62 | the future married whatever

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Vor zwei Monaten hätte Jeongguk sich selbst keinen Glauben geschenkt, wenn er sagen würde, dass die Zeit im Schloss beinahe fast so schön war wie seine Zeit im Goldenen Hasen.

Nach anderthalb Wochen hatten seine Eltern das Wichtigste von seinem Zeug vorbeigebracht und waren in ihren Arbeitsalltag zurückgekehrt, sodass Jeongguk von nun an auf sich allein gestellt war. Zwar immer mit dem Gedanken im Nacken, sich benehmen zu müssen, doch nicht mit seiner Mutter, die ihn alle zwei Minuten daran erinnerte.

Sein Zimmer auf Taehyungs Etage war hell, geräumig und viel zu groß für sein ganzes Zeugs. Manchmal ließ er absichtlich Klamotten, Bücher, Stifte und Zettelchen auf seinem Boden liegen, damit es wenigstens ein bisschen den Anschein machte, als wäre er Zuhause, doch dann kam Wheein und räumte alles wieder an seinen Platz zurück.

Ihr Kuss in der Bibliothek hatte sich sehr schnell im Schloss herumgesprochen. Jeongguk bekam nun bei weitem mehr Aufmerksamkeit als zuvor. Die Dienstmädchen und -jungen verbeugten sich vor ihm, wenn er auf dem Flur an ihnen vorbeilief, die Wachleute schienen ständig in seiner Nähe zu sein und Yoongi konnte nicht genug Witze darüber reißen.

Der einzige Vorteil, den die ganze Sache bisher hatte, war, dass Taehyung und ihm bei ihren Streifzügen durch den Garten oder das Schloss Privatsphäre gelassen wurde und sie sich berühren und küssen konnten, wann sie wollten. Nichtsdestotrotz schlich sich der Prinz noch immer heimlich jede Nacht in sein Zimmer.

Etwas, was für Jeongguk schon fast zur Gewohnheit geworden war, und ihn an einem Morgen in Panik verfallen ließ, als er merkte, dass seine andere Betthälfte leer und kalt war.
Es war früh am Morgen und die Sonne versuchte sich gerade durch den Nebel zu brechen, der in Schwaden über dem dichten Wald hinter seinem Fenster lag.

Sofort rappelte Jeongguk sich auf, zog sich eine Jogginghose an und lauschte auf die Geräusche im Schloss. Von irgendwoher klapperte Geschirr und Eimer und das Trippeln mehrerer Schritte und er schaffte es sich ein wenig zu beruhigen. Zumindest war es kein Traum.

Barfuß tapste er zur Tür und warf noch einen letzten Blick in sein Zimmer mit dem angrenzenden Bad. Vor dreieinhalb Wochen, als er hier angekommen war, hatte er gedacht sich niemals an diesen Anblick gewöhnen zu können, doch mittlerweile schienen ihn sie Goldverzierungen und die teure Einrichtung beinahe normal. Er hatte keine Angst mehr davor etwas anzufassen und fühlte sich auch nicht mehr schlecht, sich so einem Luxus hinzugeben.
Immerhin wurde er irgendwie hier festgehalten.

Ohne dass sie ein Geräusch von sich gab, öffnete er die Tür und trat hinaus in den hohen Flur. Yugyeom stand bereits an seinem Platz und gähnte gerade herzhaft, als Jeongguk leise „Guten Morgen" murmelte.

„Mr. Jeon. Es tut mir Leid. Guten Morgen, ich...", fing er sofort an zu stottern, doch Jeongguk grinste nur und winkte ab.
„Jeongguk reicht, alles gut. Frühschicht?"

Yugyeom nickte und Jeongguk freute sich, dass er nicht widersprochen und darauf bestanden hatte ihn so anzureden. Dieses ständige Mr. Jeon, Sir und Mr. Jeongguk ging ihm langsam gewaltig auf den Keks. Das Einzige, was er wirklich nicht vermissen würde, wenn er irgendwann mal zurück nach Hause kommen würde.

„Hast du schon was gefrühstückt? Nicht dass du hier irgendwie umkippst... du bist ein bisschen blass um die Nase."
„Nein, Sir... äh, Jeongguk."
„Willst du dann nicht erstmal was essen gehen?"
„Willst du mich loswerden, um dich zu Taehyung ins Zimmer zu schleichen?"

Überrascht von dieser plötzlichen Gegenfrage hob Jeongguk die Augenbrauen, blickte zu Taehyungs Zimmertür und wurde dann ganz rot.

„Auch... aber essen solltest du trotzdem", meinte er, verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust und hoffte, dass die Hitze in seinen Wangen nicht zu sehr auffiel.

„Ich kann auch einfach so tun, als hätte ich dich nicht gesehen. Das ist gar kein Problem."
„Nur wenn du mir versprichst etwas zu essen."
„Du bist echt hartnäckig...", lächelte Yugyeom und verließ seinen Posten, um auf Jeongguk zuzugehen. Durch die schweren Stiefel überragte er ihn um fast einen halben Kopf und Jeongguk ließ seine Arme langsam sinken, um zu ihm hochzusehen. Und wieder einmal wurde ihm bewusst, wie wenig er von einem charismatischen Anführer hatte. Sobald jemand größer war als er, wurde er zu einer Maus.

