52 | nothing to apologize

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„Jeongguk, mein Schatz!"
„Ma..."

Müde hob Jeongguk den Kopf und nickte der Krankenschwester neben seinem Bett dankend zu, die gerade mit dem Verband fertig geworden war und sich nun darum machte seine Beine zu versorgen. Offensichtlich hatte er sich nicht nur den Oberschenkel geprellt, sondern auch seinen Fuß falsch belastet, nachdem er vor ein paar Wochen damit umgeknickt war.

Er hatte keine Ahnung von seinem Körperaufbau, vor allem weil es ihm blendend ging, aber das musste wohl ein guter Grund gewesen sein, damit die nette Ärztin ihn direkt nach seinem Frühstück auf dem Zimmer in das Krankenzimmer hat rufen lassen. Und seitdem saß er dort auf einer der Liegen und starrte die Uhr an, die mittlerweile fast halb eins anzeigte.

Ein sehr langweiliges Unterfangen, nicht zuletzt, da ihn die Leute alle mit „Mr. Jeon" ansprachen, sich vor ihm verbeugten und ihn behandelten, als wäre er ein rohes Ei, das gerade frisch aus den Fängen von Rocky Balboa entwischt war.

Dass seine Mutter allerdings im Türrahmen stand, war jetzt allerdings auch nicht die Art von Abwechslung, die er sich vorgestellt hatte.
Vor allem nachdem er hinter ihr seinen Vater entdeckt hatte.

„Ich dachte schon, wir sehen dich nie wieder", rief sie und kam mit glänzenden Augen näher. Jeongguk senkte den Blick auf die Krankenschwester und wartete geduldig, bis sie sich wieder erhob.

„Soll ich später noch einmal wiederkommen, Mr. Jeon?"
„Nein, alles gu..."
„Das wäre sehr lieb von Ihnen. Dankeschön", unterbrach seine Mutter ihren Sohn lächelnd und die Krankenschwester verzog sich in den hinteren Bereich des Raumes, sodass seine Mutter ihm um den Hals fallen konnte.

Unwohl erwiderte Jeongguk die Umarmung und spürte sofort, dass sie noch ein wenig dünner geworden war seit er sie zuletzt gesehen hatte. Ein hässlicher Gedanke stieg ihm in den Kopf und ihm wurde auf einmal schlecht.

Er hatte nur darüber geschimpft, dass sie Schuld daran war, dass er nichts aus seinem Leben machen konnte. Ansonsten hatte er während seiner Erholungskur keinen weiteren Gedanken über sie verloren. Währenddessen musste sie Zuhause gesessen und darauf gewartet haben, dass ihr Sohn zurückkommen würde. Nach einem der schlimmsten Streits, die sie seit langem gehabt hatten. Nicht zu vergessen hatte sie die ganze Arbeit im Salon allein machen müssen...

„Es tut mir so leid", flüsterte er und kniff die Augen zusammen, um nicht zu weinen, doch es half nichts. Beschämt hielt er sich eine Hand vor das Gesicht, doch sie nahm sie runter und wischte ihm die Tränen von der Wange. Auf ihren Lippen lag ein Lächeln, das die Traurigkeit ihrer Augen zerstörte und er fühlte sich sofort noch mieser.

„Du musst dich nicht entschuldigen, Jeongguk", murmelte sie leise. „Nichts hiervon ist deine Schuld. Wenn überhaupt ist es meine... wir haben dich so damit überrumpelt, dass du vor Angst weggelaufen bist."

Sie seufzte schwer und Jeongguk ließ den Kopf hängen, während weitere Tränen still über seine Wangen liefen.

„Und... während du weg warst, hatte ich auch einmal Zeit darüber nachzudenken, wie du dich vielleicht fühlst mit der ganzen Situation. Nicht nur... die Sache mit dem Prinzen sondern auch Zuhause. Vielleicht hätte ich dir wirklich mehr Verantwortung zutrauen sollen."

Jeongguk traute sich nichts zu sagen. Einerseits wollte er ihr Recht geben. Auf der anderen Seite jedoch war er so gerührt davon, dass sich seine Mutter überhaupt ernsthafte Gedanken darüber gemacht hatte, wie er sich mit der ganzen Sache fühlen musste.
Es war einfach nur sehr befreiend, diese Worte allein zu hören.

