72 | I hate you

1.2K 161 82
                                    

„Musste das sein?"

Eine Hand an seiner Wange stützte Taehyung sich auf dem Regal ab, in dem sich alle möglichen Putzmittel aneinander reiten. In dem gedämpften Licht der Besenkammer sah Jeongguk zwar nicht, wie sich die Wange des Prinzen rot färbte, dafür jedoch, dass seine Augen angefangen hatten zu tränen.

„Jup", meinte er grimmig und verschränkte die Arme vor der Brust. Taehyung holte noch ein paar Mal tief Luft, dann richtete er sich wieder auf, noch immer eine Hand an der schmerzenden Wange, und sah Jeongguk direkt in die Augen.

„Ich freu mich auch dich wiederzusehen", versuchte er die Stimmung aufzulockern, zuckte jedoch sofort wieder zusammen, als Jeongguk die Hand hob, um sich eine Haarsträhne aus seiner Stirn zu streichen. Er hatte sie sich gestern Abend kürzer geschnitten und irgendwie kam er mit der neuen Länge noch immer nicht so ganz zurecht. „Hast du was mit deinen Haaren gemacht?"

„Stressabbau. Ich hab den Boxsack noch nicht gefunden."
„Ist auch unten im Keller. Wenn du Namjoon gefragt hättest, hätte er ihn dir gezeigt. Aber du hast dich ja eh die ganze Zeit vor ihm versteckt." Die Bemerkung klang belustigt und Jeongguk spielte mit dem Gedanken ihm noch einmal eine zu scheuern.

„Warum bist du so?"
„Wie bin ich denn?"
„Als wären die letzten Wochen nie passiert. Du bist buchstäblich abgehauen, nachdem du mir gesagt hast, dass du mit Bogum geschlafen hast. Und auch jetzt fällt dir nicht einmal ein, dich dafür zu entschuldigen."

Taehyung tupfte sich sorgfältig eine Träne von seiner Wange, doch Jeongguk sah ihm an, dass sie immer noch von der Reaktion seines Schlages gekommen war.
Bevor der Prinz vor ihm weinen würde, würde die Welt untergehen. Da war er sich sicher.

„Wenn ich mich jetzt entschuldige, kaufst du es mir eh nicht ab", antwortete er leise und machte einen Schritt auf Jeongguk zu, doch Jeongguk wich ihm nach hinten aus, bis er mit dem Rücken gegen einen Turm aus Eimern stieß.

Taehyung hatte ihn hier reingezogen, als am Ende des Flures eine Gruppe von Wachleuten aufgetaucht war, und eigentlich war Jeongguk dankbar dafür, dass sie niemand gesehen hatte, doch anderseits war dieser Raum schon viel zu schnell mit Testosteron überfüllt gewesen.

„Gut, dann erklär mir, warum du abgehauen bist und gar nicht erst versucht hast, es zu regeln. Du hast mich zwei Tage nach unserem ersten Kuss auf ein Date gezwungen, um Klarheit zu schaffen. Warum jetzt auch hier nicht? Was ist verdammt noch mal so geheim, dass du es mir nicht sagen kannst?" Seine Stimme zitterte und er ballte die Hände zu Fäusten. Er wollte nicht schon wieder vor Taehyung weinen. Und schon gar nicht hier in dieser dunklen, nach Scheuermilch riechenden Besenkammer in der sie sich vor dem Sommerfest versteckten.

Taehyung verdrehte genervt die Augen und machte glücklicherweise einen Schritt zurück.
„Also... es ist so kompliziert, Jeongguk. Können wir das bitte nicht jetzt klären? Du würdest dir nur unnötig Sorgen machen und mich hassen und außerdem hab ich dir noch etwas ganz anderes zu sagen..."

„Ich hasse dich so oder so schon. Und Sorgen mache ich mir, seit ich damals gefesselt in einem fremden Bett aufgewacht bin. Weißt du eigentlich wie krank das ist?"
„Wenn du es so sagst..."
„Mal ganz von der Tatsache abgesehen, dass du mich seit Anfang an eigentlich nur fürs Geld benutzt hast. Damals um dir ein paar Millionen von deinem Vater abzuzwacken und jetzt, damit er dir das Leben finanziert und dich nicht doch noch vor die Tür setzt..."

