Kapitel 48

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Ich schaffe es tatsächlich, bis Freitag das Referat fertig vorzubereiten. Die Präsentation steht, meine Notizen sind feinsäuberlich auf Karteikarten geschrieben und der Text zwischen mir und Danny aufgeteilt. Als ich ihm die E-Mail mit den Informationen geschickt habe, kam als Antwort nur ein »Alter, ist das dein Ernst? Wir halten das Referat in vier Wochen!« zurück.

Leider hat er Recht. Bis wir an der Reihe sind, ist es Februar, doch die Arbeit konnte mich ein bisschen von Matt und Robin ablenken. Doch mit der Fertigstellung des Referates habe ich die letzte Ausrede verloren, mich von Matts WG fernzuhalten, um Danny bei seinem Umzug zu helfen.

Danny ist inzwischen richtig wütend und hat mir dies durch verteufelnde Whats-App-Nachrichten mitgeteilt. Er weiß, dass ich Matt aus dem Weg gehe, und findet es blöd, dass ich ihn deshalb meide. Es fühlt sich, als ob wir eine neue Dreierkonstellation bilden, nur dass statt Robin Danny den Part des dritten übernimmt. Dieser hat Matt den ganzen Donnerstag in seinen Umzug eingespannt, sodass abends nur eine kurze Nachricht auf mein Handy eingetrudelt ist. 

Das Schlimme daran ist, dass Matts Strategie klappt. Ich sehne mich jede Minute mehr nach ihm. Die Wut ist verraucht und hat Traurigkeit Platz gemacht. Traurigkeit und Unsicherheit. In zwei Tagen ist Weihnachten. Morgen fahre ich nach Hause und ich habe keine Ahnung, ob Matt mich begleiten wird. Gerade kann ich es mir nicht vorstellen. 

Missmutig gehe ich die Straße entlang. Die frostigen Temperaturen haben dem Lavendel vor den Neubauten den Rest gegeben. Der Schnee ist bereits am Montag geschmolzen und hat alles in einem matschig nasses Grau verwandelt. Feuchtigkeit schleicht sich langsam in meinen Parka und lässt mich frösteln. Vor dem Haus steht Matts Wagen mit offenem Kofferraum. Innen liegt nur noch eine kleine Kiste. Ich greife mir den Karton, schließe die Lade und betrete das Gebäude. 

Der Lärm aus der Wohnung ist schon unten zu hören. Es scheppert und poltert. Langsam schleiche ich die Treppen hoch, der Karton drückt dabei scharf in meine Handgelenke. Es dauert Ewigkeiten bis ich im obersten Stockwerk ankomme. Mit jeder Stufe wird der Lärm lauter und meine Nervosität stärker. Jetzt vor der weit geöffneten Wohnungstür flattert mein Herz unruhig und lässt mich kaum atmen. Wie soll ich auf Matt reagieren? Wird er sich wie in der Bibliothek nichts anmerken?

Vorsichtig betrete ich die Wohnung, als ob ich Angst hätte, einen meiner Freunde zu sehen. Gelächter schallt mir aus dem Wohnbereich entgegen. In der Tür zum Wohnzimmer stehend, suchen meine Augen den Raum automatisch nach Matt ab. Das Flattern in der Brust hört schlagartig auf, um von einem Hämmern abgelöst zu werden. Mit umgedrehter Cappy, die sein blondes Haar versteckt, sitzt er auf den Boden und schraubt mit gefurchter Stirn an einem Regal herum. Er trägt ein schwarzes enges Shirt, das seine Tattoos zur Geltung bringt. Die Eule sticht wie immer aus allem hervor und sieht mich dabei argwöhnisch an. Hitze steigt in mir hoch, und ich wende meinen Blick ab. Er schweift ein paar Meter weiter zu Sascha. Er sitzt lässig mit überkreuzten Beinen auf der Couch und kommentiert aus der Anleitung, die ausgebreitet auf seinem Schoß liegt. 

»Hey, Elfe. Nicht so schüchtern, wir beißen nicht.«

Wo Danny plötzlich herkommt, weiß ich nicht. Ich war so in den Anblick der Jungs vertieft, dass ich ihn nicht gehört habe. Vor Schreck rutscht mir der Karton aus der Hand und fällt polternd zu Boden. Sofort liegen alle Augen auf mir. Grün funkelt mich warm an und meine Wangen fangen Feuer.

»Wo kann ich helfen?«, frage ich Danny und meide stur den Blick ins Wohnzimmer. Danny mustert mich kritisch. 

»Hast du oben eine Aufgabe?«, ignoriere ich seinen unpassenden Spruch. 

»Da, wo Matt nicht ist?«, fragt er und seine Augen glänzend wissend.

Ich nicke, weil es sowieso nichts bringt, es zu leugnen.

Er lächelt und deutet in Richtung Treppe. »Oben stehen Kisten, an denen darfst du dich gerne austoben. Du kannst meine Mangas einräumen. Sortiere sie entweder nach Farbe oder nach dem Alphabet.«

Dankbar sehe ich ihn an, hebe die heruntergefallene Kiste auf und gehe zur Treppe. Auf dem Weg muss ich an den restlichen Jungs vorbei. Matts Blick liegt auf mir und folgt mir bei jedem Schritt. Er versengt dabei meine Haut. Bis ich das Wohnzimmer durchquert habe, leuchten meine Wangen knallrot.

In Dannys Zimmer hole ich das erste Mal Luft und sehe mich um. Der Raum ist die spiegelverkehrte Version von Matts. Auf der rechten Seite stehen bereits Regale und dazwischen Dannys Bett, das er aus seiner alten Wohnung mitgenommen hat. Für die freie Wand ist wohl der Schrank vorgesehen, den die Jungs unten zusammenbauen. Ich drehe mich um und entdecke mehrere gestapelte Boxen mit der Aufschrift Mangas, Comics, Bücher. Es sind insgesamt zehn Kisten. Dieser Übertreiber!

Ich setze mich im Schneidersitz auf den Boden und ziehe die erste Kiste heran. Neugierig packe ich einen Stapel türkiser Bücher aus. Angel Sanctuary steht auf dem Cover. Schulterzuckend räume ich die zwanzig Bände in das Regal. Dabei hänge ich meinen Gedanken nach. Was werde ich machen, wenn Matt nie einknickt? Bin ich zu stur? Soll ich das Ganze dann beenden? Will ich das? Die letzte Frage stelle ich mir ungefähr alle zehn Sekunden. Mir wird schlecht. 

Obwohl mich das Einsortieren ablenkt, sind meine Nerven bis zum Zerreißen gespannt. Jeden Schritt, den ich vor dem Zimmer höre, lässt mich zusammenzucken, doch erst bei der dritten Kiste höre ich, wie die Tür geöffnet wird. Ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es Matt ist. Sein Duft kitzelt in der Nase. 

Kurz schließe ich die Augen und atme ein, dann greife ich erneut in den Karton und arbeite weiter. Seine Aura nimmt meine Sinne ein. Der Drang, in seinen Armen zu liegen, wächst. Meine Finger zittern.  Alles in mir sehnt sich nach ihm. Aber er hat mich verletzt. Schon wieder! So sehr ich mich nach ihm sehne, ich kann nicht nachgeben. 

Gott, es ist so frustrierend!

Gott, es ist so frustrierend!

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Always meet TwiceWhere stories live. Discover now