„Ich hoffe, du kannst mir verzeihen." Sie sprach gedämpft, doch Jeongguk nickte.
„Ja, das kann ich", murmelte er und nahm das Taschentuch dankbar entgegen, das ihm seine Mutter zusteckte. „Danke, Ma."

Gerade jedoch als er ansetzen wollte, um noch mehr zu sagen, bewegte sich die Gestalt seines Vaters im Türrahmen und kam auf sie beide zu.
Er legte eine Hand auf den Rücken seiner Frau und lächelte Jeongguk so selbstverständlich an, als wären die letzten fünf Jahre zu Illusion gewesen. Schnell sah er weg.

„Schön, dass das geklärt ist", meinte der Mann nach einem sehr peinlichen Moment der Stille und wollte gerade seine Arme ausbreiten, um Jeongguk ebenfalls zu begrüßen, doch er hob schnell die Hand und lehnte sich zurück.

„Jeongguk, was soll das?", fragte seine Mutter nervös und sah zu ihrem Mann auf, der wie ein geprügelter Hund den Blick und die Arme wieder senkte.

„Ich dachte, es ist alles wieder gut."
„Ja, weil du dich entschuldigt hast. Aber was ist mit ihm?" Skeptisch deutete er auf seinen Vater.
„Was soll mit deinem Vater sein? Ich war diejenige, die dich gezwungen hat, die Schule abzubrechen und bei mir anzufangen. Er hat nichts gemacht."

„Und vielleicht ist genau das das Problem", zischte Jeongguk und ignorierte, dass die Krankenschwester noch immer hinten im Raum stand und alles mitbekam. „Du hast mich fünf Jahre lang ignoriert. Und weshalb? Weil ich mich geoutet habe. Aber weißt du, wann du wieder angekrochen kommst? Genau in dem Moment, wenn auch dir das in irgendeiner Form zum Vorteil wird."

Er holte tief Luft und sah seinen Vater weiterhin an, rechnete damit, dass er ausrastete und sie anfingen sich zu streiten, wie sie sich früher immer gestritten haben, doch er blieb still. Starrte stumm wie ein Fisch auf seine Füße, als wäre er gar nicht anwesend, und überließ es seiner Frau um Worte zu ringen.

Gerade jedoch als Jeongguk ansetzte, um richtig loszulegen, spürte er eine Hand an seiner Schulter und blickte zurück. Die Krankenschwester war zu ihnen herüber gekommen und hielt Verbandszeugs und ein Döschen mit Tabletten in der Hand.

„Es tut mir Leid, Sie zu stören, aber wir müssen das so bald wie möglich richten. Sie können es gerne später noch einmal versuchen, Mr. und Mrs. Jeon." Sie sprach leise und mit einer so sanften Stimme, als würde sie einem Baby ein Märchen vorlesen, anstatt zwei Erwachsene hochkant aus dem Raum zu werfen.

Vielleicht war das der Grund weshalb Jeongguks Mutter sich trollte und sein Vater ihr hinterher trottete.
Erst als die Tür sich schloss, atmete er erleichtert auf.

„Danke", murmelte er, während die Krankenschwester sich hinhockte und ihm die Socken auszog, um seinen Knöchel abzutasten und mit dem Verbandszeug herumzuhantieren. Eigentlich könnte er sich daran gewöhnen, so umsorgt zu werden.

„Keine Ursache, Mr. Jeon. Familienangelegenheiten lassen sich im schlimmsten Fall immer nach hinten verschieben. Und es tut mir Leid, dass ich mir dieses Urteil erlaube, aber ich denke, dies war so einer..."

„Da haben Sie vollkommen Recht", seufzte Jeongguk und schloss die Augen, um seinen Herzschlag ein wenig zu beruhigen. „Und Sie können mich ruhig Jeongguk nennen. Ich bin niemand wichtiges."











Ich weiß noch nicht, ob ich es so toll finden soll, dass das Wetter langsam auch realisiert hat, dass schon Juni ist...

Random Umfrage #4:

Du dürftest eine Person auf der Welt umarmen, egal ob real oder fiktiv... welche wäre es?

Songempfehlung des Tages:
Beginning of the end [Ateez]

Coup d'état ⇢ TaekookWhere stories live. Discover now