Irritiert verzog Taehyung das Gesicht, doch Jeongguk hörte nicht auf zu reden.
„Ich bin für dich doch nichts weiter, als die Freikarte für ein Leben, in dem man alles in den Arsch geschoben bekommt. Warum hörst du also nicht auf, mir hier was vor und irgendwelche kryptischen Andeutungen zu machen, von wegen ich würde mir Sorgen machen. Es ist dir doch eh scheiß..."

„Jetzt halt doch endlich mal die Klappe!", fiel Taehyung ihm lautstark ins Wort und Jeongguk zuckte erschrocken zusammen. „Wer zur Hölle hat dir so einen Mist eingeredet?" Der Prinz war rot angelaufen vor Wut und Jeongguk machte vorsichtshalber noch einen Schritt zurück, stieß dabei jedoch den Eimerturm um und mit den Beinen gegen eine alte Waschmaschine.

„Nervös, weil es wahr ist?", giftete er zurück und holte tief Luft, als Taehyung noch näher kam und langsam seine Hand hob. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er jemals so wütend gewesen war. Nicht einmal ihre Diskussion über die finanzielle Situation des Königs kam an dieses Szenario ran. Es war, als würde alles auf einmal auf Jeongguk einprasseln und er spürte, wie es förmlich in seinen Fingern brannte Taehyung noch einmal eine runterzuhauen.
Für alles, was in den letzten Monaten passiert war...

„Manchmal vergesse ich, warum du mir am Anfang so unsympathisch warst. Danke fürs Erinnern."
„Kein Problem."

Der Prinz lehnte sich ein wenig nach vorne, sodass Jeongguk jetzt schon etwas deutlicher den Abdruck seiner Hand auf seiner Wange erkennen konnte. Ungewollt fing er an zu grinsen und hob eine Hand, um provokant darüber zu streichen. Taehyung verzog keine Miene.

„Zuhören wird wohl nie deine Stärke sein."
„So wie du immer genauso krank sein wirst wie dein Urgroßvater. Aber mach dir nichts draus... liegt wohl in der Familie", bemerkte Jeongguk gehässig. Ihm war heiß und er bekam nur sehr schwer Luft. Entweder vor Wut auf den Prinzen oder weil ihn diese ganze Situation auf eine sehr schräge Art und Weise scharf machte. „Entführst deinen Verlobten, um dich aus deiner persönlichen Finanzkrise zu ziehen..."

„Wir sind nicht verlobt."
„Glücklicherweise."
„Du versteckst dich nur in meinem Gästezimmer, treibst unsere Wasserrechnung hoch, lässt dich von mir vögeln und bemitleidest dich selbst, weil ein Prinz dich heiraten soll und dir dein Ach so tolles Leben ruiniert hat."
„Mein Leben war echt besser bevor ich dich kennengelernt hab."
„Was ein Zufall... meins auch! Weißt du was ich echt fragwürdig finde, Mr. Jeon?"

Jeongguk musste grinsen, doch Taehyung packte sein Handgelenk und zog seine Hand von seinem Gesicht.
„Dass du eigentlich genauso egoistisch bist, wie du mich immer darstellst."

Darauf wusste selbst er keine Antwort mehr, weshalb er Taehyung nur giftig anstarrte, bis sein Blick zu den Lippen des Mannes wanderten und sein Herz automatisch schneller gegen seinen Brustkorb hämmerte.

„Jeongguk..."
„Königliche Hoheit..."
„Ich hasse dich."
„Ich hasse dich auch."

Bevor Jeongguk seine ganze Anspannung jedoch in einem Kuss abladen konnte, fiel ein Schuss irgendwo hinter den Türen der Besenkammer.










Wir hätten es wie Lessing machen können... Emilia Galotti lässt sich von ihrem Vater abstechen und das Drama ist vorbei.

Verzeiht mir, dass ich die Virginia Variante lieber mochte, wo noch zusätzlich das ganze politische System draufgegangen ist...

... yeyy

PS.: Neuneinhalb Stunden Schlaf geben die gleiche Wirkung wie drei Stunden Schlaf...

Songempfehlung des Tages:
Grind [Jay Samuelz]

Coup d'état ⇢ TaekookWhere stories live. Discover now