offenbare ich ihm, weil ich nicht mehr das Bedürfnis habe, um den heißen Brei herumzureden. Er kann ruhig wissen, wie ich mich damals gefühlt habe. Vielleicht versteht er mich dann.

Matt runzelt die Stirn, dann sieht er wieder auf den Bildschirm. »Manche meiner Handlungen kann ich mir selbst nicht erklären«, beginnt er nach einer kurzen Pause und ein Grinsen erscheint auf seinen Lippen. Seine Augen Funkeln belustigt. »Und manche Probleme sind so einfach zu erklären, dass ihre Lösungen fast lächerlich sind und sie darum unerklärlich bleiben.« 

Irritiert runzle ich die Stirn.  »Was soll das denn bitte heißen?«

Matt antwortet nicht, stattdessen klappt er mit selbstgefälliger Miene den Laptop zu und schiebt ihn über die Tischplatte zu mir herüber. »Jetzt kannst du das Internet ganz normal benutzen. Es war deine Firewall. Passiert leider häufig, dass sich Antivirenprogramme mit dem Netzwerk der Uni beißen.« Er beginnt den leeren Teller auf das Tablett zu räumen und steht auf. »Ich muss leider wieder nach oben ins Center. Sascha hat gleich Vorlesung und ich bin seine Ablösung.« Zögernd lächelt er mich an. »Wenn du heute nicht einschlafen kannst, ruf mich ruhig über Skype an. Ich bin bis neun Uhr schwimmen, also kannst du es ab zehn versuchen. Ich verspreche dir, dass ich definitiv deinen Anruf annehmen und mich darüber freuen werde.«

Als er an mir vorbeigeht, streift seine Hand kurz meine Schulter und drückt sie. Ich sehe ihm hinterher, bis er hinter der Glastür verschwunden ist. Dabei wandern meine Finger an die Stelle, an der er mich berührt hat. Erst als er aus meinem Sichtfeld verschwunden ist, drehe ich mich zu meinem Laptop um und hole ihn aus dem Stand-By, indem ich den Bildschirm aufklappe. Es dauert einen Moment, dann lädt der Explorer. Ich muss lächeln, als neben den vielen Ordnern eine Desktop-Notiz geladen wird, die nicht von mir stammt.

 -- Netflix können wir zusammen gucken. Bis heute Abend, Furbs. --

Darunter steht Matts Skype-Adresse. Es ist der gleiche Account, der seit Jahren in meiner Freundesliste abgespeichert ist. Obwohl tausend Fragen in meinem Kopf auf mich einströmen, können sie nicht die kribbelnde Aufregung unterdrücken, die Matts Angebot bei mir auslöst. Soll ich ihn wirklich anrufen? Und wenn ja, was dann? Glaubt er wirklich, dass ich dann besser schlafen kann? Ich bezweifle es. 

Ich klappe den Laptop zu und stecke ihn zurück in die Tasche. Ich habe keine Ahnung, was ich von diesem Vorschlag halten soll. Und obwohl ich mir vornehme, Matt nicht anzurufen, klopft mein Herz vor Vorfreude etwas schneller.

 Und obwohl ich mir vornehme, Matt nicht anzurufen, klopft mein Herz vor Vorfreude etwas schneller

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Always meet TwiceWhere stories live. Discover now