„Ich krieg Ärger, wenn ich meinen Posten verlasse", erklärte Yugyeom und warf einen Blick den Gang runter, doch niemand kam. Nur entfernt hörte Jeongguk Menschen reden.

„Kann ich dir nicht irgendwie Befehle geben, so als... zukünftiger, angeheirateter Was auch immer?"
„Theoretisch schon, aber..."
„Schön, dann befehle ich dir jetzt zu frühstücken", nickte Jeongguk lächelnd und hoffte, dass Yugyeom dem endlich nachkam.

Der junge Mann war tatsächlich ein wenig käsig im Gesicht und unter seinen Augen lagen tiefe Schatten, als hätte er die Nacht schlecht bis gar nicht geschlafen. Warum zum Teufel ließ man ihn in dieser Verfassung überhaupt arbeiten?

„Und wenn du es nicht tust, dann... dann wird etwas ganz schlimmes passieren", drohte Jeongguk und reckte das Kinn, auch wenn er sich selbst kein bisschen ernst nahm.
Trotzdem schlich sich ein mattes Lächeln auf das Gesicht des Wachmannes und er verbeugte sich leicht vor ihm.

„Danke, Sir", murmelte er, ehrlich erleichtert und unterdrückte ein weiteres Gähnen. „Wirklich... vielen Dank."

„Kein Ding", lächelte Jeongguk zufrieden und klopfte dem Wachmann freundschaftlich auf den Rücken. „Oh und... Jeongguk reicht. Ehrlich. Ich bin niemand Wichtiges."


In all der Zeit war Jeongguk noch nie in Taehyungs Zimmer gewesen. Es war erstaunlich, doch es fiel ihm auch erst auf, als er vor der schweren Tür stand und sie so leise wie möglich aufschob.

Er wusste nicht, was er erwartet hatte. Auf jeden Fall eine Badewanne aus Marmor und einen Arbeitsplatz unter einer riesigen Fensterfront. Poster und all solches Zeugs, was aus Jeongguks Jugendphase überlebt hatte, waren eher unwahrscheinlich.
Vielleicht war er deswegen so überrascht, als das Licht vom Flur in den abgedunkelten Raum fiel.

Tatsächlich war Taehyungs Zimmer ein wenig kleiner als seins. Ein Doppelbett stand mitten im Raum, zwei Fenster. Unter dem einen ein Schreibtisch und ein aufgeklappter Laptop, unter dem anderen eine kleine Sofaecke inklusive Fernseher und Bücherregal.

Die Wand neben der Tür war komplett verspiegelt, sodass sich das Tageslicht, was durch die Fenster fiel, dort reflektieren würde. Verschiedene Zeichnungen, Fotos und Bilder klebten an den anderen Wänden, doch es war zu dunkel, um die Motive zu erkennen. Eine offen stehende Tür leitete in ein Bad weiter.

„Taehyung", flüsterte Jeongguk und machte ein paar Schritte in den Raum hinein, doch der Decken und Kissenturm auf dem Bett des Prinzen bewegte sich nicht. Unsicher blieb er stehen, doch dann fiel ihm ein, wie Taehyung sich immer zu ihm ins Bett geschlichen hatte. Ganz still und heimlich, nur um dann mit seinen kalten Händen unter seine Boxershorts zu fahren.
Vielleicht war ja jetzt die perfekte Zeit, um Rache zu üben.

Grinsend umrundete er das Bett, kuschelte sich ebenfalls in die Kissen und war gerade im Begriff die Arme nach dem Prinzen auszustrecken, bis ihm etwas auffiel.
Das Bett war kalt.
Nicht nur an der Stelle, wo er sich hingelegt hatte.

Es war kalt und Taehyung nicht hier.

Verwirrt stand er wieder auf und lauschte noch einmal, ob Geräusche aus dem Bad zu hören waren, dann sah er nach. Doch bis auf die Marmorbadewanne fand er nichts. Ebenso wie auf dem Schreibtisch des Prinzen.
Von seinem Handy fehlte ebenso jede Spur.

Resigniert warf Jeongguk sich zurück in die weichen Kissen und starrte an die Decke. Hatte Taehyung erwähnt, dass er das Schloss verließ? Vielleicht hatte er in der Stadt einen Termin für sein Studium im nächsten Jahr. An einem Samstag.

Er lag lange dort und zerbrach sich den Kopf. Erst als er das Knarren der Tür hörte und wie von einer Nadel gestochen aufschreckte, fiel ihm auf, dass er eingeschlafen war.















Hey hooo... warum ist spontanes Wegfahren eigentlich ausnahmslos immer eine gute Idee?

Songempfehlung des Tages:
Too afraid to love you [Dylan Gardner]

Coup d'état ⇢ TaekookWhere stories live. Discover now